Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Kirchenjahr - Erntedankfest

« Kirchenjahr Home   weiter: Reformation: 31. Oktober »

Erntedankfest

'Impressionen vom Mainzer Markt', PSch, 2009

"Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet." (1.Tim. 4, 4. 5)

Ist die Christenheit Genussfeindlich?

Lesen Sie dazu eine Predigt:

Bier und Christsein unvereinbar?

Vor etwa 30 Jahren gab es einen Moment in einer Gaststätte, der mir unvergesslich in Erinnerung geblieben ist. Ich war mit zwei Baptisten zusammen und wir waren dabei, die Speisekarte anzuschauen. Ich dachte, ich würde ein Bier bestellen, und in diesem Moment sagte einer der Baptisten – so als ob er meine Gedanken lesen konnte: "Ich verstehe nicht, dass Menschen, die sich Christen nennen, Bier trinken." Ich weiß nicht mehr, was ich damals bestellt habe, aber auf jeden Fall war kein Bier dabei.

'Weinreben in Tiefenthal', 2010, PSch

Genuss verboten

Die strengeren Baptisten und Methodisten sind dafür bekannt, dass sie nicht nur Alkohol als etwas Unchristliches ablehnen, sondern außerdem Tanzen und Kino. Sogar in meiner lutherischen Gemeinde wurde Tanzen nicht erlaubt (was mir durchaus recht war, weil ich in dieser Hinsicht völlig unbeholfen war). Auch Musikgenuss kann in manchen Glaubensgemeinschaften suspekt sein. Die strengsten Kalvinisten z.B. lehnen Orgelmusik und neuere Kirchenlieder in ihren Gottesdiensten ab, d.h. sie verwenden keine Lieder, die seit der Entstehung der Bibel entstanden sind.

Worauf Menschen verzichten wegen der Religion

Unsere evangelisch-lutherische Kirche – im Gegensatz zu diesen strengen Glaubensgemeinschaften – kennt keine Einschränkungen, wenn es um Lebensgenuss geht. Bei uns ist es möglich, das Leben unbefangen zu genießen. Diese Perspektive wird noch deutlicher, wenn man Vergleiche mit anderen Religionen macht. Z.B. Muslime dürfen keinen Alkohol trinken. Mormonen verzichten nicht nur auf Alkohol, sondern auch auf Kaffee und Tee. Hinduisten sind weitgehend Vegetarier. Juden dürfen keinen Schinken und kein Schnitzel essen. Und ein orthodoxer Jude würde vermutlich Übelkeit bekommen, wenn er sehen würde, wie jemand einen Hamburger mit überbackenem Käse isst und dann hinterher ein Eis kauft, denn Fleisch- und Milch-Gerichte dürfen für ihn nicht in derselben Mahlzeit vorkommen.

'Weinreben in Tiefenthal', 2010, PSch

Buddhismus: Lebensgier muss ausgelöscht werden

Aber der größte Gegensatz zum christlichen Glauben – wenn es um Lebensgenuss geht – ist vielleicht im Buddhismus zu finden. Buddhismus geht davon aus, dass jeder Mensch eine Lebensgier hat , d.h. einen unersättlichen Lebensdurst, und dass es keine Antwort auf diesen Lebensdurst gibt. Siddharta Gautama, der Gründer des Buddhismus, stellte fest, dass Wohlstand, Konsum und Genuss den Lebensdurst nicht sättigen können. In dieser Hinsicht gibt es eine Gemeinsamkeit mit der Bibel, denn wie es in dem Prediger Salomo heißt: "Das Auge sieht sich niemals satt, und das Ohr hört sich niemals satt".

Das Endziel eines Buddhisten heißt Nirvana, und Nirvana tritt ein, wenn der Lebensdurst ausgelöscht worden ist – durch Meditation und durch Erkenntnis. Auch die eigene Identität soll ausgelöscht werden, denn das eigene Ich hat – nach dieser Religion - keine Zukunft. Alles, was sichtbar ist, ist nichtig. Als Buddhist darf man das Leben und die Freuden des Lebens nicht unbefangen genießen, denn dadurch wird der Lebensdurst am Leben erhalten. Man muss die Nichtigkeit aller Dinge durchschauen, man muss die Güter dieser Erde völlig loslassen.

Gibt es einen Schöpfer?

Für einen Buddhisten existiert das Wort Schöpfung nicht, denn es gibt keinen Schöpfer. Es gibt für ihn keinen Gott, der die Antwort auf seinen unersättlichen Lebenshunger ist, sondern die Erlösung muss aus sich selbst kommen. Es gibt für ihn keinen Gott, der will, dass er am Leben bleibt und der will, dass seine Identität in Ewigkeit bestehen bleibt. Dankbarkeit einem Schöpfer gegenüber ist in diesem Rahmen nicht vorgesehen.

'Weinreben in Tiefenthal', 2010, PSch

Für Christen ist Lebensdurst erlaubt und sogar geboten

Durch diesen Gegensatz wird um so deutlicher, was wir Christen glauben. Wir glauben nämlich an einen Gott, der unseren tiefsten Lebenshunger zuletzt sättigen will; und wir dürfen deshalb den Lebensdurst behalten. Buddhismus und Christentum sind sich zwar in einem Punkt einig: nämlich, es gibt nichts auf dieser Erde, das die tiefsten Sehnsüchte der Menschen erfüllen kann. Alles, was der Mensch auf dieser Erde findet, was seinen Lebenshunger scheinbar erfüllt, entlarvt sich zuletzt als einen Götzen oder als etwas Vergängliches, was er zuletzt loslassen muss. Aber der Unterschied kommt zum Vorschein, wenn es um die Frage geht: darf der Mensch sein Leben unbefangen genießen? Buddhismus beantwortet diese Frage offenbar mit einem Nein. Die Bibel verkündet dagegen: Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut und darf deshalb in Dankbarkeit genossen werden. Wie es in dem Text heißt, der für heute vorgesehen ist:

Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.

Schöpfung ist ein Vorgeschmack der Ewigkeit

Gott hat z.B. den Wein erschaffen, um "des Menschen Herz zu erfreuen", wie es in Psalm 104 heißt. Im Gegensatz zu Muslimen und Mormonen dürfen wir Weintrinken genießen. Und außerdem ist die Freude des Weintrinkens für die Bibel wie ein Vorgeschmack der ewigen Freude. Oder jedes Stück Brot, das wir essen und genießen, ist ein Hinweis auf Christus, das Brot des Lebens, der den tiefsten Hunger des Menschen zuletzt endgültig sättigen wird. Und jedes Glas Wasser, das wir trinken, ist ein Hinweis auf Christus, der sagte: (Joh 4,14) "Wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten."

Fast die ganze Schöpfung ist auf irgendeine Weise ein Vorgeschmack der Ewigkeit. Ein Weizenkorn z.B. ist in der Bibel ein Gleichnis für die Auferstehung der Toten. Eine Weizenernte ist nach biblischer Symbolik ein Gleichnis für die Vollendung, die Gott mit seiner Schöpfung vorhat. Deswegen dürfen wir die sichtbare Welt mit Dankbarkeit anschauen und genießen. Ein Vergleich mit anderen Religionen zeigt, dass unsere Dankbarkeit für die Schöpfung, die wir am Erntedankfest feiern, alles andere als selbstverständlich ist.

Dankbarkeit: ein Ausdruck menschlicher Würde

Unsere Dankbarkeit dem Schöpfer gegenüber ist nicht nur etwas, was uns von anderen Religionen unterscheidet, sondern auch etwas, was uns menschlich macht. Es wird von einer Bäuerin berichtet, die jeden Tag die Mahlzeiten für die Arbeiter kochte, die in den Feldern ihre Mannes arbeiteten. Jeden Tag kamen diese Männer in das Esszimmer, setzten sich hin und fingen sofort an, das Essen zu verschlingen – ohne sich zu bedanken – weder bei der Frau noch bei Gott. Als die Bäuerin täglich dieses Tischverhalten mit ansehen musste, dachte sie: „Ich werde diesen undankbaren Männern eine Lehre erteilen.“ Eines Tages kamen die Männer in das Esszimmer und auf dem Tisch lagen Heu und Hafer. Die Arbeiter waren verärgert und fragten: „Was soll das? Soll das ein Witz sein?“ Die Frau erwiderte: „Das ist kein Witz! Ihr habt es nicht anders verdient. Jeden Tag kommt ihr hier herein und fresst die Mahlzeiten wie Tiere, ohne mir oder Gott zu danken.“ Diese Frau hat erkannt, was wir am Erntedankfest feiern: nämlich, dass unsere menschliche Würde davon abhängt, ob wir Gott Dank sagen oder nicht.

'Weinberge in Tiefenthal', 2010, PSch

Danksagen ist gesund

Manchmal kann sogar die eigene Gesundheit vom Danksagen abhängen. Während des ersten Weltkrieges gab es einen Soldaten, der so erschüttert war von dem, was er erlebt hatte, dass er eine Sprachlähmung bekam. Er kam nach Hause und konnte nicht sprechen. Eines Sonntagabends besuchte er einen Gottesdienst, und in diesem Gottesdienst wurde Psalm 100 gebetet - ein Psalm, in dem Gott als freundlich gelobt und für seine Gnade gedankt wird.
Es gibt Leute, die sich in dieser Situation sagen würden: Warum soll ich Gott loben und danken? Was hat er für mich getan? Hat er mich nicht im Stich gelassen? Aber dieser Mann erkannte, dass der Mensch nicht in der Lage ist, Gott zu beurteilen oder Gott zu begreifen, sondern die einzige Alternative, die es gibt, lautet: will ich Gott loben und danken, weil er Gott ist, und weil ich mich ihm anvertrauen will, oder will ich mich von Gott abwenden und ohne ihn leben? Dieser Mann betete Psalm 100 mit und seine inneren Verkrampfungen lösten sich und er bekam dadurch seine Sprache zurück.

Bedingungsloser Dank

Am Erntedankfest loben und danken wir Gott - nicht nur, weil wir unser Leben und die Güter dieser Erde unbefangen genießen dürfen, nicht nur, weil wir unsere menschliche Würde durch Danksagen herstellen und von inneren Verkrampfungen befreit werden, sondern wir danken Gott vor allem deswegen, weil er Gott ist und ihm allein aller Dank gebührt.

Predigt: Erntedankfest 2000, 1.Tim 4,4-5 gehalten von Pfarrer Phil Schmidt

PSch

Weitere Predigten zum Erntedankfest

^ Zum Seitenanfang