Glaube - Das Kirchenjahr
Alle Erläuterungen, Informationen und Bilder zum Thema Kirchenjahr sind von Pfr. Phil Schmidt zusammengestellt und ausgearbeitet worden.
Liturgische Farben des Kirchenjahres
Advent - eine Zeit des Wartens
"Wir haben Gott dadurch, dass wir ihn (noch) nicht haben ... Wenn wir in Hoffnung und Geduld warten, dann ist die Kraft dessen, worauf wir warten, in uns schon wirksam. Wer in einem unbedingten Sinne wartet, ist nicht weit entfernt von dem, worauf er wartet. Wer mit absoluter Ernsthaftigkeit wartet, ist schon von dem ergriffen, worauf er wartet. Wer in Geduld wartet, hat schon von dem empfangen, auf das er wartet. Wer leidenschaftlich wartet, trägt schon die Kraft dessen, auf das er wartet, in sich und ist fähig, Leben und Geschichte zu verändern. Wir sind stärker, wenn wir warten, als wenn wir besitzen."
Paul Tillich
Die vier Sonntage der Adventszeit
Die vier Sonntage der Adventszeit verkündigen eine vierfache Advent (= Ankunft) Jesu
- 1. Advent: Ankunft Jesu als Messias (Einzug in Jerusalem)
- 2. Advent: Ankunft Jesu Christi am Ende der Zeit in Macht und Herrlichkeit
- 3. Advent: Ankunft Jesu Christi in das Herz
(Johannes der Täufer als Wegbereiter und Umkehrprediger) - 4. Advent: Ankunft Jesu in Maria (Jungfrauenempfängnis)
Weihnachten
"Er war ein Säugling und ein Kind, damit du ein vollkommener Mensch wirst.
Er wurde in Windeltüchern eingewickelt, damit du von den Banden des Todes befreit wirst.
Er war in einer Futterkrippe, damit du an einem Altar stehen kannst.
Er war auf der Erde, damit du unter den Sternen bist.
Es gab für ihn keinen Platz in der Herberge, damit du eine Wohnung im Himmel haben kannst.
Obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Deshalb ist seine Armut unser Erbe und seine Schwachheit unsere Stärke.
Er hat verzichtet, damit er Überfluss schenken konnte.
Das Weinen eines Säuglings reinigt mich, seine Tränen waschen meine Sünden weg."
Ambrosius von Mailand, 4. Jhd.
Weihnachten - die Menschwerdung Gottes in Jesus geht weiter
Inkulturation ist eine Fortsetzung der Inkarnation
(= "Einfleischung", Fachausdruck für die Menschwerdung Gottes in Jesus)
Inkulturation geschieht, wenn die christliche Botschaft in eine bestimmte kulturelle Sphäre eindringt – und zwar auf eine solche Weise, dass diese Sphäre verwandelt und neugestaltet und in das kirchliche Leben integriert wird.
Epiphanias
Epiphanias bedeutet "Erscheinung": Gemeint ist die Erscheinung Gottes in dem Kind von Bethlehem.
Nach dem biblischen Sprachgebrauch ist "Erscheinung" ein Hinweis auf die Göttlichkeit des Kindes, denn nur Gott "erscheint".
Die Weisen aus dem Morgenland bestätigten die Göttlichkeit Jesu durch ihre Körpersprache.
Von den Weisen aus dem Morgenland heißt es: Sie "gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe." (Matt. 2, 11)
Epiphaniaszeit
Das Hauptmotiv der Epiphaniaszeit ist die Herrlichkeit Gottes, die in Jesus erschienen und offenbart worden ist. Der krönende Abschluss dieser Zeit - für den letzten Sonntag nach Epiphanias vorgesehen - ist die Verklärung Jesu. Auf einem hohen, ungenannten Berg (Tabor? Hermon?) wird die Herrlichkeit Gottes in Jesus sichtbar gemacht, die sonst unter seinem Menschsein verborgen war. Bei der Verklärung wurde vorweggenommen, was am Ende der Zeit öffentlich sichtbar wird: Christus in seiner göttlichen Macht und Herrlichkeit. Hier wurde sichtbar vorweggenommen, was der Prophet Jesaja vorausgesehen hat: "Die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen".
Vorfastenzeit
Septuagesimae = 70: erster Sonntag, der auf Ostern hinweist.
Von diesem Sonntag bis zur Vollendung des 8-tägigen Osterfestes sind es 70 Tage.
Diese 70 Tage sind eine Erinnerung an die 70 Jahre der babylonischen Gefangenschaft des Volkes Israels (nach Jeremia 25, 11).
Die Zahl ist ein symbolischer Hinweis, dass die Auferstehung Christi die Befreiung von einer Gefangenschaft ist. Nicht nur die Toten sollen von dem Gefängnis des Todes befreit werden, sondern die Todesangst macht aus allen Menschen Gefangene, denn diese Angst hat eine lähmende, erstickende Wirkung.
Fastenzeit / Passionszeit
Christus begibt sich in unsere menschliche Situation.
An dem ersten Sonntag der Fastenzeit wird in dem Evangelium (Matthäus 4, 1 – 11) erzählt, wie Jesus am Ende seiner 40-tägigen Fastenzeit eine teuflische Versuchung erlebte: er sollte seine göttliche Vollmacht einsetzen, um Steine in Brote zu verwandeln, oder er sollte von einer hohen Stelle springen und sich von Engeln auffangen lassen. Die Versuchung hier lautet: Jesus soll den Unglauben der Menschen durch Machtdemonstrationen überwältigen. Aber die Entfremdung zwischen Gott und Mensch lässt sich nicht mit Machtoffenbarungen überbrücken. Der Weg Gottes zu den Menschen ist ein Weg der vorläufigen Ohnmacht.
Die Sonntage der Fastenzeit/ Passionszeit
Gründonnerstag
Leib und Blut Christi
Gründonnerstag wurde früher auch "Geburtstag des Kelches" genannt. Dieser Name ist eine Anspielung auf die Geburt Jesu, bei der Gott als Mensch in die Welt kam. Das Kind in der Krippe war ein echter Mensch aus Fleisch und Blut. Das Abendmahl ist eine Art Fortsetzung dieser Menschwerdung Gottes, denn ab jetzt ist Jesus in Brot und Wein anwesend, die Leib und Blut Christi darstellen.
Karfreitag
Karfreitag
"Und von der sechsten Stunde an (d.h. um die Mittagszeit) kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde." (Matt. 27, 45)
Die Propheten haben einen Tag vorausgesagt, an dem Gott sich öffentlich offenbart, an dem er die Geschichte dieser Erde vollendet und ein neues Zeitalter einleitet: die Endzeit.
Die Propheten nannten diesen Tag "den Tag des HERRN".
Jesaja, Jeremia, Amos, Hosea, Joel, Zephania, Zacharia, Maleachi haben diesen Tag des HERRN vorausgesagt.
Osternacht
„Die Feier der Osternacht bildet den eigentlichen Abschluss der Heiligen Woche. Sie ist die ursprünglichste Feier der Christenheit“ (Martin Senftleben „Mit dem Kirchenjahr leben“)
Bis heute gehört es zu der traditionellen Osternachtliturgie, die Befreiung der hebräischen Sklaven aus Ägypten als Urbild der Auferstehung zu feiern. Dieser Glaubensinhalt wird in dem Osterlob, dem sogenannten „Exsultet“ (lat. „es jauchze“), gefeiert.
In den ersten Jahrhunderten der Christenheit wurden Taufen in der Osternacht vollzogen, denn die Taufe war eine Nachahmung der Auferstehung
Ostern
Das Totenreich ist in Aufruhr, denn es ist erledigt.
Es ist in Aufruhr, denn es wird verspottet.
Es ist in Aufruhr, denn es ist zerstört.
Es ist in Aufruhr, denn es ist vernichtet.
Es ist in Aufruhr, denn es ist nun gefangen genommen.
Das Totenreich nahm einen Leib und entdeckte Gott.
Es nahm Erde und begegnete Himmel.
Es nahm, was es sah, und wurde überwunden durch das, was es nicht sehen konnte.
Ausschnitt aus einem Text von Johannes Chrisostomos, Konstantinopel, 4 Jhd.
Österliche Freudenzeit
"Die fünfzig Tage sind wie das Pascha zu feiern, und sie sind alle wie ein einziger Sonntag"
(Ambrosius von Mailand, 4. Jhd.).
In den ersten Jahrhunderten waren die fünfzig Tage nach Ostern ein geschlossener Festkreis, der mit Pfingsten endete. Diese Zeit galt als Vorschau des himmlischen Lebens, und es gab damals eine entsprechende Körpersprache der Osterfreude.
Himmelfahrt
Himmelfahrt: Abschluss der Auferstehungserscheinungen
40 Tage lang war der Auferstandene für Augenzeugen wahrnehmbar. Die Himmelfahrt war der Abschluss der sichtbaren Auferstehungserscheinungen Christi. Aber mit der Himmelfahrt ist Christus nicht weggegangen, sondern er ist allgegenwärtig geworden. Um diese Allgegenwärtigkeit Christi richtig einzuordnen, kann es hilfreich sein, einen hebräischen Begriff zu kennen: Schechinah ( = Niederlassung). Denn der Himmel ist nicht nur oben, der Himmel ist da, wo Gott sich niederlässt.
Pfingsten
Pfingsten: Tag der Ausgießung des heiligen Geistes
Pfingsten ist neben Weihnachten und Ostern das dritte hohe Fest im Kirchenjahr. Wie Weihnachten und Ostern ist Pfingsten ein 8-tägiges Fest. Das Datum von Pfingstsonntag und Pfingstmontag richtet sich nach dem Datum von Ostern. Pfingsten kann zwischen dem 10. Mai und dem 13. Juni stattfinden.
Das Pfingstwunder: Apostelgeschichte 2, 1 - 4
"Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen."
Trinitatis
Der Sonntag Trinitatis feiert die Offenbarung Gottes als Dreieinigkeit:
Vater, Sohn und heiliger Geist.
Unnötig kompliziert?
Juden und Muslime können diese Formulierung nicht nachvollziehen; es wird uns Christen unterstellt, dass wir an drei Götter glauben. Auch unter Christen gibt es die Vorstellung, dass das Bekenntnis zur Dreifaltigkeit eine unnötige Komplikation ist. Warum können wir nicht einfach von dem einen Gott sprechen - ohne ihn aufzuteilen?
Die Sonntage der Trinitatiszeit
In der dem Trinitatisfest folgenden Zeit denken wir darüber nach, wie die christliche Gemeinde den Glauben an den dreieinigen Gott in ihrem Leben umsetzt.
Die liturgische Farbe des Dreieinigkeitsfestes ist Weiß als Fest der Herrlichkeit Gottes. Alle nachfolgenden Sonntage haben die Farbe Grün. Sie ist die Farbe des Lebens, der aufgehenden Saat.
(Martin Senftleben "Das Kirchenjahr")
Tag des Erzengels Michael am 29. September
"Die Christenheit hat seit Anfang ihres Bestehens an die Ehrung der Engel den strengen Maßstab der Schrift angelegt und nichts zugelassen, was drüber hinausgegangen wäre. Eine Anbetung der Engel war nicht denkbar (Offenbarung 19,10). Der Tag des Erzengels Michael entstand aufgrund von Visionen im südlichen Italien etwa im 7. Jahrhundert."
Erntedankfest
Ist die Christenheit genussfeindlich?
Lesen Sie dazu eine Predigt.
"Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet." (1.Tim. 4, 4. 5)
Reformation: 31. Oktober
Am 31. Oktober 1517 verkündete Martin Luther 95 Thesen zum Thema Ablass, die ein Gespräch innerhalb der Kirche anregen sollten. Gegen seinen Willen wurden diese Thesen veröffentlicht und lösten Bewegungen aus, die nicht mehr aufzuhalten waren: diese Erneuerungsströmungen werden heute "Reformation" genannt und führten zu der Entstehung von protestantischen Kirchen.
Gerechtigkeit
Aber das eigentliche Thema für Luther war nicht Ablasshandel, sondern Gerechtigkeit.
Martinstag: 11. November
Martin von Tours, geboren 316 in Ungarn als Sohn eines römischen Militärbeamten, quittierte im Jahr 356 aus christlicher Überzeugung seinen Kriegsdienst als römischer Offizier.
Gegenüber dem Kaiser Julian soll er die Worte geäußert haben: "Bis heute habe ich dir gedient; gestatte nun, dass ich jetzt Gott diene. ... Ich bin ein Soldat Christi; es ist mir nicht erlaubt zu kämpfen."
Der Heiligenkalender räumt ihm den Tag seiner Beisetzung, den 11. November, ein.
Martin war der erste Nichtmärtyrer (Märtyrer = ein Glaubenszeuge, der wegen seines Zeugnisses misshandelt oder getötet wird), der als Heiliger verehrt wurde.
Buß- und Bettag
Seit Beginn der Kirche gibt es Buß- und Bettage, die mit Fasten und Gebet begangen wurden. In der römischen Kirche hat sich mancherorts der Mittwoch und Freitag (wenigstens in den Bußzeiten) als Fastentag erhalten (der Mittwoch gilt als Tag des Verrats, der Freitag als Tag der Kreuzigung Jesu). Aus diesen Tagen entstanden Fastenzeiten vor den großen Festen, von denen uns die Adventszeit und die Fastenzeit vor Ostern erhalten sind.
Die protestantische Kirche hat die Praxis der Bußtage übernommen, indem sie wöchentliche Buß- und Bettage am Dienstag einführte. Beliebt waren solche Tage (mit ganztägigem Gottesdienst) nicht, so dass die Aufklärung im 18. Jahrhundert leichtes Spiel hatte, die Praxis unter den Protestanten drastisch einzuschränken. Heute ist uns nur der Tag in der Mitte der vorletzten Woche des Kirchenjahres als kirchlicher Buß- und Bettag erhalten.
Am Buß- und Bettag werden wir zur Umkehr aufgerufen. Dabei geht es nicht nur um innere Umkehr, auch unser Tun soll sich zum Guten hinwenden. So hören wir immer wieder neu das Wort Gottes, um zu erkennen, wo wir ihm untreu geworden sind, damit wir lernen, Gutes zu tun. Denn das ist das rechte Opfer, das wir unserem Gott schuldig sind. Aber den rechten Weg dazu kann uns nur Gott selbst weisen, und so ist das Gebet wesentlicher Bestandteil unseres alltäglichen Lebens.
(aus "Mit dem Kirchenjahr leben" von Martin Senftleben)
Ewigkeitssonntag
"Ich bin überzeugt, dass zuletzt am Ende der Welt in dem Moment der ewigen Harmonie etwas unermesslich Kostbares erscheinen wird, das für alle Herzen genügen wird, um allen Streit zu versöhnen, um alles vergossenes Blut zu sühnen; es wird ausreichen, um alles zu vergeben und alles zu rechtfertigen, was mit den Menschen geschehen ist."
Fjodor Dostojewskij (1821-1881)
Glaubt die Christenheit an Seelenbefreiung?
An diesem Sonntag denken wir an das, was nach dem Tode eintreten wird. Viele Christen haben die Vorstellung, dass der Tod eine Befreiung der Seele ist, dass die biblischen Verheißungen auf die Seele bezogen sind.