Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Geistliches Wort - Jahreslosung für 2012

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'Christus Consolator', 1888, Ernst Zimmermann

Jesus Christus spricht: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

2. Korinther 12,9

Ich stelle mir vor, dass Menschen, die sich selbst schwach und hilflos fühlen, diesen Satz als sehr tröstlich empfinden, und die Ermutigung, die in ihm liegt, gern für sich annehmen. Etwa kranke Menschen oder Menschen, die sich überfordert fühlen oder die einfach müde sind.

Ich könnte mir aber auch denken, dass es Menschen gibt, die diesen Satz nicht auf sich selbst beziehen wollen, denen es nicht behagt, von vornherein zu den Schwachen gezählt zu werden, die durchaus eigene Kraft in sich fühlen und es nicht mögen, wenn man ihnen diese eigene Stärke ausreden will. Dass Christen schwach sein dürfen, Schwäche zugeben und auch zeigen dürfen, das ist ja ganz schön und gut, aber will diese Jahreslosung sagen, dass Christen schwach sein müssen, damit die Kraft Jesu Christi in ihnen Raum gewinnen kann?

Bevor wir die Schwelle zum neuen Jahr überschreiten werden, feiern wir an Weihnachten das Kommen Gottes in diese Welt in aller nur denkbaren Schwäche. In einem hilflosen Kind wird Gott geboren, in eher ungeklärte Familienverhältnisse hinein; Heu und Stroh in der Futterkrippe der Tiere im Stall waren das erste Ruhekissen des Neugeborenen.

Eine sichere, starke Position hat auch der erwachsene Jesus nie eingenommen: Ein mehr oder weniger heimatloser und mittelloser Wanderprediger, den am Rande stehenden Menschen freundlich zugewandt, aber oft im Konflikt mit den Etablierten. Doch gerade ihm laufen Tausende nach, viele Schwache, auch an Körper und Seele kranke Menschen, dazu manche von der Gesellschaft an den Rand gedrängte. Das ungesicherte Leben, das in der Krippe beginnt, endet am Kreuz, äußerlich gesehen in erbärmlicher Schwäche, im Scheitern.

Ja, das Christentum ist, wenn es sich auf Jesus Christus beruft, ganz offensichtlich nicht eine Religion der Stärke und der Machtentfaltung. Und immer, wenn die Kirche doch machtvoll, reich und stark sein wollte, hat sie sich weit – manches Mal erschreckend weit – von Jesus Christus entfernt.

Vielleicht ist es eine Hilfe, wenn wir durch das Ereignis der Weihnacht hindurch auf die neue Jahreslosung blicken. Gott wird Mensch und begibt sich in Jesus hinein in ein Menschenleben abseits von Macht, Einfluss und Stärke. Damals wie heute gab und gibt es Menschen, die sich das anders gewünscht hätten, eindrucksvoller, eindeutiger, machtvoller, überzeugender. Aber Gott hat gerade diesen Weg gewählt, um sich in Liebe uns Menschen zuzuwenden. Er wird selbst schwach, weil er in Liebe und nicht durch erdrückende Macht Menschen gewinnen will.

Wenn wir uns eine starke, einflussreiche Kirche wünschen, wenn wir dazu neigen, in der Kirche immer wieder auf die Zahlen zu schielen und auf die Rücklagen und Sicherheiten, dann kann uns die Jahreslosung daran erinnern, dass die Kirche erstaunlicherweise gerade in Zeiten der Bedrängnis zu besonderer Stärke findet. Ja, gerade in Zeiten der Not und der Gefährdung haben Christen besonders beeindruckend und überzeugend ihren Glauben gelebt und bewährt.

In Zeiten der Fülle und Sorglosigkeit hingegen schwächelt die Kirche; je besser es ihr geht, um so weniger Eindruck hinterlässt sie.

Die neue Jahreslosung ist kein Loblied auf die Schwäche. Nein, sie verheißt Kraft. Sie verrät uns etwas über die Kraft der Liebe, die so ganz anders wirkt, als unsere Logik es sich ausrechnet. Sie weiht uns ein in das Geheimnis, dass Menschen, die sich auf eigene Stärke verlassen, die vor eigener Kraft strotzen, offenbar weniger empfänglich, weniger durchlässig sind für die Kraft, mit der Jesus Christus in dieser Welt wirken will.

In Menschen, die nicht ihre eigene Kraft demonstrieren, ja gerade in schwachen, kranken, auch in gebrochenen und gescheiterten Menschen kann die Kraft der Liebe, mit der Jesus Christus uns und unsere Welt verändern will, zur Wirkung kommen.

Pfarrerin Silke Alves-Christe

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Das Gemälde 'Christus Consolator', 1888, Ernst Zimmermann, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.