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Geistliches Wort zum Monatsspruch - Juni 2015

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'Jakob ringt mit dem Engel', etwa 1659, Rembrandt, GNU Free Documentation License.

'Jakob ringt mit dem Engel', etwa 1659, Rembrandt, GNU Free Documentation License.

Geistliches Wort zum Monat Juni 2015

ICH LASSE DICH NICHT, DU SEGNEST MICH DENN 1. MOSE 32, 27

Segen – gesegnet sein – wer wünscht sich das nicht? Segen erbitten Eltern für ihr Kind, wenn sie sich für die Taufe entscheiden. Segen wird bei der Konfirmation zugesprochen und bei der kirchlichen Trauung. Segenswünsche schicken wir uns zum Geburtstag und zum Jahreswechsel. Dabei ist immer deutlich: Segen können wir uns nicht selbst zusprechen. Beim Segen handelt es sich um etwas, über das wir nicht eigenmächtig verfügen können, das wir nicht selbst in der Hand haben, sondern nur empfangen können.

Der Monatsspruch für den Monat Juni klingt aber so, als wolle sich da einer den Segen erzwingen. Und in der Tat:

„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“

ist ein Wort des Jakob, der sich nicht einfach mit dem zufrieden gibt, was ihm gegeben ist. Sicher kennen sie die Geschichte, wie Jakob seinem zuerst geborenen Zwillingsbruder Esau für eine Linsensuppe das Erstgeburtsrecht abkauft und sich dann auch noch den Segen des Erstgeborenen erschleicht, indem er mit viel List seinem Bruder Esau den Segen des schon Erblindeten Vaters wegschnappt.

Aus Furcht vor der Rache seines Bruders flüchtet Jakob ins Ausland und kehrt erst viele Jahre später mit einer großen Familie, mit Lea und Rahel und elf Söhnen, zurück in seine Heimat.

Angesichts des bevorstehenden Wiedersehens mit seinem Bruder ist ihm nicht nur mulmig zumute, nein, alte Schuldgefühle und nackte Angst um seine Familie, gepaart mit einem starken Lebenswillen, sind die Gefühle, die heftig in ihm ringen.

An der Furt des Flusses Jabbok, die er als letzter überqueren muss, geschieht etwas Merkwürdiges: Ein unbekannter Mann überfällt Jakob in der Dunkelheit und ringt mit ihm die ganze Nacht. Weil Jakob mutig und stark kämpft, kann der Fremde ihn nicht überwinden und bittet schließlich:

„Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an“.

Als Jakob den göttlichen Charakter seines geheimnisvollen Gegners erkennt, antwortet er:

„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“

Und tatsächlich kann Jakob – von Gott gesegnet – weiterziehen, seinem Bruder Esau entgegen, der ihm versöhnlich begegnet.

Wenn diese archaische Geschichte auch befremden mag – vielleicht schildert sie ja das nächtliche innere Ringen Jakobs als einen äußerlich-realen Kampf –, so beeindruckt mich doch diese Mischung aus Verzweiflung und Dreistigkeit in Jakobs Ausruf:

„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“

Das passt so gar nicht zu den feierlichen Anlässen, aus denen wir den Zuspruch von Segen kennen. Hier lässt ein Mensch mit schillernder Vergangenheit und panischer Angst vor der Zukunft einfach nicht locker, sondern ertrotzt sich den Segen Gottes. An der Furt, an der Schwelle, die es zu überschreiten gilt, will er partout nur mit Gottes Segen weiterziehen.

Die Jakobsgeschichte ist für mich eine Gegengeschichte gegen alle Gleichgültigkeit in der Beziehung zu Gott. Sie sieht den Segen nicht als angenehme Zugabe zu einem Leben, das auch ohne Gott ganz gut funktioniert, sondern als etwas wirklich Lebensnotwendiges. Sich beim ersten Zweifel von Gott abwenden, das kann jeder. Gott schulterzuckend loslassen, wenn er mir in meiner Lebenswirklichkeit fern geworden ist, ist ein sehr einfacher Weg. Aber so mit Gott ringen, nicht locker lassen und in allem, was das Leben ambivalent macht, trotzig an Gott festhalten, das macht mir großen Eindruck.

Eine bekannte Bachmotette verdeutlicht, dass dies keine altertümliche, überholte Haltung ist, sondern dass dieser alttestamentliche, rebellische Gottesglaube auch unser christliches Gottesverhältnis beleben und vertiefen kann, wenn sie eindringlich wiederholt:

„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn, mein Jesu.“

Pfarrer Jürgen Seidl

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'Jakob ringt mit dem Engel', etwa 1659, Rembrandt, GNU Free Documentation License.