Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Kirchenjahr - Ewigkeitssonntag

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Verklärung Jesu, Ikonen-Museum Recklinghausen

Ikonen-Museum Recklinghausen: Verklärung Jesu (Ausschnitt)

"Ich bin überzeugt, dass zuletzt am Ende der Welt in dem Moment der ewigen Harmonie etwas unermesslich Kostbares erscheinen wird, das für alle Herzen genügen wird, um allen Streit zu versöhnen, um alles vergossenes Blut zu sühnen; es wird ausreichen, um alles zu vergeben und alles zu rechtfertigen, was mit den Menschen geschehen ist."

Fjodor Dostojewskij (1821-1881)

Glaubt die Christenheit an Seelenbefreiung?

An diesem Sonntag denken wir an das, was nach dem Tode eintreten wird. Viele Christen haben die Vorstellung, dass der Tod eine Befreiung der Seele ist, dass die biblischen Verheißungen auf die Seele bezogen sind.

IHS = IES(US) in Griechisch = Jesus

Identität ist leibhaftig

Aber biblische Verheißung ist inhaltsreicher. In der biblischen Vorstellungswelt hängen Körper, Geist und Seele untrennbar zusammen. Die ganze Identität eines Menschen steckt in seiner Leiblichkeit. Das wird in dem Abendmahl veranschaulicht. In Brot und Wein schenkt sich Christus an die Gemeinde. Die entscheidenden Worte dabei sind auf den Leib bezogen; wir empfangen nicht die "Seele Christi", sondern den "Leib Christi". Der Leib vermittelt die ganze Identität.

Denn es ist empirisch festgestellt worden, dass jeder Mensch über eine Million Signale der Körpersprache verfügt: es ist ausgerechnet worden, dass 93% aller Kommunikation aus Körpersprache besteht. Wie ein Forscher der Körpersprache feststellte: "Der Mensch hat nicht einen Leib; der Mensch ist sein Leib." Die Identität eines Menschen – das, was ihn unverwechselbar und einmalig macht – ist etwas Leibhaftiges.

Es gibt kein Menschsein ohne Leiblichkeit. Aber natürlich sind Fleisch und Blut vergänglich; sie werden zu "Staub und Asche". In der Bibel wird die jetzige Leiblichkeit mit einem Weizenkorn verglichen, das begraben wird und sich äußerlich auflöst, aber im Verborgenen verwandelt und vollendet wird. Das, was begraben wird, ist das, was vollendet wird. Die Identität geht nicht verloren, sie wird nicht durch das Sterben ausgelöscht. Denn wir Menschen sind für Verwandlung bestimmt: Vergänglichkeit wird in Unvergänglichkeit verwandelt; Gebrechlichkeit wird in Stärke verwandelt, der natürliche Leib wird in eine neue Form der Leiblichkeit verwandelt.

So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib. (1. Kor. 15, 42 – 44)

Krankheit und Vergänglichkeit greifen uns leibhaftig an

Krankheit und Vergänglichkeit greifen einen Menschen leibhaftig an. Die Würde eines Menschen wird durch zunehmende Gebrechlichkeit in Frage gestellt. In der letzten Lebensphase geht die Identität scheinbar verloren, wenn der Körper nicht mehr funktioniert, wie er sollte. Die scheinbare Entwürdigung, die beim Sterben eintreten kann, ist etwas Leibhaftiges. Deswegen ist die Antwort Gottes auf den Tod auch etwas Leibhaftiges; sie heißt "Auferstehung". Auferstehung soll einen Menschen in seiner Ganzheit erfassen, nicht nur einen Teil von ihm. Eine bloße Seelenbefreiung wäre keine richtige Antwort auf das, was Sterbende durchmachen.

Gott heiligte unsere Leibhaftigkeit durch seine Menschwerdung in Jesus

Wie wesentlich die Leiblichkeit ist, hat Gott bezeugt, indem er Mensch wurde. Gott ist in Jesus Mensch geworden, nahm unsere Leiblichkeit an, er hatte unser Fleisch und Blut. Er hat damit unsere Körperlichkeit und den dazu gehörigen Erlebnishunger als etwas Gutes bestätigt. Er kannte die sinnlichen Freuden des Lebens: er nahm teil an Festen, wo es reichhaltiges Essen und Wein gab. Die Gegner Jesu bezeichneten ihn – wie das Matthäusevangelium berichtet – als "Fresser und Weinsäufer". Dass Jesus so bezeichnet werden konnte, bedeutet, dass er kein Asket war, sondern essen und trinken genossen hat. Er hatte auch ein Auge für die Schönheit der Natur, bezeugt durch seine Bemerkung von den Lilien auf den Feldern.

Erlösung ist leibhaftig

Er hat aber auch die körperlichen Entwürdigungen erlitten, die am Ende eines Lebens eintreten können. Er hat den Tod leibhaftig erlitten, ist begraben worden und ist mit Leibhaftigkeit auferstanden. Und er kommt zu uns heute leibhaftig in Brot und Wein, damit wir sehen und schmecken können, dass Gott voll und ganz für uns da ist.
Mit anderen Worten: das Leben ist leibhaftig; Krankheit, Tod und Trauer greifen uns leibhaftig an. Dementsprechend brauchen wir eine Erlösung, die uns leibhaftig erfasst. Und die große Verheißung der Bibel lautet: Gott bietet uns diese leibhaftige Erlösung an, und sie heißt Auferstehung.

Erlösung ist leibhaftig

Ein Theologe, Klaus Berger, hat dementsprechend folgendes geschrieben:
"In der Ebene der Leiblichkeit will Jesus heilen, will er wahrgenommen und anerkannt werden, dem Leib gibt er seine Verheißung. Und so bricht sich in jeder Sekunde Gottes Herrschaft und Verheißung mit dem Leben und Tun unseres Leibes. Die Wirklichkeit Gottes ist keine ferne Realität hinter den Wolken, sondern sie ist uns in Jesus so auf den Leib gerückt, dass sich seine Wirklichkeit ständig kreuzt mit unserem konkretesten Leben, mit unseren Vitalinstinkten. Jede Sekunde wird so zum Ort der Verheißung der Auferstehung."

Wo wirst du die Ewigkeit verbringen?

Gibt es ewig Verdammte?

Es gibt in der Bibel einen scheinbaren Widerspruch. Auf der einen Seite gibt es Texte, welche die Möglichkeit einer ewigen Verdammnis verkündigen, z.B.:

"Wer glaubt und getauft wird, der wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden" (Markus 16, 16)

Auf der anderen Seite gibt es Texte, die verkünden, dass Gott alle Menschen gnädig aufnehmen wird.

"Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden." (1. Kor. 15, 22)
"Denn es hat Gott gefallen, mit seiner ganzen Fülle in ihm (Jesus) zu wohnen und durch ihn alles zu versöhnen mit Gott." (Kol. 1, 19)

Hölle ist eine Realität

Es gibt tatsächlich in menschlichen Herzen die Angst vor einer ewigen Verdammnis ( = endgültig von Gott getrennt sein, in aller Ewigkeit qualvolle Reue erleiden). Die "Hölle" ist eine Realität, die Menschen tatsächlich jetzt schon erleiden. Es ist notwendig, diese Angst zu benennen und als Wirklichkeit anzuerkennen, denn sonst ist die Gnade Gottes banal. Wenn es vorkommen sollte, dass Menschen zuletzt in einen "Himmel" kommen ( = in unvergänglicher Gemeinschaft mit Gott), dann ist dieses Leben in ewiger Herrlichkeit ein Wunder und ein Geschenk. Ewiges Leben darf nicht trivialisiert werden, indem man etwas Automatisches /Selbstverständliches daraus macht. Und die größte Überheblichkeit besteht in der Vorstellung, dass ein Mensch einen Platz im Himmel verdienen könnte oder dass alle Menschen einen automatischen Anspruch auf den Himmel hätten.

Perverse Gottesvorstellung

Aber auf der anderen Seite grenzt es an Gotteslästerung, wenn man glaubt, dass Gott ein Bedürfnis hat, Menschen in alle Ewigkeit zu bestrafen. Nur der Hass will ein nichtendendes Leiden sehen. Nur ein Tyrann will Anbetung durch Drohung erpressen. Liebe dagegen will unbedingt alle Entfremdung überwinden. Denn Liebe erträgt es nicht, von einer geliebten Person getrennt zu sein, besonders wenn diese Person sich in einer "Hölle" befindet. Und "Gott ist die Liebe" (1. Joh. 4, 16). Da, wo es eine Hölle gibt, da wird auch Gott sein.

Die Vorstellung, dass die Gerechtigkeit Gottes eine ewige Bestrafung verlangt, die er widerwillig durchführt, ist auch unbiblisch. Die Gerechtigkeit Gottes besteht nicht aus Vergeltung. Vergeltung ist, biblisch gesehen, nur eine vorläufige Form der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit besteht zuletzt aus Gnade. Und eine Gnade, die nur für sogenannte "orthodox-gläubige" oder für "fromme" Menschen gilt, wäre nicht Gnade. Gnade ist vorbedingungslos und Gnade ist für alle, sonst ist sie nicht Gnade.

Gerechtigkeit lässt sich nur durch Gnade und Vergebung verwirklichen

Außerdem wurde in Jesus offenbart, dass Gott die Augen der Menschen auftun will. Es ist zu erwarten, dass ein Mensch, wenn er zuletzt jenseits des Todes vor Gott steht, erleben wird, was Zachäus in der Begegnung mit Jesus erlebte (Lukas 19, 1 - 10): auf der einen Seite liebevolle, vorbehaltlose Annahme, auf der anderen Seite wird er gerade durch diese Gnade einsehen, was er angerichtet hat. Er wird mit stechender Klarheit sehen, was er anderen Menschen angetan hat – Gutes und Böses. Denn wir sind dazu bestimmt, Gott zu "sehen, wie er ist" und in dieser Begegnung mit ihm verwandelt zu werden. (1. Joh. 3, 2). Wenn ein Mensch Gott sehen darf, wie er wirklich ist - von "Angesicht zu Angesicht" (wie die Bibel in Aussicht stellt) – wie könnte er in diesem Moment der Liebe Gottes widerstehen?

Die Würde der Entscheidungsfreiheit

Wenn irgendjemand zuletzt doch in einer "Hölle" landet, dann nur deswegen, weil er sich dafür entschieden hat, weil er lieber in der Abwesenheit Gottes bleiben will. Diese Würde, sich für oder gegen Gott entscheiden zu dürfen, ist etwas, was Gott offenbar nicht aufhebt, denn es ist diese Entscheidungsfreiheit, die ein Mensch von einem Tier oder einem Roboter unterscheidet. "Die Hölle" ist zuletzt also ein Symbol für die Würde des Menschen, sich frei zu entscheiden, wem er gehören und wen er anbeten will – in Ewigkeit.

Dante Alighieri, der im 13. Jahrhundert eine Vision des Jenseits veröffentlichte, fasste das Wesen der Hölle folgendermaßen zusammen: "Wenn du auf der Verwirklichung deines eigenen Willens bestehst, wirst du sie auch bekommen. Die Hölle besteht darin, den eigenen Willen für immer zu 'genießen'." Aber wer will zuletzt in einer solchen "Hölle" dauerhaft leben? Und wer weiß wirklich, was zuletzt eintreten wird, wenn wir vor Gott stehen? Alle menschlichen Vorstellungen von "Himmel" und "Hölle" sind zuletzt bruchstückhaft.

Wer in der Hölle ist, will dort sein

Der Hirte gibt nicht auf, bis er den Verlorenen gefunden hat

Zusammenfassend: Niemand ist im Himmel, der es verdient hat, dort zu sein. Niemand ist in der Hölle, der nicht dort sein will. Und die Liebe Gottes kann niemanden endgültig preisgeben. Solange ein einziger Mensch sich in einer Hölle befindet, wird sich Gott auch in dieser Hölle befinden. Aber solange ein Mensch zur Liebe fähig ist, kann er von Gott nicht ganz entfremdet sein, denn eine totale Liebesunfähigkeit ist der Inbegriff der Hölle. Der Inbegriff des Himmels ist innige, dauerhafte Gemeinschaft mit Gott. Der Himmel ist ein Sinnbild für das, wozu jeder Mensch bestimmt ist: Gott zu genießen und zu verherrlichen in Ewigkeit.

Der letzte Satz der Bibel fasst alles zusammen

Und Himmel wird nicht ganz Himmel sein, solange nicht alle dabei sind. Dementsprechend lautet der letzte Satz der Bibel: "Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!" Das ist das Ziel, das Gott verwirklichen will, dass seine Gnade mit jedem einzelnen Menschen ist. Und Gott wird nicht ruhen, bis dieses Ziel erreicht ist. (Siehe Lukas 15, 1- 7)

Wir danken dem Ikonenmuseum Recklinghausen (www.kunst-in-recklinghausen.de/6im.html) für die Genehmigung, Ikonen aus diesem Museum kostenlos zeigen zu dürfen.

PSch

Predigt zum Ewigkeitssonntag

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