Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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"ABC" des Glaubens - Geduld

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Geduld

Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen.

(Klagelieder 3,26)

Geduld habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.

(Hebräer 10,36)

'Paradiesfalter', 1987 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Paradiesfalter', 1987 - Walter Habdank
© Galerie Habdank

Es gab einen Mann, der eine längere Zeit krank und bettlägerig war. Von seinem Bett aus konnte er in dem Fensterrahmen seines Schlafzimmers den Kokon eines künftigen Schmetterlings sehen. Weil er nichts anderes zu tun hatte, beobachtete er die Entwicklung des Schmetterlings. Er schaute stundenlang auf den Fensterrahmen und sah, wie der Schmetterling scheinbar vergeblich darum kämpfte, sich aus seinem Gefängnis zu befreien.

Dieser Kampf war mühsam und offensichtlich ohne Fortschritte. Nach einigen Stunden war der Mann überzeugt, dass etwas schief gegangen war. Er nahm deshalb eine Schere und vergrößerte die Öffnung des Kokons, damit der Schmetterling mühelos herauskriechen konnte. Aber ohne es zu wissen, hat er den Schmetterling zu einem Leben der Verkrüppelung verurteilt. Der Schmetterling würde jetzt sein ganzes Leben lang nur kriechen können und würde niemals die Farbenpracht entfalten, für die er vorgesehen war.

Was der Mann nicht wusste, war, dass das Ringen des Insektes etwas Lebensnotwendiges ist. Durch das Kämpfen werden Lebenssaft und Farbe in die Flügel verteilt und erst wenn der Schmetterling vollendet ist, kann er aus eigener Kraft aus seinem Gefängnis herauskommen. Wenn dieser Prozess frühzeitig abgebrochen wird – durch eine sogenannte Befreiung – bleibt das Lebewesen verkrüppelt.

Für uns Menschen gibt es einen ähnlichen Vorgang. Es gibt Zeiten, in denen das Leben scheinbar nur noch aus Leerlauf besteht. Es ist, als ob das Leben zu einem Stillstand gekommen wäre, als ob der Alltag nur noch eine sinnlose Mühe ist, als ob man sich in einem Gefängnis befindet.

Menschen, die unter Depressionen leiden oder Liebeskummer haben, kennen dieses Gefühl von Eingeschlossensein und vergeblicher Mühe. Auch für Altersheimbewohner, Pflegebedürftige, Arbeitslose, Einsame, Trauernde oder ganz normale Jugendliche kann der Alltag unerbittlich mühselig sein. Solche Menschen sehnen sich nach einem schnellen Ausweg, nach einer sofortigen Befreiung.


God's way

I asked the Lord
for a bunch of fresh flowers
but instead he gave me an ugly cactus
with many thorns.
I asked the Lord
For some beautiful butterflies
But instead he gave me
Many ugly and dreadful worms.
I was threatened.
I was disappointed.
I mourned.
But after many days,
Suddenly,
I saw the cactus bloom
With many beautiful flowers
And those worms became
Beautiful butterflies
Flying in the wind.
God’s way is the best way.

Prayer of Reverend Dr. Chun-Ming Kao, written in prison as political prisoner (Ursprüngliche Fassung in Englisch)


Gottes Vorgehensweise

Ich bat den Herrn
um frische Blumen
aber stattdessen gab er mir einen hässlichen Kaktus
mit vielen Dornen.
Ich bat den Herrn
um schöne Schmetterlinge
aber stattdessen gab er mir
viele hässliche und widerliche Würmer.
Ich fühlte mich bedroht.
Ich war enttäuscht.
Ich trauerte.
Aber nach vielen Tagen
plötzlich
sah ich den Kaktus blühen
mit vielen wunderschönen Blumen
Und aus jenen Würmern
entstanden wunderschöne Schmetterlinge,
die in der Luft fliegen.
Gottes Weise ist die beste Weise.

Gebet von Pfarrer Dr. Chun-Ming Kao, geschrieben im Gefängnis als er politischer Gefangener war (Deutsche Übersetzung)

Wer eine schnelle Erlösung sucht, wird von Gott enttäuscht sein. Wir haben es eilig, aber Gott hat es nicht eilig. Denn die biblische Geschichte offenbart einen Gott, der langsam arbeitet. Gott will uns Menschen zuletzt von allem Leiden befreien, aber er tut es nicht mit Kurzschlusshandlungen. Wir Menschen sind so geschaffen, dass wir viel Zeit brauchen, ehe wir zu einer Reifung kommen. Und deshalb nimmt sich Gott viel Zeit.

Zum Beispiel: das Volk Israel war 430 Jahre lang in Ägypten versklavt. Warum hat Gott so lange gewartet, ehe er sein Volk befreite? Die Antwort lautet: Gott wartete auf ein Zeichen, dass das Volk reif für Befreiung war. Und es dauerte offenbar 400 Jahre bis das Zeichen eintraf: „Und die Israeliten seufzten über ihre Knechtschaft und schrien, und ihr Schreien über ihre Knechtschaft kam vor Gott.“ Das Schreien des Volkes zu Gott war die Vollendung eines Reifungsprozesses, denn Gott reagierte sofort auf dieses Schreien und leitete die Befreiung ein, indem er Moses als sein Instrument der Erlösung einsetzte.

Danach musste Israel 40 Jahre lang in der Wüste wandern, ehe es in das „gelobte Land“ einziehen durfte. 40 Jahre lang gab es einen scheinbar sinnlosen Leerlauf, denn das Leben in der Wüste war ein mühevolles Kämpfen um das nackte Überleben. Eine ganze Generation ist in der Wüste gestorben. Warum hat Gott so lange gewartet? Das 5. Buch Mose offenbart die Antwort:
die Israeliten mussten einen Lernprozess abschließen, denn sie mussten lernen, dass „der Mensch nicht von Brot allein lebt, sondern von allem, was aus dem Munde Gottes geht...So erkennst du ja in deinem Herzen, dass der HERR, dein Gott, dich erzogen hat, wie ein Mann seinen Sohn erzieht.“ Die Sklaven-Mentalität, die die Israeliten aus Ägypten in ihren Herzen trugen, musste in der Wüste ausgerottet werden, denn Gott will keine Sklaven halten, sondern er will unsere Mündigkeit, damit wir uns bewusst und freiwillig dafür entscheiden können, zu wem wir zuletzt gehören wollen.

Und so geht es durch die ganze Bibel hindurch. Es gab am Anfang der biblischen Heilsgeschichte keine Auferstehungshoffnung. Das Volk Israel musste jahrhundertlang in dem Bewusstsein leben, dass der Tod das endgültige Ende ist.
Auferstehungsglaube ist nicht leichtfertig entstanden, denn die Menschen aus biblischen Zeiten hatten sich lange geweigert, an ein Leben nach dem Tod zu glauben. Sie kamen jahrhundertelang ohne Jenseitshoffnung aus. Etwa tausend Jahre lang glaubte Israel nicht an ein Leben nach dem Tod. Es gab für Israel keine unsterbliche Seele, es gab keine Auferstehung des Körpers, es gab keine nachträgliche Gerechtigkeit im Totenreich. Die Vorstellung, dass Gott die Toten erwecken wird, hatte eine tausendjährige Entstehungszeit.

Nach kirchlicher Tradition gab es eine 4000-jährige Wartezeit auf den Messias. Jesus kam auf die Welt „als die Zeit erfüllt war“ (Gal. 4, 4) Gott wartete Jahrtausende, ehe die Zeit reif war für das Wunder seiner Menschwerdung.
Und das Geheimnis der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth löste einen weiteren Reifungsprozess aus. Denn die Christenheit wurde dazu herausgefordert, die Person Jesu zu definieren. Sie musste die Frage klären: War Jesus nur Mensch oder war er göttlich? 420 Jahre lang gab es Irrwege und Verfälschungen, Unerbittlichkeit und Feindseligkeit, Machtkämpfe und Verfolgung, bis es einen verbindlichen Konsens gab.

Die Geschichte Israels und der Christenheit zeigt, dass es bei Gott keine Abkürzungen gibt. Gott schaltet den menschlichen Verstand nicht aus, auch wenn der „gesunde Menschenverstand“ beschränkt und barbarisch ist, denn er will uns dort abholen und begleiten, wo wir uns befinden. Es gibt keine Wahrheiten, die einfach vom Himmel herabfallen. Es gibt keine voreiligen, billigen Befreiungen bei Gott. Denn Gott wartet ab, bis Reifungsprozesse abgeschlossen sind. Und zu diesen Reifungsprozessen gehören Irrwege, Dummheiten und Leerlauf. Wir Menschen brauchen viel Zeit und Gott gönnt uns die Zeit, die wir brauchen. Denn zuletzt sind wir für Verwandlung vorgesehen.

Die menschliche Bestimmung zeigt sich in dem Schmetterling: ein Sinnbild für Geduld und Verwandlung, ein Symbol der Auferstehung. Er fängt als Raupe an, die nur langsam auf dem Boden kriechen kann. Wenn ihre Zeit vollendet ist, wickelt sie sich in einen Kokon; sie ist wie in einem Leichentuch eingehüllt. Nach viel Kampf und Mühe kommt sie völlig verwandelt heraus. Sie kommt aus dem Todesgefängnis heraus mit herrlicher Farbenpracht. Für diese Art Verwandlung sind wir Menschen vorgesehen.

Denn wir sind für Vollendung in ewiger Herrlichkeit bestimmt. Und alles, was im Laufe eines Lebens erlebt und erlitten wird, wird zuletzt zu dieser Vollendung beitragen. Auch Sorgen, Krankheit, Verlust, Rückschläge, Sinnlosigkeit und Leerlauf sind nicht umsonst, denn Reifungsprozesse verlaufen nicht gradlinig: zuletzt soll alles dazu beitragen, dass wir in Gott vollendet werden.

Wie Paulus in dem 1. Korintherbrief schreibt:
„Wir werden verwandelt werden. Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. Dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht (Jesaja 25,8; Hosea 13,14): »Der Tod ist verschlungen vom Sieg.“

Und die Schlussfolgerung lautet:
„Darum, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.“

Lesen Sie hier, welche erstaunliche Leistungen ein Schmetterling vollbringen kann:

Predigt zum 15. Sonntag nach Trinitatis 2005

Schmettering

Im Jahre 1977 machte ein Mann mit dem Namen David Kuzminski einen Waldspaziergang. Mitten auf dem Waldweg war eine Wasserpfütze und er wollte an einer Seite vorbeigehen. Plötzlich wurde er angegriffen, aber er konnte nicht identifizieren, wer der Angreifer war. Aber fünf Mal flog ihm etwas auf eine aufdringliche, aggressive Weise ins Gesicht. Er wich zurück und der Angriff hörte auf. Da konnte er zum ersten Mal sehen, was ihn attackiert hatte: es war ein Schmetterling. Er musste laut lachen. Dann machte er wieder einen Schritt nach vorne und er wurde wieder von dem Schmetterling angegriffen. Der Schmetterling stieß gegen seine Brust immer wieder und immer wieder. Jetzt war er verunsichert und wich wieder zurück. Als er ein drittes Mal nach Vorne ging, wurde er ein drittes Mal energisch angegriffen. Diesmal ging er weiter zurück als vorher und konnte sehen, wie der Schmetterling, der ihn angegriffen hatte, zu Boden ging und neben einem zweiten Schmetterling landete. Dieser zweite befand sich genau an der Stelle, auf die der Mann treten wollte. Dieser zweite war offensichtlich am Sterben und konnte sich nicht mehr bewegen. Und diese zwei waren ein Paar, und der eine wollte den anderen um jeden Preis schützen, auch wenn es bedeutete, einen erwachsenen Mann anzugreifen.

Dieser Schmetterling kann für uns als Gleichnis dienen. Ein Schmetterling ist ein uraltes Symbol der Auferstehung. Denn ein Schmetterling ist eine Raupe, die sich in einen Kokon einwickelt, wie in einem Leichentuch, und verwandelt herauskommt. Diese Verwandlung von etwas Sterbendem in etwas Quicklebendiges, von etwas Hässlichem in etwas Wunderschönes, und von etwas langsam Kriechenden in etwas, was mit Leichtigkeit fliegt, ist ein Sinnbild für auferstandenes Leben. Und dieser Schmetterling im Wald, der mit voller Hingabe einen Kampf aufgenommen hatte, der eigentlich aussichtslos war, ist für uns ein Leitbild. Eigentlich war dieser Kampf gegen den Mann lächerlich, denn ein Schmetterling ist machtlos. Und trotzdem hat der Schwächere gewonnen, weil er mit voller Hingabe gekämpft hatte. Und dazu sind wir bestimmt: mit voller Hingabe für die Sache Christi zu kämpfen, auch wenn wir uns dabei gelegentlich lächerlich machen, weil unsere Gegner übermächtig erscheinen. Was kann die Kirche schon ausrichten gegen die Gleichgültigkeit der Menschen Gott gegenüber? Scheinbar ist der Verlust an Christlichkeit in unserer Bevölkerung nicht aufzuhalten. Der Kampf gegen die Auflösung der Christenheit in Europa scheint aussichtslos zu sein, weil wir scheinbar zu schwach sind.

Aber wir gehören zu der Auferstehung, wir gehören schon jetzt zum ewigen Leben. Deswegen sollen wir für die Sache Jesu Christi mit Hingabe kämpfen. Und alle Opfer, die wir um Christi willen leisten, sind zuletzt keine Opfer. Denn wir sind für Unermessliches vorgesehen.

Lesen Sie die vollständige Predigt hier

Weitere Predigt zum Thema Geduld

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de.

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