19. FrauenForum - Thema: Die Airport-Mission am 02. November 2012
Die Airport-Mission
Zwischenlandung beim Kirchlichen Sozialdienst für
Passagiere am Frankfurter Flughafen
FrauenForum am 02. November 2012
Der Flughafen Frankfurt am Main ist der mit Abstand größte deutsche Verkehrsflughafen und zugleich eines der weltweit bedeutendsten Luftfahrtdrehkreuze. Über fünfzig Millionen Passagiere werden Jahr für Jahr gezählt. Der Kirchliche Sozialdienst für Passagiere versucht denen zu helfen, die in dieser Welt für sich stranden.
Nein, es sind nicht nur freudige Urlauber, erwartungsvolle Globetrotter, umtriebige Geschäftsreisende, die sich hier am Airport tummeln. Alles scheint gut organisiert, klappt reibungslos, doch immer wieder geschieht etwas Unvorhergesehenes. Plötzlich stehen Menschen da, kommen nicht mehr weiter, wissen nicht mehr ein noch aus. In diesen Schreckmomenten, in diesen Notsituationen erhalten sie am Flughafen in Frankfurt am Main die Antwort: »Gehen Sie mal zum Sozialdienst! Die können Ihnen vielleicht helfen.«
Die Menschen, die im Büro des Kirchlichen Sozialdienstes stehen, sind plötzlich nicht mehr Reisende, sondern Gestrandete mit ihrer Geschichte, ihren Fragen, meist beunruhigt, aufgeregt, hilflos, oft auch verärgert, wütend, manchmal weinend, verzweifelt, manchmal allein, manchmal zu zweit, mit Kindern. Unabhängig von Religion und Herkunft sind sie willkommen.
Viele Geschichten der Menschen, die zum Kirchlichen Sozialdienst für Passagiere kommen, sind auf den ersten Blick ähnlich und doch ist jede anders: Der Zug aus Köln hatte Verspätung, nun ist das Flugzeug nach Ouwagadogou weg. Der nächste Flug geht in einer Woche. Beim Umsteigen wurde der Anschlussflug verpasst. Das Ticket ist verfallen. Beim Einchecken gibt es Probleme mit dem Ticket, den Reisedokumenten, dem Pass. Man bemerkt plötzlich, dass das Portemonnaie, die Tasche weg ist, dass man bestohlen wurde. Man darf den Transitbereich nicht verlassen. Eigentlich sollte man abgeholt werden, doch niemand ist gekommen.
Zunächst stehen wie so oft viele Telefonate an. So weit wie möglich werden die Menschen befähigt, sich selbst zu helfen. Die Möglichkeit, jemanden anzurufen, hilft oft schon weiter: Die Angehörigen können Geld oder ein Ticket anweisen, andere Lösungen ergeben sich und allein schon der Kontakt beruhigt häufig sehr. Wenn die Situation deutlich geworden ist, werden Wege aufgezeigt: mit der Airline sprechen, das Konsulat anrufen, andere Ämter einschalten, auch das wirkt oft schon sehr beruhigend. Wenn nötig, wird der Kontakt zu einer Notunterkunft in Frankfurt am Main vermittelt. Für diese unerwartete Unterstützung sind die Menschen oft sehr dankbar. Nach der »Zwischenlandung« beim Sozialdienst ziehen sie in den meisten Fällen erleichtert und manchmal auch fröhlich ihrer Wege.
Neben den Passagieren finden auch andere Menschen aus der Rhein-Main-Region den Weg zum Flughafen: Hier fühlt man sich sicher, es ist warm und trocken. Doch ohne Ticket ist ein Aufenthalt am Flughafen nicht erlaubt, man wird früher oder später von der Polizei angesprochen. Diese wendet sich oftmals an den Kirchlichen Sozialdienst mit der Bitte, den Menschen Unterstützung anzubieten, sie über Hilfsangebote zu informieren, ihnen Adressen zu geben. Hier kommt die gute Vernetzung mit den anderen Einrichtungen des Diakonischen Werkes für Frankfurt am Main sowie weiteren sozialen Angeboten in Frankfurt zum Tragen: Gezielt nennen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Anlaufstellen, wo es warme Mahlzeiten und Übernachtungsmöglichkeiten gibt oder Adressen von Beratungsstellen, die bei spezifischen Problemen weiter helfen.
Der Kirchliche Sozialdienst für Passagiere berät und betreut auch psychisch kranke Menschen. Insgesamt haben Menschen aus über 5o Ländern im letzten Jahr die Hilfe des Kirchlichen Sozialdienstes für Passagiere in Anspruch genommen. Jedes Jahr beraten die drei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen sowie 15 Ehrenamtliche rund 1.500 Menschen. Zwischen einer halben Stunde und einer Woche dauerten die Beratungen. Pro Woche wenden sich zwischen 25 und 30 Personen an den Kirchlichen Sozialdienst. Auch von deutschen Botschaften aus der ganzen Welt wird die Einrichtung angeschrieben, etwa wenn ein deutscher Staatsbürger nach Deutschland zurückkehrt und beim Neuanfang hier Unterstützung benötigt. Dann nehmen die Mitarbeiterinnen Kontakt mit Behörden zum Beispiel zum Sozialamt oder dem Jugendamt auf, vermitteln an Kliniken und treffen weitere Vorbereitungen für die Ankunft.
»Sie schickt der Himmel, ein Engel am Flughafen« — wahrscheinlich eher unbewusst drücken Menschen ihren Dank oftmals mit religiösen Vokabeln aus, wenn sie den Weg zum Kirchlichen Sozialdienst für Passagiere gefunden haben.
Bettina Janotta