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Geistliches Wort - Monatsspruch für Mai 2013

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'Mutter und Kind', 1965, Theo Balden (2008, Axel Mauruszat)

Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!

Sprüche 31, 8

Aus den Sprüchen Salomos, auch Buch der Sprichwörter genannt, stammt dieser Monatsspruch. Das alttestamentliche Buch der Sprichwörter besteht aus mehreren Spruchsammlungen. Es kann sogar als ein Buch internationaler altorientalischer Weisheit bezeichnet werden, denn an die eigentlichen Sprüche des Königs Salomo, die meist als Ratschläge eines Vaters an seinen Sohn beschrieben werden, schließen sich noch kleinere außerisraelitische Spruchsammlungen an. In der Überschrift zu dem Abschnitt, in dem sich unser Monatsspruch findet, steht etwas Überraschendes, Ungewöhnliches:

Dies sind die Worte Lemuels, des Königs von Massa, die ihn seine Mutter lehrte.

Das ist einmalig in der Bibel, dass Lebensweisheiten aufgeschrieben wurden, die eine Mutter ihren Sohn lehrte; aber es wäre sicher zu begrüßen, wenn viele Mütter es ihr nachmachten. Zu dem, was diese Mutter ihrem Sohn für seinen Lebensweg mitgibt, gehört die Aufforderung:

Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!

Wir lernen in diesem Wort aus den Sprüchen sozusagen die Kinderstube eines Königs kennen. Ja, der erste Adressat dieses Auftrags ist ein Sohn, der einmal König werden soll, der die Verantwortung für sein Volk trägt. Seine Mutter legt ihm ans Herz, für die Stummen und die Schwachen in seinem Volk da zu sein. An sie muss ein König erinnert werden, weil er in seiner Machtfülle in Gefahr steht, gerade sie zu vergessen.

Im Überlegen, wen ich heute zu den Stummen zählen würde, kommen mir als erstes die Menschen in den Sinn, die mir in den Frankfurter U-Bahn- Stationen durch nichts auffallen, sich aber plötzlich verschämt über einen Mülleimer beugen und ihn nach Pfandflaschen durchwühlen. Erst in diesem Moment bemerke ich die große Plastiktüte, in der sie ihren Fund deponieren. Ganz normal, nicht verwahrlost sind diese Männer und Frauen gekleidet. Eine kaum sichtbare, stille, stumme Armut, die aber doch so bedrängend sein muss, dass die 25 Cent pro Flasche nötig sind, um sie ein wenig zu mildern.

Das schmerzt mich sehr, zu sehen, dass die Armutsgrenze sich in den letzten Jahren deutlich verschoben hat. Diese Menschen vor Augen, sind die Querelen der Politiker um den neuen Armuts- und Reichtumsbericht schwer zu ertragen, das Feilschen um Formulierungen, die die stark gestiegene Armut in unserem Land möglichst verschleiern sollen.

Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!

Die Bibel gibt uns mit diesem Satz einen klaren Hinweis, dass es die ureigenste Aufgabe eines Königs, eines Politikers ist, Anwalt der Stummen und der Schwachen, der Witwen und Waisen, der Alleinerziehenden und der im Alter verarmten Menschen zu sein und sich klar und deutlich für die Rechte der Benachteiligten einzusetzen.

Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!

Wenn unser Satz aus dem Buch der Sprüche zur Kinderstube der Menschen gehören würde, die in unserem Land Verantwortung tragen und Macht ausüben, wenn unsere Politiker sich diese biblische Bestimmung für einen Herrscher zu eigen machen würden, wäre das vermutlich auch ein wirksames Mittel gegen die Politikverdrossenheit unserer Zeit.

In der Bibel steht dieser Satz natürlich nicht als Aufforderung an Könige und Politiker allein, sondern er will uns alle ermutigen, den Hauptverantwortlichen mit gutem Beispiel voranzugehen und für die Stummen die Stimme zu erheben und sich für das Recht der Schwachen einzusetzen.

Pfarrerin Silke Alves-Christe

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Die Skulptur 'Mutter und Kind', 1965, Theo Balden (2008, Axel Mauruszat), ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution 2.0 Germany license.