Gespräch mit Frau Byhahn
Gespräch mit Frau Byhahn
Gespräch mit Frau Byhahn
Im letzten Augenblick, bevor ich zu einem Gespräch mit Frau Byhahn in die
Löherstraße aufbrechen wollte, fiel mir ein, dass sie ins Deutschherrnviertel
gezogen war. Dort lebt sie nun schon seit 10 Jahren mit ihrem Mann in einer
Wohnung im 2. Stock. Der Blick aus ihrem Wohnzimmer geht auf einen
hügelig angelegten Innenbereich, der mit Büschen und Bäumen begrünt
ist. Es ist völlig ruhig, der Straßenlärm dringt hier kaum herein.
„Hier“, auf ihre Reiselektüre und Erinnerungsstücke verweisend, sagt sie:
„in unseren 4 Wänden fühlen wir uns wohl. Wir sind viel gereist: unter anderem
nach Lybien, Syrien, Jordanien, Ägypten, Jemen. Eine Nacht am Zelt
in der Wüste, das bleibt ein unvergessliches Erlebnis für mich.
Ich bin 1936 in Chemnitz geboren und habe dort 1954 Abitur gemacht.
Mit 18 Jahren habe ich meine Eltern und meinen 3 Jahre jüngeren Bruder
zurückgelassen und ging nach West-Berlin, wo ich einige Semester studierte,
dann aber abbrach und als Sekretärin arbeitete. Meine Wanderjahre
führten mich über Göttingen, Mühlheim a.d. Ruhr bis nach Frankfurt. Hier
lernte ich meinen Mann kennen. Im September 69 wurden wir in der Alten
Nikolai-Kirche von Pfarrer North getraut, da die Dreikönigskirche eine
neue Heizung bekam und eine Baustelle war.
30 Jahre lang wohnten wir dann in der Löherstraße neben der Dreikönigskirche.
Bald kam unser Sohn Christian zur Welt, so dass ich mit leichtem
Herzen meinen Beruf aufgab. Meine Schwiegermutter war in der Gemeinde
tätig und arbeitete vor allem für den Basar. So ergab es sich, dass ich beim
sonntäglichen Kirchen-Café mitmachte. Wir wohnten ja direkt neben der
Kirche. Mein Mann war 12 Jahre im Kirchenvorstand und mein Sohn, wie
sollte es anders sein, ging in den Dreikönigskindergarten.
Seit 10 Jahren machen drei Frauen: Frau Werb, Frau Schleiffer und ich
Dienst im Bezirksbüro in der Oppenheimer Str. 5, jeden Freitag von 09.00
bis 12.00 Uhr. Unsere Hauptaufgabe sehen wir in der Ausgabe von Essensgutscheinen
im Wert von monatlich 5 Euro an Inhaber eines Frankfurt-
Passes. Wir müssen viele abweisen, die nicht in der Gemeinde oder in den
umliegenden Gemeinden wohnen. Jeden Monat geben wir an cirka 270–280
bedürftige Menschen einen Gutschein aus, der bei Rewe am Lokalbahnhof
eingelöst werden kann. Eine zusätzliche Gabe, die dankbar angenommen
wird, sind abgelaufene Lebensmittel, die ich bei Rewe abhole. Viele unsrer
„Kunden“ kennen wir seit Jahren. Wenn wir ihre Hilfe benötigen, sind sie
gerne bereit, unsere Wäscheballen zu tragen. Denn jeden Freitag können
uns Kleider und Schuhe für die Nieder-Ramstädter Heime gebracht werden,
oder Bettwäsche und Handtücher für die Drogenhilfe in der Schielestraße.
Wir müssen die abgegebenen Stücke niemals sortieren, sie sind immer sauber
und ordentlich verpackt.
Alle 14 Tage trifft sich unser Bastelkreis unter Leitung von Frau Werb. Wir
bauen mehrmals im Jahr unsere Tische auf, um unsere Produkte anzubieten:
beim Museumsuferfest, beim Benefizkonzert in der Maria-Magdalena-
Gemeinde, im Marthahaus an Weihnachten und Ostern. Es ist uns überlassen,
wohin wir die Erlöse geben; in letzter Zeit setzen wir das Geld für die
Essensgutscheine ein, da die Bedürftigkeit weiter zunimmt und uns dieses
Hilfsangebot sehr am Herzen liegt.
Die Predigt zum Sommerfest 2008 stand unter dem Wort: „Brich mit dem
Hungrigen dein Brot“. Wir meinen, dass Wort und Tat zusammengehören.“
Inge Geldner