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Geistliches Wort zum Monatsspruch für April 2012

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'Offenes Felsengrab nahe Golgatha'

„Jesus Christus spricht: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“

Markusevangelium 16, 15

Mit Furcht und Sprachlosigkeit hat es begonnen. Einige Frauen, die Jesus bis zuletzt gefolgt waren, kommen zum Grab, um seinen Leichnam zu salben. Doch der Leichnam ist fort. Stattdessen treffen sie auf einen Engel. Sie hören die Osterbotschaft von der Auferstehung Jesu. Aber von Freude ist nichts zu spüren. Kein Jubel wird laut. Die Frauen beginnen zu zittern. Sie verlieren die Fassung. Entsetzen ergreift sie. Auch die beruhigende Aufforderung des Engels „Entsetzt euch nicht!“ hilft da wenig.

Sie fliehen - fort von dem Ort dieser unheimlichen Begegnung. Der Rest ist Schweigen: „sie sagten niemandem etwas“ (Mk 16, 8).

Begonnen hatte es ganz anders. Zu Beginn des Markusevangeliums wird berichtet, wie Jesus einen Aussätzigen heilt (Mk 1, 40 - 45). Jesus schärft dem Geheilten ein, er solle niemandem ein Wort davon sagen. Doch der Geheilte macht die Geschichte überall bekannt. Jesus hat Schweigen geboten, aber das Heilsgeschehen wird verkündigt. Am Ende des Evangeliums dagegen wird die Verkündigung geboten, aber die Frauen sagen niemandem ein Wort. Es hat ihnen die Sprache verschlagen. Unfassbar, was sie da gehört haben.

Die Osterbotschaft trifft auf Unglauben. Als die Frauen schließlich doch etwas sagen, stoßen sie bei den Jüngern auf Skepsis. Nicht erst die modernen Menschen haben ihre Schwierigkeiten mit der Osterbotschaft, schon bei den ersten Jüngern Jesu ist sie auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen. Was an Ostern geschah, hat alle, die es wahrnahmen, überrascht und überwältigt.

Die Osterbotschaft ist zunächst ein Schock. Es fehlen die Worte. Es gibt ja auch keine Entsprechung in der Geschichte der Menschheit zu dem, was hier geschehen ist. Es geht um eine Erfahrung, die eine gedankliche Leere erzeugt. Diese Leere gilt es auszuhalten. Denn nur an dem Punkt, wo uns die Worte fehlen und keine schnellen Erklärungsversuche bei der Hand sind, können wir uns dem Unfassbaren langsam nähern. Das dauert eine Weile. Erst allmählich konnten damals die Betroffenen formulieren, was ihnen widerfahren war.

Der Osterjubel hat sich Zeit gelassen. Die Anhänger Jesu brauchten Zeit. Sie brauchten die neue nachösterliche Begegnung mit dem Auferstandenen. Sie brauchten eine neue Lektüre der Verheißungen des Alten Testaments im Licht von Ostern. Sie brauchten die Gabe des Heiligen Geistes an Pfingsten, um die Botschaft von der Auferstehung weiterzusagen.

Was in den Berichten vom leeren Grab und von den Erscheinungen des Auferstandenen zur Sprache kommt, ist so unwahrscheinlich, dass es erst einmal verarbeitet und mit anderen Erfahrungen kombiniert werden muss.

Auch heute noch sind viele Menschen sprachlos, wenn es darum geht, die Osterbotschaft, die zum Kern des christlichen Glaubens gehört, in geeignete Worte zu fassen. Wir sind darauf angewiesen, dass die Kraft Gottes uns erfasst und Gott selbst uns erschließt, was wir nicht fassen können.

Gott allein verwandelt unsere Sprachlosigkeit in Sprache, unsere Zweifel in Glauben und unsere Furcht in Freude. Gott schenkt uns Glauben und eine Osterfreude, die im Leben trägt.

Und darum ist Ostern trotz aller anfänglichen Sprachlosigkeit der Ursprung der christlichen Verkündigung. Ostern ist die Befreiung zum Wort. Der Tod verdammt die Menschen zum Schweigen. Doch die Auferstehung Jesu bevollmächtigt uns, gegen den Tod vom Leben zu reden. Sie lässt uns an der Macht Gottes gegen den Tod teilhaben. An Ostern darf und soll vom Leben geredet werden. Die Erlaubnis der Rede gegen den Tod ist zugleich ein Gebot. Die Kirche würde aufhören, Kirche zu sein, wenn sie zu Ostern schweigen würde. Darum: „Geht hinaus und verkündet das Evangelium!“

Pfarrer Jürgen Seidl

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Die Abbildunng 'Offenes Felsengrab nahe Golgatha' ist genehmigt.