Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Kirchenjahr - Inkulturation: die Inkarnation geht weiter

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Inkulturation ist eine Fortsetzung der Inkarnation (= "Einfleischung", Fachausdruck für die Menschwerdung Gottes in Jesus)

"Inkulturation ist die Inkarnation des Evangeliums in einheimische Kulturen und gleichzeitig die Einführung dieser Kulturen in das Leben der Kirche."

Papst Johannes Paul II, 1985

Inkulturation geschieht, wenn die christliche Botschaft in eine bestimmte kulturelle Sphäre eindringt – und zwar auf eine solche Weise, dass diese Sphäre verwandelt und neugestaltet und in das kirchliche Leben integriert wird.

'Chinese nativity papercut' - Nanjing Theological Seminary, China (Geburt Jesu als chinesischer Scherenschnitt)

Inkulturation ist etwas eigentümlich Christliches

Es wäre undenkbar, sich Mose, Mohammed oder Buddha als Afrikaner oder als Europäer vorzustellen. Aber in der christlichen Kunst ist Jesus als Europäer, als Afrikaner, als Chinese (siehe Bild von der Geburt Jesu als chinesischer Scherenschnitt), als Inder, als Inuit, als Indonesier, als Mexikaner, als Filippino, als Araber, u.s.w. abgebildet worden. Jesus ist sogar mehrmals als Frau dargestellt worden. Jesus ist nicht nur in Bethlehem als Palästinenser auf die Welt gekommen, sondern jedes Volk, jede Rasse, jeder Kulturkreis sieht in Jesus einen Einheimischen.

Hier sehen Sie, wie Jesus in verschiedenen Ländern dargestellt wird:

Inkulturation fing in der Bibel an

Am Anfang war die Christenheit eine jüdische Sekte. Nur Juden gehörten dazu. Als es darum ging, ob auch Heiden ( = Nicht-Juden) Christen werden könnten, weil der Geist Jesu auch in Heiden eingedrungen war, ergab sich die Frage: Müssen die Heiden zuerst Juden werden, wenn sie zu der Gemeinde Jesu Christi als vollgültige Mitglieder gehören sollen? Die Antwort wurde bei einer Versammlung der Apostel in Jerusalem etwa um das Jahr 48 geklärt. Die Antwort lautete: Judesein ist nicht die Voraussetzung für Christsein. Damit war die Möglichkeit eröffnet, dass die Christenheit sich in alle Richtungen ausbreiten und in alle Länder, Kulturen und Rassen eindringen konnte. Aus einer jüdischen Sekte wurde eine Weltreligion. Es ist deshalb kein Zufall, dass die Christenheit die einzige Religion ist, die in allen 238 Ländern dieser Erde vorkommt.

Der Apostel Paulus: die Verkörperung der Inkulturation

Der Apostel Paulus: die Verkörperung der Inkulturation, Ikonen-Museum Recklinghausen

Ikonen-Museum Recklinghausen:
Der Apostel Paulus: die Verkörperung der Inkulturation

"Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden - obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden - obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben." (1.Kor 9,19 - 23)
Die Haltung, die Paulus hier schildert, klingt wie Opportunismus. Inkulturation hat diese Eigenart, dass sie immer suspekt erscheint. Sie verläuft nicht gradlinig, und wenn sie konkret wird, wird sie nie von allen Christen allgemein anerkannt werden. Aber Inkulturation ist trotzdem eine unverzichtbare Dynamik des Evangeliums. Deswegen schreibt Paulus zum Abschluss dieses Abschnitts:
"Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben."

Die Sünde der Mission: mangelnde Inkulturation

Wenn westliche Missionare das Evangelium mit Idealen ihrer eigenen Kultur nach Afrika, Asien und Südamerika unrelativiert exportieren, dann begehen sie eine Sünde. Das Evangelium (= "gute Nachricht", "frohe Botschaft") ist erst dann Evangelium für einen Einheimischen, wenn es in seine Kultur „eingefleischt“ ( integriert) ist. Wenn jemand erst Europäer werden müsste, um vollgültiger Christ zu sein, dann ist etwas grundsätzlich schief gegangen.

Luther betrieb Inkulturation

Als Luther die Bibel übersetzte, mischte er sich unter das Volk. Wie er schrieb: "befragte er die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt und schaute ihnen auf den Mund, wie sie reden, um danach zu übersetzen." Es ging ihm dabei nicht nur um Sprache, sondern er wollte lernen, wie er das Herz eines Menschen ansprechen konnte. Seine Bibelübersetzung war deshalb mehr als eine sprachliche Leistung, denn er hat kulturell die Bibel in die Welt des Volkes übertragen. Und die Lutherbibel hatte eine solche kreative Ausstrahlung, dass Generationen nachhaltig geprägt wurden. Die Lutherbibel war somit eine Inkulturation der christlichen Botschaft.

Inkulturation wird immer umstritten sein

Chinesischer Begriff für Gott: Schang Di = 'oberster Herrscher'

Inkulturation ist nicht nur eine Frage der Sprache und der sakralen Kunst. Zu einer Kultur gehören auch Weltanschauungen und Wertvorstellungen.
Im 16. Jahrhundert zum Beispiel kamen die Jesuiten nach China. Sie kleideten sich wie Chinesen. Sie haben Konfuzius gelesen und schätzen gelernt; sie bezeugten das Evangelium in der Sprache der Weltanschauung des Konfuzius. Sie fanden bei ihm einen Begriff für Gott (Schang Di = "oberster Herrscher"). Sie führten eine chinesische Liturgie ein, obwohl nur Latein offiziell erlaubt war. Sie akzeptierten Ahnenverehrung, auch wenn abergläubische Vorstellungen dabei waren. Sie erlaubten die Verehrung des Konfuzius, auch wenn diese Verehrung wie Götzendienst aussah. Diese Inkulturationsversuche waren innerhalb der katholischen Kirche umstritten. Aber Inkulturation wird unweigerlich immer umstritten sein.

Andere Fragen der Inkulturation

'Baptism Mural' , Tony Hunt, Kwakwakw'wakw cultural group, Canada - (Die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer, Kanada)
  • Darf es in Afrika nur das Modell der Monogamie geben (Ein Mann hat eine Frau) oder darf ein Mann mehrere Frauen haben, weil diese Form in Afrika kulturell verankert ist – und auch in der Bibel vorkommt?
  • Brot und Wein sind in manchen Ländern teuer und müssen importiert werden. Können andere Elemente bei dem Abendmahl vorkommen, die sich Einheimische eher leisten können?
  • Sind alle einheimischen Religionen kategorisch als Götzendienst und Verblendung abzulehnen? Muss ein Mensch, der zur Christenheit gehören will, zuerst alles ablegen, was er vorher an Kulthandlungen kannte?
  • Keine Kirchenleitung würde Träume und Visionen als richtungsweisend anerkennen. Aber für manche Völker spielen sie eine große Rolle – wie in der Bibel.
  • Es gibt mindestens 10 Millionen Muslime, Buddhisten, Hinduisten, die Jesus Christus als ihren Erlöser und Herrn anerkennen, aber ihre eigene Religion nicht verlassen. Auf diese Weise dringt Christus "leibhaftig" in andere Religionen hinein. Was dabei entsteht, ist zunächst noch nicht definiert, aber es ist auch eine Form der Inkulturation.

Eine Voraussetzung für Inkulturation ist, dass die Bibel nicht nur von Kirchenleitungen und Experten "gültig" ausgelegt und auf einen Kulturkreis "korrekt" übertragen wird, sondern dass einheimische Laien die Bibel in ihre eigenen Kategorien und in ihre eigene Situation übertragen dürfen – ohne Bevormundung durch kirchliche Autoritäten und Professoren - , auch wenn das Ergebnis von anerkannten Glaubensinhalten abweicht.

Wir danken Major Issues & Theology Centre Inc in Australien (http://www.miat.org.au/index.html) für die freundliche Erlaubnis, Bilder von der Ausstellung "Jesus Laughing and Loving" auf unserer Website kostenlos zu zeigen.
Die fast vollständige Ausstellung - mit Erläuterungen der Künstler (in Englisch) - ist auf der folgenden Website zu sehen: http://www.miat.org.au/page/jesus_laughing_exhibition.html.
Wir danken St. Paul's Cathedral in London (www.stpauls.co.uk) für die Erlaubnis, das Bild "The Light of the World" kostenlos zu zeigen.
Wir danken Trinity Stores (www.trinitystores.com) für die Erlaubnis, "Christ of the Desert" kostenlos zu zeigen.
Wir danken dem Ikonenmuseum Recklinghausen (http://www.kunst-in-recklinghausen.de/6im.html) für die Genehmigung, Ikonen aus diesem Museum kostenlos zeigen zu dürfen.
Wir danken Tony Hunt für die Erlaubnis, sein Bild "Baptism Mural" auf unsere Website kostenlos zu zeigen.
Wir danken auch The Path Gallery (www.pathgallery.com).
Wir danken The Medici Society Limited (www.medici.co.uk/shop/categories/reproduction-prints) für die Genehmigung, 'The Lesser Bretheren' von Margaret Winifred Tarrant kostenlos auf unserer Website zu zeigen.

PSch

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