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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 2. Kor. 9, 6 – 15 „Kann ich mehr haben?“

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Erntedankfest: 2. Kor. 9, 6 – 15 „Kann ich mehr haben?“

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2004

'Sara Vivas', 2008, 20minutos

Sara Vivas, Stimme von Bart Simpson

Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; wie geschrieben steht (Psalm 112,9): »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.« Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. Denn der Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwenglich darin, dass viele Gott danken. Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwenglichen Gnade Gottes bei euch. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

2. Kor. 9, 6 – 15

Es gibt einen Pfarrer, der ein älteres Ehepaar besuchte. Die kleine Tochter des Pfarrers war mitgekommen, und sie bekam von dem älteren Herrn einige Süßigkeiten. Als die Tochter wortlos das Geschenk annahm, sagte der Vater: „Nun, was sagt man jetzt?“ Er hat natürlich erwartet, dass seine Tochter „Danke“ sagt. Das Mädchen schaute den älteren Herrn liebevoll an und sagte: „Kann ich mehr haben?“

Diese kleine Begebenheit ist bezeichnend für die Zeit, in der wir leben. Auch wenn es in unserem Land finanziell enger wird, gibt es mehr als genügend Gründe, dankbar zu sein. Aber es gibt eine Erscheinung, die wir alle kennen: je mehr man hat, um so mehr will man haben. Die Reaktion der Tochter ist charakteristisch für die Einstellung mancher Menschen. Anstatt Danksagung gibt es die Frage: Was kann ich noch mehr haben? Und viele fragen sich: warum soll ich dankbar sein?

Es gibt eine Zeichentrickserie, die von Amerika nach Deutschland gekommen ist. Der Hauptdarsteller heißt Bart Simpson. In einer Sendung sitzt eine Familie am Tisch und dieser Bart Simpson wird dazu aufgefordert, ein Tischgebet zu sprechen. Sein Gebet lautet: „Lieber Gott, wir haben für all dieses Zeug bezahlt. Also Danke für nichts.“ Auch hier sehen wir eine Einstellung, die in unserer Bevölkerung vorkommt. Wenn man arbeitet, Geld verdient, einkauft und sein Essen eigenhändig vorbereitet: wozu braucht man Gott zu danken? Was hat Gott damit zu tun, dass ich genug zu essen habe?

Aber diese Frage ist nicht neu. Schon im Alten Testament, im 5. Buch Mose wird diese Frage aufgegriffen. Da heißt es:

Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst und deine Rinder und Schafe und Silber und Gold und alles, was du hast, sich mehrt, dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den HERRN, deinen Gott, vergisst....Du könntest sonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir diesen Reichtum gewonnen. Sondern gedenke an den HERRN, deinen Gott; denn er ist's, der dir Kräfte gibt, Reichtum zu gewinnen.

Die Lebenskraft, die in uns steckt, die es möglich macht, dass wir arbeiten und eine Existenzgrundlage aufbauen können, ist ein Geschenk Gottes.

Aber dies ist natürlich eine Ansicht des Glaubens. Ob unsere Lebenskraft von Gott kommt oder ob sie ein Naturprodukt ist, das allein durch einen unpersönlichen Evolutionsprozess entstanden ist, - ohne eine schöpferische Wirkung Gottes - ist eine Glaubensfrage. Die Christenheit kann nicht beweisen, dass wir Gott für alles danken sollten.

Aber Dankbarkeit für das Leben ist möglicherweise eine instinktive Empfindung, die in jedem Menschen vorkommt. Denn Paulus in seinem Römerbrief schreibt folgendes:

Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen (unter den Menschen) offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit der Schöpfung der Welt ersehen aus seinen Werken, wenn man sie wahrnimmt, so dass sie keine Entschuldigung haben. Denn obwohl sie von Gott wussten, haben sie ihn nicht als Gott gepriesen noch ihm gedankt, sondern sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert.

Hier wird also behauptet, dass jeder Mensch intuitiv weiß – oder wissen könnte, wenn er wollte – dass er Gott in Dankbarkeit anbeten sollte. Und es gibt Menschen, die diese Erkenntnis verdrängen. Aber wenn diese intuitive Dankbarkeit zum Vorschein kommt, entsteht ein Moment, der unvergesslich in Erinnerung bleibt.

'T. Carlyle', Sophus Williams, between 1870 and 1880

Zum Beispiel: der englische Schriftsteller und Historiker Thomas Carlyle hatte ein Erlebnis, das er sein Leben lang nie vergessen hat. In seiner Jugendzeit war er einmal allein zu Hause, als ein Bettler an der Haustür klingelte und um Almosen bat. Carlyle reagierte spontan und impulsiv auf diese Situation. Er ging in sein Zimmer und nahm seine Sparbüchse in die Hand. In dieser Sparbüchse war sein gesamtes Geld: alles, was er seit längerer Zeit mühsam zusammengespart hatte. Er brach seine Sparbüchse auf und gab dem Bettler alles – einfach so, ohne nachzudenken, einfach weil er in diesem Moment intuitiv gehandelt hatte. Viele Jahrzehnte später, als Carlyle ein alter Mann war, schaute er zurück auf diesen Moment und stellte fest, dass er nie zuvor und nie wieder so glücklich gewesen sei wie in diesem Augenblock, als er alles verschenkte. Vielleicht darf man auch sagen, dass er nie zuvor und nie wieder so Gott ähnlich gehandelt hatte.

Denn diese reine Freude, die bei ihm in einem impulsiven Moment eingetreten war, veranschaulicht einen Satz aus unserem Korintherbrieftext, der für heute vorgesehen ist: „Ein jeder (soll geben), wie er's sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ Ein fröhlicher Geber ist jemand, der ohne Berechnung schenkt, der spontan schenkt, einfach weil er schenken will. Denn so schenkt Gott. Und wenn wir die Gaben Gottes so weiter geben wie wir sie bekommen haben, d. h. ohne Berechnung – denn entsteht eine innige Beziehung zwischen uns und Gott.

Und in diesem Zusammenhang verkündet Paulus eine Verheißung, die vielleicht die größte Verheißung der Bibel ist. Er schreibt: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Mit anderen Worte: Die Worte und Taten der selbstlosen Liebe sind vergleichbar mit Samenkörnern, die zu der großen Vollendungsernte beitragen werden, die Gott für diese Welt vorgesehen hat. Unsere kleinen Handlungen – besonders wenn sie Handlungen eines fröhlichen Gebers sind – gehen nicht verloren, sondern haben eine unvergängliche Wirkung. Sie dienen als Rohstoff für die neue Schöpfung, die Gott für diese Welt vorgesehen hat. Und auch unsere Dankbarkeit ist ein Geschenk.

'Mutter Teresa', 1986, Túrelio

In diesem Zusammenhang hatte Mutter Theresa eine Erfahrung gemacht. Im Jahre 1994 erzählte sie folgende Begebenheit, die in Indien stattfand: „Eines Abends sind wir hinausgegangen und sammelten vier Personen von der Straße. Eine von ihnen war in einem äußerst schrecklichen Zustand. Ich sagte den Schwestern: „Sie können sich um die anderen drei kümmern, ich werde diese annehmen, die am Schlimmsten dran ist. Ich tat alles für diese Frau, was ich in Liebe tun konnte. Ich legte sie in ein Bett, und es gab ein schönes Lächeln in ihrem Gesicht. Sie nahm meine Hand und sagte nur zwei Worte: „Danke dir“. Und dann starb sie. Ich musste daraufhin mein Gewissen prüfen. Ich fragte mich: „Was hätte ich gesagt, wenn ich in ihrer Lage gewesen wäre. Und meine Antwort war eindeutig: ich hätte Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Ich hätte gesagt: „Ich bin hungrig, ich bin am Sterben, ich habe Schmerzen“ oder etwas Ähnliches. Aber diese Frau schenkte mir etwas; sie schenkte mir ihre dankbare Liebe.“

Dieses Beispiel zeigt, das auch der allerärmste Mensch etwas geben kann, was unsere Welt prägt und weiterhin prägen wird. Die kleinste Geste der selbstlosen Liebe – auch wenn sie nur aus zwei Worten und einem Lächeln besteht – ist wie ein Samenkorn, das nicht verloren gehen wird, sondern zu der Vollendungsernte Gottes beitragen wird. Wie Paulus in dem Galaterbrief schireb: „Was der Mensch sät, das wird er ernten.“

In dem heutigen Text ermutigt Paulus die Gemeinde in Korinth, die armen Christen in Jerusalem großzügig mit einer Geldsammlung zu unterstützen. Und er sagt zum Abschluss:

Denn der Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwenglich darin, dass viele Gott danken. Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Einfalt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwenglichen Gnade Gottes bei euch. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

Mit anderen Worten: wenn wir Geld sammeln – wie heute für Brot für die Welt – geht es nicht nur darum, die Not der leidenden Menschen zu lindern, sondern das eigentliche Ziel ist, dass Gott gedankt und gelobt wird für seine überschwängliche Gnade. Die Herrlichkeit Gottes ist das Ziel. Und diesem Ziel kann man sogar mit Geld und sogar mit kleinen Gesten der Liebe dienen. Möge Gott uns dazu helfen.

Die Photographie 'Sara Vivas', 2008, 20minutos, ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 2.1 Spanien-Lizenz.
Die Abbildung 'T. Carlyle', Sophus Williams, between 1870 and 1880, ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten. Dies gilt für US-amerikanische Werke, deren Urheberrecht erloschen ist, üblicherweise, weil ihre Erstveröffentlichung vor dem 1. Januar 1923 liegt.
Die Photographie 'Mutter Teresa', 1986, Túrelio, ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Deutschland.

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