Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Kirchenjahr - Martinstag: 11. November

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Glasfenster 'St. Martin und der Bettler', sailko, 2009

Martinstag

Martin von Tours, geboren 316 in Ungarn als Sohn eines römischen Militärbeamten, quittierte im Jahr 356 aus christlicher Überzeugung seinen Kriegsdienst als römischer Offizier. Gegenüber dem Kaiser Julian soll er die Worte geäußert haben: "Bis heute habe ich dir gedient; gestatte nun, dass ich jetzt Gott diene. ... Ich bin ein Soldat Christi; es ist mir nicht erlaubt zu kämpfen." Der Heiligenkalender räumt ihm den Tag seiner Beisetzung, den 11. November, ein. Martin war der erste Nichtmärtyrer (Märtyrer = ein Glaubenszeuge, der wegen seines Zeugnisses misshandelt oder getötet wird), der als Heiliger verehrt wurde.

Geteilter Mantel

Um das Jahr 334 war Martin als Soldat in Amiens stationiert. An einem Tag im Winter begegnete Martin am Stadttor von Amiens einem armen, unbekleideten Mann. Außer seinen Waffen und seinem Militärmantel - damals kaum mehr als eine rechteckige Decke - trug Martin nichts bei sich. In einer barmherzigen Tat teilte er seinen Mantel mit dem Schwert und gab eine Hälfte dem Armen. Einige der Umstehenden begannen zu lachen, denn Martin sah in dem halben Mantel armselig aus. In der folgenden Nacht, als Martin in tiefem Schlafe lag, sah er Christus mit seinem halben Soldatenmantel bekleidet, den er dem Armen gegeben hatte. Ihm wurde befohlen, er solle sehr aufmerksam den Herrn und das Kleidungsstück, das er verschenkt hatte, ansehen. Dann hörte Martin Jesus mit lauter Stimme zu der umstehenden Engelschar sprechen: "Martin, der noch Katechumene (= Taufbewerber) ist, hat mich mit diesem Mantel bekleidet". Jesus Christus dachte an seine eigenen Worte: "Was immer ihr einem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt 25, 40). So bekannte Jesus Christus, dass er von Martin bekleidet worden ist. Später, als Martin 18 Jahre alt war, ließ er sich taufen.

Lesen Sie eine Meditation zu der Martinsgeschichte

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Martinsabend der Südkita, 2009, PSch

Lichterumzüge

An dem Martinsabend sind Kindergartenkinder mit selbstgebastelten Laternen unterwegs, die meistens mit Teelichtern ausgestattet sind. Diese Lichter – wie alle Kerzenlichter der Christenheit – sind Hinweise auf Christus, das Licht der Welt. In der barmherzigen Tat des Martins wurde dieses Licht Christi sichtbar gemacht.

Wann ist Martinsabend?

Es fällt auf, dass das Martinsfest am Abend des 10. oder am Abend des 11. gefeiert wird. Nach kirchlicher Zeitrechnung beginnt ein Tag mit dem Sonnenuntergang des Vortages, denn in der Bibel beginnt ein Tag am Vorabend. (Deswegen beginnt das Weihnachtsfest mit Heiligabend). Nach Sonnenuntergang am 10.11. beginnt eigentlich der Martinstag. Vor allem achten katholische Gemeinden auf diese liturgische Zeiteinteilung. Deswegen gibt es in katholischen Gebieten den Nikolausabend am 5. Dezember (obwohl am 6. Dezember Nikolaustag ist).

Weckmann

Weckmann

In frühen Zeiten wurde Brot im Gottesdienst gesegnet und hinterher verteilt. Dieses Brot war nicht das Brot der Eucharistie und galt nicht als verwandelter Leib Christi, aber war trotzdem ein Hinweis auf Christus, das Brot des Lebens, und war ein Kommunionersatz für diejenigen, die an der Eucharistie nicht teilnehmen konnten, weil sie krank, oder noch nicht getauft oder wegen einer schweren Verfehlung momentan ausgeschlossen waren.

In der griechisch- und russisch-orthodoxen Liturgie hat sich dieser Brauch erhalten, der auf die urchristliche Agapefeier (Liebesmahl) zurückgeht. Im Laufe der Zeit erhielt das dabei verwandte Gebäck eine auf den Festinhalt bezogene Form. Es wurde „Gebildebrot“ genannt.

Der Weckmann ist ein Gebildebrot für den Martinstag. Dargestellt ist eine Figur - aus Weizenmehlteig geformt - die einen Bischof darstellt. (Martin war ein Bischof). Die lange Tonpfeife, die häufig auf Weckmännern zu sehen ist, ist ein Fehler, der im Laufe der Zeit entstanden ist, als man nicht mehr wusste, was gemeint war. Aber wenn die Tonpfeife mit dem Kopf nach oben gedreht wird, sieht man, was ursprünglich beabsichtigt war: ein Bischofsstab.

Kapelle

Mantel des Martin von Tours
Martinsgans

Für den Mantel des heiligen Martin, den dieser als römischer Offizier getragen hat, hatte sich die Bezeichnung „cappa“ oder „cap(p)ella“ (= Verkleinerungsform) eingebürgert. Der Ort, wo die „cappa“ des heiligen Martin aufbewahrt wurde, die Palastkapelle in Paris, erhielt ihren Namen nach dieser cappa und wurde zur cap(p)ella (= Kapelle), der zuständige Geistliche zum cap(p)ellanus, Kaplan. Heute bedeutet Kapelle eine kleinere Kirche ohne Pfarrrechte und ohne Pfarrer, aber auch die Musiker der Kirche bekamen diese Bezeichnung, die auch auf nichtkirchliche Musikergruppen übertragen wurde.

Martinsgans

Am Martinstag begann in früheren Zeiten das neue Wirtschaftsjahr des Bauern; dem Gesinde wurden die Löhne bezahlt, Pachtverträge wurden geschlossen, Steuern abgeführt, Knechte und Mägde konnten den Dienstherrn wechseln.
Zu Martini wurde das Vieh geschlachtet, das aus Kostengründen nicht den ganzen Winter hindurch gefüttert werden konnte: dazu gehörten die Gänse; so ergab sich der Brauch, am Martinstag, vor dem großen Fasten im Advent, Gänsebraten zu essen. Die Gans war auch eine bevorzugte Zinsbeigabe an den Grundherrn, Tribute waren oft bezahlbar in Form von Gänsen.

Nach der Tradition hat sich Martin in einem Gänsestall versteckt, nachdem er zum Bischof von Tours gewählt wurde (373), weil er sich dieser Ehre nicht würdig fühlte. Aber Gänse verrieten durch ihr Geschnatter sein Versteck.

Martin Luther

Martin Luther, am 10.11.1483 geboren, wurde am 11.11.1483 getauft. Er bekam seinen Namen vom Tagesheiligen.

11. 11. 11 Uhr 11

Elf als Zahl der Sünde (Übertretung der 10 Gebote) wurde spätestens seit dem Ausgang des Mittelalters mit dem Narren, und daher auch mit der Fastnacht, in Verbindung gebracht. Der 11. November war (wie Aschermittwoch) der Anfang einer 40-tägigen Fastenzeit vor einem hohen Fest Epiphanias am 6. Januar. Zwischen Martinstag und Epiphanias gab es 56 Tage, aber Samstage und Sonntage wurden von der Fastenzeit ausgeklammert. Außerdem galt der 25. Dezember noch nicht als Festtag.

Eine Meditation zu der Martinsgeschichte

Nächstenliebe ist Gnade

Martin überlegte nicht lange, er zögerte nicht, ob er dem Armen helfen sollte und ob er dann vielleicht für sich selbst zu wenig hätte. Er sah, dass ein Mensch in Not war und handelte sofort danach. Das war eine Liebestat ohne Hintergedanken. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte er damit auch eine Liebestat an Jesus Christus vollzogen, wie er in der darauf folgenden Nacht im Traum erfahren hatte. Er bekam durch seine Handlung eine Verbindung zu dem Ewigen. Und das heißt: es handelt sich hier nicht bloß um eine heldenhafte Leistung, sondern um eine Gnade. Die Fähigkeit, einen Liebesdienst zu tun – ohne Rücksicht darauf, ob es sinnvoll erscheint oder nicht, ob es vergolten wird oder nicht, ist eine Gnade Gottes.

Es gibt Momente, die eine einmalige Chance der Gnade bieten

'Die Berufung der Apostel Petrus und Andreas', 1308-1311, Duccio di Buoninsegna

'Die Berufung der Apostel Petrus und Andreas'

Es gibt in jedem Leben Momente, die bestimmen, wie das weitere Leben aussehen wird. In Martin wurde exemplarisch vorgeführt, dass Christus in dem Leben eines Menschen plötzlich erscheinen kann, z. B. als Bettler. Solche Momente erfordern eine sofortige Entscheidung: für oder gegen Liebe, für oder gegen Gott. Wenn Martin seinen Mantel nicht geteilt hätte, hätte sein weiteres Leben vermutlich ganz anders ausgesehen.

Als Jesus seine auserwählten Jünger dazu aufforderte, ihm sofort nachzufolgen da wusste er, dass die Menschen sich manchmal von ihrem Vorhaben ablenken lassen, wenn sie zu sehr über die Konsequenzen nachdenken. Jesus nachzufolgen kann bedeuten, ohne pragmatische Nützlichkeitserwägungen seine Liebe zu leben und weiterzugeben. Entscheidend ist es, unsere Vorhaben sofort in die Tat umzusetzen. Manche Gelegenheiten im Leben gibt es nur einmal.

Gnade wird durch Handlung und Wandlung vollzogen

Martin hat im Sinne Jesu Christi gehandelt und Jesus offenbarte sich ihm nachts in seinem Traum. Danach änderte er sein Leben komplett. Er quittierte seinen Militärdienst und stellte sich nur noch in den Dienst der Liebe Christi: "Ich bin ein Soldat Christi; es ist mir nicht erlaubt zu kämpfen". Diese Wandlung hätte sich nicht in ihm vollzogen, wenn er nicht gehandelt hätte. Martin hat seinen Mantel mit seinem Schwert geteilt. Er hat es von einer Waffe in ein Instrument der Liebe verwandelt, so wie sein Leben durch seine Liebeshandlung verwandelt wurde.

Eine "Martins"-geschichte aus unserer Zeit

'Dürstenden zu trinken geben', 1991, Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Dürstenden zu trinken geben', 1991, Walter Habdank. © Galerie Habdank

"Ich habe einmal im Krankenhaus meine Oma besucht und sah eine alte Frau im selben Zimmer liegen, die keinen Besuch hatte. Man erzählte, dass sie im Altenheim wohnte. Sie war zu schwach, um zu sprechen und lag hilflos auf dem Rücken. Ich schaute zu ihr, weil es ihr nicht gut ging und ich spürte, dass sie mich braucht. Ich wartete auf eine Geste von ihr, aber sie bewegte nur voller Unruhe ihre Beine. Ich hatte das Gefühl, ich müsste etwas tun. Ich ging an ihr Bett und versuchte, ihren Kopf etwas anzuheben. Sofort merkte ich, dass sie Durst hatte und trinken wollte. Ich nahm den Schnabelbecher von ihrem Nachtschränkchen und gab ihr diesen. Ihre Augen leuchteten auf und als sie trank, war es, als ob ein Lämmchen an seiner Mutter trinkt. Ich spürt eine sehr starke Verbindung zu ihr und sie senkte ihren Kopf wieder zufrieden in ihr Kissen. Ich setzte mich wieder zu meiner Oma, die schon ungeduldig war, denn eigentlich hatte ich sie besucht. Nach einer Weile bemerkte ich, dass sich der Kopf der Frau wieder etwas hob und sie in meine Richtung schaute. Sofort ging ich zu ihr und fragte sie, ob sie noch einmal trinken wollte. Sie verneinte und ihr Kopf sank wieder erschöpft in ihr Kissen. Ich empfand so eine starke Liebe zu ihr, dass ich begann, ihr sanft über das Haar und dann über ihren Kopf und ihre Wangen zu streichen. Ihre Gesichtszüge veränderten sich schlagartig. Aus der leidenden alten Frau wurde ein Mensch, der das Glück und die Zufriedenheit der ganzen Welt ausstrahlte. Sie schloss ihre Augen, genoss die Zärtlichkeit und lächelte, als ob sie gerade den Himmel berührte. Dann schlug sie die Augen wieder auf und ich sah ihr zärtlich in die Augen. Ihr Blick war verklärt und ich hatte das Gefühl, dass die Zeit stehen blieb und Jesus mich durch ihre Augen aus der Ewigkeit anschaute. Diese Augen reflektierten die reine Liebe Gottes, voller Glück und Dankbarkeit. Das werde ich nie vergessen. Jesus offenbarte mir unmittelbar, dass das Handeln am Mitmenschen ein Handeln an ihm ist und er mitten unter uns wohnt. Nicht wir nähern uns Gott an, sondern er nähert sich uns an, wenn wir bereit sind zu handeln."

Das Glasfenster 'St. Martin und der Bettler', sailko, 2009, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Das Bild der Gans, Embden Goose in Tasmania, Australien. Photograph: Noodle snacks, sowie das Bild des Weckmann Stutenkerl - Gebildebrot aus Hefeteig mit Pfeife, sind lizenzfrei unter den Bedingungen der GNU Free Documentation License.
Die Abbildung 'Die Berufung der Apostel Petrus und Andreas', 1308-1311, Duccio di Buoninsegna (Maestà, Altarretabel des Sieneser Doms, Rückseite, Predella mit Szenen zur Versuchung Christi und Wundertaten), und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.
Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de.

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