Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Geistliches Wort - Gedanken zur Jahreslosung 2013

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'Himmlisches Jerusalem', PSch

„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“

Hebräerbrief 13, 14

Die Suche nach der zukünftigen Stadt hat die Christenheit durch die Jahrhunderte hin bewegt. Der Traum von der heiligen Stadt Gottes ist zum Traum einer besseren und gerechteren Welt geworden. Aus dem Himmel wird sich das neue Jerusalem auf die Erde hinabsenken. So hat es der Seher Johannes am Ende der Bibel geschildert.

Die Stadt Gottes unter den Menschen - das ist die Stadt, in der es kein Leid und keine Schmerzen mehr geben wird. Und auch der Tod wird nicht mehr sein. Es ist die Stadt des Friedens, der Ort der Freude, das Zentrum des Lebens. Die Erneuerung, die von dieser Stadt ausgeht, umgreift Himmel und Erde. In der neuen Wirklichkeit, die Johannes sieht, wird sich Gottes Gegenwart von dieser Stadt aus über die ganze Welt ausbreiten. Ein Bild der Hoffnung. Ein Bild auch für die Adventszeit, die zur Ausrichtung auf das erwartete Kommen Gottes auffordert. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Der Theologe Augustinus hat diese Verheißung in seinem Buch über den Gottesstaat aufgegriffen. Er veränderte damit im westlichen Europa die Vorstellung vom Lauf der Welt. Alle heidnischen Völker der Antike hatten bis dahin die Geschichte als Kreislauf begriffen. Alles, was war, kommt einmal wieder - wie die Jahreszeiten in der Natur. Es gibt nichts wirklich Neues. Was immer wir tun, die Welt bleibt grundsätzlich gleich.

Diese Sicht vom Lauf der Welt hat sich durch die jüdisch-christliche Geschichtsauffassung geändert. Wie Israel weiter auf das Erscheinen des Messias hofft, so geht das christliche Europa der zukünftigen Stadt Gottes und der Wiederkunft Jesu Christi entgegen in einer zielgerichteten Heilsgeschichte, die zu einem guten Ende führt. Wir denken heute, dass es immer aufwärts geht. Oder umgekehrt: dass es mit der Welt bergab geht, und wir auf eine letzte Katastrophe zusteuern. Doch so oder so glauben wir an den Sinn ständiger Umwälzungen und an die Zielgerichtetheit der Geschichte. Die ungeduldige Dynamik der westlichen Welt, ihre revolutionäre Kraft, ihre rätselhafte Unruhe - hier haben sie ihre Wurzel.

Für die ersten Leser des Hebräerbriefs war die diesseitige Welt noch die feindliche Fremde, in der sie Anfeindung und Verfolgung ertragen mussten. Ihre Heimat war im Himmel. Dieses Lebensgefühl ist uns fremd geworden. Wir bejahen diese Welt und richten uns gerne in ihr ein. Wir wünschen uns auch als Christen ein langes Leben, Gesundheit, viel Glück und viel Segen. Der Akzent unserer Frömmigkeit hat sich vom Jenseits auf das Diesseits verschoben. Das ändert freilich nichts an der Erfahrung, die auch wir machen müssen: Wir haben hier keine bleibende Stadt. Ob man nun gern in dieser Welt lebt oder nicht, die Zeit hier ist begrenzt. Man kann hier nicht auf Dauer bleiben, wie immer man das nun findet. Irgendwann ist das Leben hier für jeden von uns zu Ende. Doch am Ende öffnet sich das Tor in ein neues Leben. Wer die christliche Hoffnung auf ein gesegnetes Leben in dieser Welt beschränkt, erwartet von Gott zu wenig. Die Stadt Gottes ist und bleibt das Ziel unserer menschlichen Wege, wie immer sie im Einzelnen verlaufen mögen.

Mit Weltflucht oder Jenseitsvertröstung hat das nichts zu tun. Wer im Glauben die zukünftige Stadt Gottes sucht, der sieht auch die von uns gebauten Städte im Licht der Verheißung. Auf der Suche nach der zukünftigen Stadt werden wir als Christen auch für die Städte, in denen wir hier und jetzt leben, das Beste suchen. Noch sind wir hier. Daher werden wir mit allen anderen Menschen guten Willens in Frankfurt Strukturen und Verhaltensweisen fördern, die möglichst vielen Menschen ein möglichst gutes Leben erlauben. Gewiss: Die neue Welt wird Gottes eigenes Werk sein. Doch das schließt unsere guten Werke hier und jetzt nicht aus, sondern ein. Die neue Welt Gottes zieht uns an. Daraus wächst unser Mut zur Zukunft. Daraus entsteht die Kraft, am Beginn eines neuen Jahres miteinander neu anzufangen.

Pfarrer Jürgen Seidl

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