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Geistliches Wort - Monatsspruch für September 2013

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'Weizenbier', 2005, Trexer

Seid nicht bekümmert; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.

Nehemia 8, 10

„Freude ist Torgauer Bier“.

Das hat Martin Luther gesagt. In der Psalmenvorlesung von 1532. Ein ansprechender Vergleich. Jedenfalls für Biertrinker. Natürlich ist es in mehrfacher Hinsicht Geschmacksache, ob man das Phänomen Freude mit einem alkoholhaltigen Getränk in Verbindung bringt oder ob man andere, vermeintlich seriösere Metaphern bevorzugt. Friedrich Schiller etwa hat die Freude einen „schönen Götterfunken“ und „Tochter aus Elysium“ genannt und damit Worte gefunden, die in Beethovens Verto nung um die Welt gingen.

„Seid nicht bekümmert; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“

Die Szene, aus der diese Worte stammen, beginnt mit Tränen. Das Volk Israel weint. Doch es sind keine Freudentränen. Das Volk weint aus Bestürzung. Ihm wird das Gesetz Gottes vorgelesen. Anschließend wird das Gelesene erklärt, so dass jeder versteht, was gemeint ist. Und daraufhin ist das Volk erschüttert, denn der Kontrast zum eigenen Leben ist groß – viel zu groß. Die Menschen spüren, wie fern sie Gott sind. Und so stehen der Priester Esra und der Statthalter Nehemia mit dem Gesetz in der Hand vor einem verzagten und über sich selbst zutiefst erschrockenen Israel.

Traurigkeit ist manchmal heilsam. Durch Trauern nehmen wir wahr, was wir aus Angst, Stolz oder Scham lieber verdrängen: Unsere Schuld und unser Versagen. Durch Traurigkeit erkennen wir die Wahrheit über uns. Im Buch des Prediger Salomo steht:

„Trauern ist besser als Lachen; denn durch Trauern wird das Herz gebessert“ (7, 3).

Doch bei der Traurigkeit sollen wir nicht stehen bleiben.

Nehemia versucht das Volk zu trösten: „Seid nicht bekümmert“, sagt er, und die Begründung ist nur ein kurzer Satz: „Die Freude am Herrn ist eure Stärke“. Nun kann man Freude nicht einfach anordnen. Das wusste auch Nehemia. Man kann traurige und verzagte Menschen jedoch aufmerksam machen auf die guten Gründe, sich an Gott zu freuen.

Nehemia wird das wohl näher ausgeführt haben: Vergrabt euch nicht in euren Kummer. Denkt daran, was Gott euch Gutes getan hat. Vertraut darauf, dass Gott es auch weiter gut machen wird mit euch. Seid gewiss, dass Gott euch verzagte Menschen trotz eurer Unzulänglichkeit liebt. Dankt Gott, dass ihr die Kraft zur Erneuerung gefunden habt. Das sind alles gute Gründe, sich an Gott zu freuen. Und wenn man die Gründe, sich an Gott zu freuen, ebenso gut versteht wie die für das Erschrecken über sich selbst, dann mag es wohl sein, dass sich Erschrecken in Freude verwandelt und aus verzagten Menschen solche werden, die sich ihrer Stärke freuen. Die Liebe Gottes tröstet gerade dann, wenn Menschen an sich selbst zu verzweifeln drohen. Das ist eine gute und frohe Botschaft. Die Freude darüber macht stark. Sie richtet Menschen auf und gibt ihnen neuen Lebensmut.

Das passt ganz gut zu Martin Luthers Freude am Torgauer Bier. Und wohl auch zu dem einen oder anderen Sommerfest, das wir in diesen Tagen feiern.

Doch auch Friedrich Schiller hat recht, wenn er in seiner Ode „An die Freude“ dichtet:

„Seid umschlungen, Millionen! Diesen Kuss der ganzen Welt! Brüder, überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen.“

Ich weiß nicht, wie weit Schiller sich im Buch Nehemia ausgekannt hat, aber es wohnt ein lieber Vater überm Sternenzelt, der es gut mit uns meint. Oder, um es in dichterisch weniger ambitionierten Worten zu sagen: Es mag manches gegen uns sprechen – aber dass Gott uns liebt, das spricht am Ende des Tages immer für uns. Und das ist Grund zur Freude.

Pfarrer Jügen Seidl

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Die Photographie 'Weizenbier', 2005, Trexer, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.