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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Ewigkeitssonntag: Matt. 22, 23 – 33 Dem „gesunden Menschenverstand“ ist nicht zu trauen

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'Kitty Hawk / Wright-Flugzeug', 1903, Wright Brothers Negatives, Library of Congress

Ewigkeitssonntag

Dem „gesunden Menschenverstand“ ist nicht zu trauen Matt. 22, 23 – 33

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2002

An demselben Tage traten die Sadduzäer zu ihm, die lehren, es gebe keine Auferstehung, und fragten ihn und sprachen: Meister, Mose hat gesagt (5. Mose 25,5-6): »Wenn einer stirbt und hat keine Kinder, so soll sein Bruder die Frau heiraten und seinem Bruder Nachkommen erwecken.« Nun waren bei uns sieben Brüder. Der erste heiratete und starb; und weil er keine Nachkommen hatte, hinterließ er seine Frau seinem Bruder; desgleichen der zweite und der dritte bis zum siebenten. Zuletzt nach allen starb die Frau. Nun in der Auferstehung: wessen Frau wird sie sein von diesen sieben? Sie haben sie ja alle gehabt.
Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes. Denn in der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel. Habt ihr denn nicht gelesen von der Auferstehung der Toten, was euch gesagt ist von Gott, der da spricht (2. Mose 3,6): »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Und als das Volk das hörte, entsetzten sie sich über seine Lehre. Matt. 22, 23 – 33

Etwas, was man von der Geschichte lernen kann, ist, wie beschränkt der menschliche Geist ist, wenn es darum geht, etwas grundsätzlich Neues zu akzeptieren. Der sogenannte gesunde Menschenverstand tut sich schwer mit neuen, unerwarteten Entwicklungen.

Es gab zum Beispiel Zeiten, als der sogenannte gesunde Menschenverstand ganz genau wusste, dass die Erde eine flache Scheibe ist, dass die Sonne um die Erde kreist, dass es völlig in Ordnung ist, Afrikaner zu versklaven, weil sie keine richtigen Menschen sind, und dass die Verbrennung von Hexen notwendig ist. Der gesunde Menschenverstand ist besonders dann unzuverlässig, wenn sogenannte Experten mit neuen Erfindungen konfrontiert werden. Zum Beispiel: als die Eisenbahn erfunden wurde, gab es Experten, die nachgewiesen hatten, dass der Mensch eine Geschwindigkeit von 24 KM/Stunde nicht verkraftet: sie haben vorausgesagt, dass Mitreisende bei diesem rasanten Tempo tödlich ersticken würden. Oder 18 Monate vor dem ersten Flug hat ein Experte vorausgesagt, dass es niemals vorkommen würde, dass Maschinen durch die Luft fliegen. Und um 1900 wurde ein Mann verhaftet, weil er Aktien für eine Telefongesellschaft verkaufte. Er galt als krimineller Betrüger, denn wie es damals hieß: „Alle gutinformierten Menschen wissen, dass es unmöglich ist, eine menschliche Stimme über einen Draht zu senden.“

Wenn es darum geht, etwas grundsätzlich Neues einzuschätzen, ist der menschliche Geist beschränkt. Und diese Beschränktheit kommt besonders zum Vorschein, wenn es um Gott geht. Nach Auffassung der Bibel ist es eine Eigenart von Gott, dass er aus dem Nichts etwas Neues schaffen kann. Wie wir in der Epistellesung hörten: Gott kann das Sterbliche in Unsterblichkeit verwandeln, er kann aus dem Vergänglichen etwas Unvergängliches schaffen. Der menschliche Geist hat Schwierigkeit genug, neue menschliche Entwicklungen zu begreifen, aber er tut sich besonders schwer, wenn es um Gott geht, für den nichts unmöglich ist.

Diese menschliche Beschränktheit wird besonders deutlich, wenn es um Auferstehung geht. Als die Jünger Jesu von einigen Frauen hörten, dass Jesus von den Toten auferstanden war, haben diese Experten des Glaubens, die von Jesus persönlich unterwiesen wurden, sofort gewusst, dass es sich nur um Frauengeschwätz handeln konnte. Der menschliche Verstand lehnte die erste Auferstehung ab.

Der Matthäustext, der für heute vorgesehen ist, berichtet von einer Auseinandersetzung zwischen Sadduzäern und Jesus. Und die Sadduzäer verkörperten den sogenannten gesunden Menschenverstand, der sich weigerte, an eine Auferstehung der Toten zu glauben. Und sie versuchten, die Vorstellung von einer Auferstehung lächerlich zu machen, indem sie einen theoretischen Fall schilderten: es ging um eine Frau, die siebenmal verheiratet war und siebenmal Witwe wurde. Wie ist es nach der Auferstehung der Toten: wer wird mit wem verheiratet sein? - fragten sie Jesus. Diese Frage ist natürlich spöttisch gemeint und sollte Jesus in Verlegenheit bringen.

Isaak, Abraham, Jakob - 'Kievan Psalter', 1397, photocopy of reproduction, created by user:Butko

Isaak, Abraham, Jakob

Jesus erwiderte den Sadduzäern, indem er auf zwei Fehler hinwies. Der erste Fehler bestand darin, die Auferstehung auf das zu reduzieren, was der menschliche Geist erfassen kann, d. h. auf eine Wiederherstellung des Körpers zu reduzieren. Auferstehung ist keine Rückkehr zu diesem Leben, das wir jetzt kennen, sondern Auferstehung bedeutet Verwandlung, Verklärung und Übergang in eine neue Lebensweise hinein: ein ewiges Leben, das unsere Vorstellungskraft übersteigt. Auferstehung bedeutet, wie die Engel im Himmel zu sein, sagte Jesus.

Der zweite Fehler der Sadduzäer war, dass sie Gott unterschätzten und deswegen die Bibel falsch auslegten. Um die Sadduzäer zu verstehen, muss man wissen, dass sie nur die ersten 5 Bücher der Bibel als Wort Gottes akzeptierten, und sie behaupteten, dass es in diesen ersten fünf Büchern keine Stelle gibt, die auf eine Auferstehung hinweist. Deshalb zitierte Jesus eine Stelle aus dem 2. Buch Mose. Diese Stelle lautet: »Ich bin (nicht ich war, sondern ich bin) der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs« Und dann sagte Jesus als Kommentar dazu: Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Und damit meinte er folgendes: Wenn Abraham, Isaak und Jakob bloß verwesende Leichname sind, dann sind sie von dem lebendigen Gott total abgeschnitten. Deswegen verkündete Jesus: „Gott ist nicht ein Gott der Toten“, d. h. es kann keine Gemeinschaft zwischen Lebenden und Toten geben. Wenn Gott lebt, müssen auch die leben, die zu ihm gehören. Wenn Abraham, Isaak und Jakob endgültig dem Grab preisgegeben wären, dann wären sie endgültig von Gott abgeschnitten. Aber wenn das so wäre, dann würde das bedeuten, dass Gott nicht Gott ist, sondern dass der Tod der eigentliche Herrscher dieser Welt wäre.

Denn es geht hier um die Frage, wer ist Gott? Und die Antwort lautet: Gott ist derjenige, der die Auferstehung der Toten vollzieht. Deswegen sagten die Pharisäer damals: wer die Auferstehung der Toten leugnet, der leugnet Gott. Dieser Grundsatz gilt auch für uns Christen. Für uns Christen wird Gott durch die Auferstehung definiert. Wer die Auferstehung leugnet, leugnet Gott.

Viele von Ihnen haben in diesem Jahr eine geliebte Person verloren. Wenn eine geliebte Person stirbt, dann gibt es ein Bedürfnis, sich vorzustellen, dass die verstorbene Person eine endgültige Ruhe gefunden hat und sich jenseits aller Unruhe dieser Welt befindet. Die häufigste Formulierung, die an Grabsteinen zu sehen ist, lautet entweder: „Hier ruht in Gott...“ oder „Hier ruht in Frieden.“ An diesen Grabinschriften ist eine Sehnsucht nach ewiger Ruhe zu erkennen.

'Resurrection Dead', 2009, sailko

Aber eine Auferstehung stellt die ewige Grabesruhe in Frage. Auferstehung kann deshalb eine aufwühlende Vorstellung sein, denn wir können sie mit unserem Verstand nicht einordnen. Auferstehung ist nicht unbedingt das, was wir uns wünschen, weil sie etwas Unberechenbares ist. Was wir uns wünschen, ist, dass unsere sogenannten Seelen automatisch unvergänglich wären. Aber Auferstehung setzt voraus, dass der ganze Mensch stirbt – Leib und Seele zusammen, und dass der ganze Mensch auf die Gnade Gottes total angewiesen ist. Auferstehung ist sogar eine Beleidigung des Auffassungsvermögens. Und deshalb gibt es Menschen, die eine Auferstehung nicht nur kategorisch ablehnen, sondern sogar mit einem Unterton der Empörung ablehnen; als ob sie beleidigt sind, dass ein solch lächerliches Thema überhaupt erwähnt wird. Aber mit Auferstehung müssen wir rechnen, denn unser Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.

Möge Gott uns helfen, dass wir uns auf das einlassen, was er mit uns in Ewigkeit vorhat. Denn Gott hat vor, das Vergängliche in Unvergänglichkeit auferstehen zu lassen; Gott hat vor, unsere Armseligkeit in Kraft zu verwandeln, und Gott hat vor, das Sterbliche in die ewige Herrlichkeit zu überführen. Möge Gott uns helfen, zu akzeptieren, dass Gott größer ist als alles, was unser Verstand begreifen kann.

Die Photographie 'Kitty Hawk / Wright-Flugzeug', 1903, Wright Brothers Negatives, Library of Congress, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Kunstwerk 'Kievan Psalter', 1397, photocopy of reproduction, created by user: Butko, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Glasfenster 'Resurrection Dead', 2009, sailko, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

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