Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Verlegung von „Stolpersteinen“ am 12. Mai 2012 für Alfred und Hilde Lipstein und Isidor von Halle

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Stolpersteine Alfred und Hilde Lipstein

Ansprachen von Natascha Schröder-Cordes, Pfarrer Jürgen Seidl und Pfarrer Thomas Sinning

am Samstag, 12. Mai 2012

Stolpersteinverlegung für Alfred und Hilde Lipstein
Westendstraße 23
12. Mai 2011, 11.50 Uhr
Ansprache von Pfarrer Thomas Sinning


Wir kommen zusammen, um Hilde und Alfred Lipsteins zu gedenken. Ich spreche als Pfarrer für die evangelische Dreikönigsgeminde in Frankfurt-Sachsenhausen, denn es gab einen Bezug der Familie Lipstein zu unserer Kirche, und seit zwei Jahren ist eine Gruppe in unserer Gemeinde damit befasst, die Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus unserer Gemeinde aufzuarbeiten.

Die Informationen, die bei der Stolpersteinverlegung zugrunde lagen, waren nicht ganz korrekt. Im Juli 2012 erhielten wir von Joram und Nili Davidson eine E-Mail mit folgenden Informationen, die wir hier zur Korrektur bzw. Ergänzung der in der Ansprache gemachten Angaben wiedergeben.

„Dr. Alfred Lipstein und Hilde geb. Sulzbach hatten 2 Töchter Beate und Margot und 2 Söhne Kurt und Walter. Alle vier Kinder wurden im Jahr 1918 getauft. Kurt emigrierte nach England, lebt nicht mehr. Margot und Walter emigrierten in die USA, sie leben ebenfalls nicht mehr.

Dr. Beate Abramoff-Davidson geb. Lipstein emigrierte nach Palästina; sie kehrte zurück zum Judentum, feierte im Jahr 2012 ihrem 100. Geburtstag. Leider Ist Beate vor einem Jahr blind geworden. Wir haben ihr Ihre Andacht Ansprache vorgelesen – sie war sehr gerührt aber auch traurig aufgeregt, da die Vergangenheit sie wieder aufholte.

Eddi Sulzbach war der Bruder von Hilde Lipstein. In Frankfurt am Main lebt heute Fr. Maureen Kirchholtes, die Enkelin von Gertrud Kirchholtes geb. Sulzbach – die Schwester von Hilde, Walter und Eddi Sulzbach.“

Alfred Lipstein wurde geboren am 3. Juni 1876 in Königsberg in Ostpreußen, seine Frau Hilde Lipstein, geb Sulzbach, wurde am 4. November 1886 hier in Frankfurt geboren. Sie heirateten am 4. Juni 1907 hier in Frankfurt und hatten zwei Töchter und einen Sohn. Lipsteins waren jüdischer Herkunft. Der Sohn Walter wurde 1927 in der Dreikönigskirche von Pfarrer Urspruch, dessen Frau übrigens ebenfalls jüdischer Herkunft war, getauft und konfirmiert, die Tochter Berta/Beate im Jahr 1933. Alfred Lipstein war Arzt und Spezialist für Magen- und Darmerkrankungen. Die Familie wohnte hier in der Westendstraße 23, dann im Kettenhofweg 121 und zuletzt in der Gaußstraße 30. Von dort wurde Dr. Lipstein am 15. September 1942 im Alter von 66 Jahren bei der neunten großen Deportation aus Frankfurt zusammen mit seiner Ehefrau in das Durchgangs- und Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt, wo er zwei Wochen später am 1. Oktober 1942 ums Leben kam. Seine Ehefrau Hilde starb bereits am 16. September 1942 bei der Ankunft in Theresienstadt.

Stolpersteine Alfred und Hilde Lipstein

Warum ist das Ehepaar Lipstein nicht vor der Zeit der Verfolgung emigriert? Hilde Sulzbach hatte einen Verwandten, Edmund, dessen Eltern verstorben waren. Edmund - Eddi - litt an Epilepsie. Und weil sie seinen Eltern vor deren Tod versprochen hatte, sich um ihn zu kümmern, sind sie hier in Frankfurt geblieben. Ihre Fürsorge, ihr Verantwortungsgefühl, ihre Treue haben dazu geführt, dass sie der Verfolgung nicht entrinnen konnten und zu Opfern des menschenverachtenden Naziregimes wurden.

Viele Menschen haben das Unrecht, das den jüdischen Mitbürgen damals angetan wurde, hingenommen. Haben weggeschaut, haben es hingenommen oder sogar gutgeheißen. Nur wenige haben den Mut gehabt, denen zur Seite zu stehen, die ihren Beistand überlebensnotwendig gebraucht hätten. Aus Humanität und der Nächstenliebe handelten nur wenige mit der notwendigen Konsequenz. Auch die Evangelische Kirche hat damals vielfach versagt in dieser Hinsicht. Deshalb ist uns heute die Teilnahme an dieser Stolpersteinverlegung wichtig.

Stolperstein für Alfred und Hilde Lipstein, Westendstraße 23 Stolperstein für Alfred und Hilde Lipstein, Westendstraße 23 Stolperstein für Alfred und Hilde Lipstein, Westendstraße 23 Stolperstein für Alfred und Hilde Lipstein, Westendstraße 23 Stolperstein für Alfred und Hilde Lipstein, Westendstraße 23 Stolperstein für Alfred und Hilde Lipstein, Westendstraße 23

PSch

Ich weiß nicht, ob ich damals den Mut gehabt hätte, unter Eingehen eines persönlichen Risikos einem verfolgten jüdischen Nachbarn beizustehen. Aber, was wir heute tun können, ist Gedenken. Ist, die Opfer dem Vergessen zu entreißen. Die Nazis machten Menschen zu Nummern. Wir erinnern ihre Namen, ihr Leben, ihr Leiden, das, was ihnen angetan wurde. Das Gedenken führt uns heute zusammen und verbindet uns. Das Gedenken stärkt uns, Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe und die Achtung vor jedem einzelnen Menschen hoch zu halten. Darum erinnern wir uns heute in ehrendem Gedenken an Dr. Alfred und Hilde Lipstein.

Gebet von Rabbiner Andy Steiman

Wenn Rabbiner Steiman bei uns wäre, würde er sagen:

„Durch das Gedenken sollen diejenigen wieder dazugehören, die einst von hier gewaltsam verjagt wurden. Wir wollen uns die Hände reichen und einen Kreis um diese Steine bilden – um die Seelen, die hier einmal wirkten, wieder in unsere Mitte aufzunehmen.Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten.Wir trauern um sie – und um den Verlust, welchen wir uns selbst erst mit ihrem Ausschluss und dann mit dem Vergessen darüber zugefügt haben.“

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Stolpersteinverlegung für Isidor von Halle
Mainkai 2, Frankfurt am Main (über alte Brücke, Ecke links)
12. Mai 2012, 14.00 Uhr
Ansprache von Pfarrer Jürgen Seidl

Stolpersteinverlegung für Isidor von Halle

Guten Tag, ich bin Pfarrer Jürgen Seidl und spreche für die Evangelisch – Lutherische Dreikönigsgemeinde. Wir sind hier zusammengekommen an einem Stolperstein, der vor einigen Tagen für Isidor von Halle verlegt wurde und wollen heute seiner gedenken.

Isidor von Halle wurde am 1. September 1903 geboren. Er stammte aus einer jüdischen Familie und wurde evangelisch getauft. Sein Vater war der Glaser Siegfried von Halle. Isidor von Halle hatte zwei jüngere Geschwister: Rosa und Friedel von Halle.

Anfang Juli 1925 heiratete er seine Frau Elisabeth, die evangelisch war. Nach dem Sprachgebrauch des Dritten Reiches handelte es sich dabei um eine sogenannte Mischehe. Bei der Machtergreifung Adolf Hitlers wohnte er hier am Mainkai im 2. Stock. Aus der Ehe entstammten die Söhne Ferdinand von Halle, geb. 1926 und Robert von Halle, geb. 1927, sowie die Töchter Erna von Halle, geb. 1933 und Franziska von Halle, geb. 1935. Am 1. Mai 1938 zog die Familie in die Dreikönigstraße 33, also nicht weit von der Dreikönigskirche auf der anderen Seite des Flusses.

Die gesamte Familie erlitt Verfolgung und Entrechtung. Die Witwe, Elisabeth von Halle, schrieb nach dem Krieg: „Ende 1939 – Anfang 1940 mussten ich und die Kinder Beschimpfungen und auch tätliche Angriffe über uns ergehen lassen. Mein Sohn Robert weigerte sich im Jahre 1941 die Schule zu besuchen, weil er dort täglich und stündlich von seinen Klassenkameraden geschlagen und beschimpft wurde, ohne dass der damalige Rektor der Schule (Uhlandschule) dagegen einschritt. Im September / Oktober 1942 wurde ich von Frau Kühnreich, Herrn Finkbeiner und Frau Klein, sämtliche in der Dreikönigstraße wohnhaft, tätlich angegriffen. Mai – Juli 1943 war mein verstorbener Mann in Haft und ich, als geborene Christin, bekam in dieser, wie auch in der folgenden Zeit keinerlei Unterstützung.“

Stolperstein für Isidor von Halle Stolperstein für Isidor von Halle Stolperstein für Isidor von Halle Stolperstein für Isidor von Halle

Natascha Schröder Cordes

Isidor von Halle war laut Entschädigungsakte von 28. Oktober 1942 bis 15. April 1943 als Hilfsarbeiter bei der Firma „Röver“ beschäftigt, vermutlich als Zwangsarbeiter. Von Mai bis Juli 1943 war Isidor von Halle in Haft. Danach hat er wohl noch kurz auf dem Südfriedhof gearbeitet.

Am 13. August 1943 wurde Isidor von Halle verhaftet; schon zuvor war er mehrmals von der Geheimen Staatspolizei verhört worden. Seine Ehefrau und seine Kinder wurden in Heime eingewiesen. Sein Sohn Robert kam 1945 in das Arbeitslager Derenburg. Isidor von Halle wurde in das Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz verschleppt, wo er am 2. Januar 1944 ermordet wurde. Sein Vater und seine Schwestern wurden vermutlich in den Dünen bei Raasiku in Estland erschossen.

Der Künstler Gunter Demnig, der die Stolpersteine verlegt, schreibt zum Sinn des Gedenkens: „Auf dem Stolperstein bekommt das Opfer seinen Namen wieder, jedes Opfer erhält einen eigenen Stein - seine Identität und sein Schicksal sind, soweit bekannt, ablesbar. Durch den Gedenkstein vor seinem Haus wird die Erinnerung an diesen Menschen in unseren Alltag geholt. Jeder persönliche Stein symbolisiert auch die Gesamtheit der Opfer, denn alle eigentlich nötigen Steine kann man nicht verlegen.“

Am 30. Januar 2011 haben wir in einem Gedenkgottesdienst in der Dreikönigskirche derer namentlich gedacht, die in Verbindung zu unserer Gemeinde standen und von den Nazis entrechtet und verfolgt, ermordet oder in den Tod getrieben wurden. Auch Isidor von Halle war dabei. Indem wir seinen Namen - wie auch die Namen der anderen - auf unsere Gemeindeseite im Internet nennen, wollen wir zeigen, dass sie dauerhaft zu unserer Gemeinde gehören und nie vergessen werden dürfen.

Das Gedenken und die Erinnerung verpflichten uns, wach zu sein, uns für eine Gesellschaft einzusetzen, in der jeder Mensch egal welcher Herkunft, welchen Glaubens, jeder Mensch egal mit welchen Stärken und mit welchen Schwächen das Recht hat, ohne Angst frei zu leben.

Gebet von Rabbiner Andy Steiman

Wenn Rabbiner Steiman bei uns wäre, würde er sagen:

„Durch das Gedenken sollen diejenigen wieder dazugehören, die einst von hier gewaltsam verjagt wurden. Wir wollen uns die Hände reichen und einen Kreis um diese Steine bilden – um die Seelen, die hier einmal wirkten, wieder in unsere Mitte aufzunehmen. Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten. Wir trauern um sie – und um den Verlust, welchen wir uns selbst erst mit ihrem Ausschluss und dann mit dem Vergessen darüber zugefügt haben.“

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Stolpersteinverlegung für Günther Perlhefter

Stolpersteinverlegung für Günther Perlhefter (diese Verlegung wurde gestaltet zusammen mit der Klasse 6 d der Schillerschule)
Schulstraße 26
12. Mai 2012, 14.40 Uhr
Ansprache von Natascha Schröder-Cordes

Ich spreche hier als Gemeindepädagogin für die evangelische Dreikönigsgemeinde – viele Mitglieder der Dreikönigsgemeinde und Schüler der Schillerschule mit ihren Eltern sind hier, um am Gedenken Anteil zu nehmen. Besonders begrüße ich die Verwandten von Günther Perlhefter, dessen Stolperstein wir heute enthüllen.
Liebe Familie Weber, wir freuen uns sehr dass sie heute hier bei uns sind.

Günther Perlhefter wurde am 7. September 1931 in Frankfurt geboren und am 13.September 1931 in der Dreikönigsgemeinde von Pfarrer Frank getauft. Seine Eltern waren Albert Perlhefter und Anni Perlhefter. Die Ehe der Eltern wurde geschieden. Albert Perlhefter, der nach der Scheidung eine Beziehung zu einer nichtjüdischen Frau hatte, wurde wegen angeblicher „Rassenschande“ zu zweijähriger Haft und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt.

Stolpersteinverlegung für Günther Perlhefter

Ab 1936 war er nach Verbüßung der Haftstrafe in Dachau und Buchenwald inhaftiert. Von dort wurde er nach Mauthausen verschleppt, wo er am 29.September 1941 angeblich durch Freitod aus dem Leben schied. Laut Aussage eines überlebenden Bruders wurde er dort mit mehreren anderen jüdischen Opfern von einem Felsblock in die Tiefe gestürzt. Günthers Mutter starb 1937 an Tuberkulose. Günther war somit Waise und wurde von seinem Großvater versorgt. Er hatte nun seine Eltern verloren, galt gemäß der menschenverachtenden Nürnberger Gesetze als „Halbjude“ und lebte mit seinem Großvater in ärmlichen Verhältnissen. Was dies für ein sechsjähriges Kind bedeutet, können wir sicher nur ansatzweise ermessen.

Von anderen Opfern wissen wir, dass sie hier um die Ecke in der Dreikönigsstraße von Nachbarn öffentlich beschimpft und geschlagen wurden. Auch Günther wird unter all diesen schrecklichen Umständen gelitten und ein Leben weit von dem entfernt gelebt haben, was wir uns heute unter dem behüteten Leben eines Kindes vorstellen. Im Jahr 1943 wurde Günther gegen den Willen des Großvaters der Fürsorgeerziehung überwiesen und am 3.Juni 1943 in die Tötungsanstalt Hadamar verschleppt. Dort ist er am 3.September 1943, vier Tage vor seinem zwölften Geburtstag ermordet worden.

Im Jahr 1945 hatte Günthers Großvater einen Brief nach Hadamar geschickt und sich nach dessen Grab erkundigt. Den Antwortbrief des Direktors aus Hadamar möchte ich Ihnen, möchte ich euch gerne vorlesen:

Herrn Johann Seibel „Auf Ihr Schreiben vom 30. Dezember 1945 teile ich Ihnen mit, daß wohl Kindergräber vorhanden sind und zwar auf einem kleinen Friedhof, der sich an den größeren anschließt, daß aber eine genaue Bezeichnung der Gräber und eine Liste darüber fehlt, so daß das Grab Ihres Enkelkindes nicht mehr festgestellt werden kann.
Im Übrigen können Sie beruhigt sein über das Grab, denn alle Gräber und der Friedhof sind in guter Ordnung und gepflegt. Am 2. September 1943 ist nach der Krankengeschichte der Junge an Darmgrippe gestorben. Sie sind ja seinerzeit auch benachrichtigt worden. Ob das Kind eines natürlichen Todes gestorben ist, oder nicht, kann ich leider nicht feststellen, so gern ich Ihnen darüber Gewissheit geben würde, denn ich nehme an, dass Sie sich darüber Gedanken machen, nach den Vorgängen, die hier geschehen sind. Vielleicht wird das später noch einmal Alles aufgeklärt werden. Sie brauchen deshalb bei Ihrem Alter nicht die große Strapaze einer Reise nach Hadamar auf sich nehmen, denn eine bessere Auskunft kann ich Ihnen auch leider mündlich nicht geben.
Der Direktor:

Stolperstein für Günther Perlhefter Stolperstein für Günther Perlhefter Stolperstein für Günther Perlhefter Stolperstein für Günther Perlhefter Stolperstein für Günther Perlhefter Stolperstein für Günther Perlhefter Stolperstein für Günther Perlhefter Stolperstein für Günther Perlhefter Stolperstein für Günther Perlhefter Stolperstein für Günther Perlhefter Stolperstein für Günther Perlhefter

Natascha Schröder Cordes

Für mich ist dies ein unfassbares Schicksal. Ein elfjähriges Kind wurde ermordet und niemand außer seinem Großvater hatte versucht ihn zu schützen. Weder die Kirche, noch die Nachbarn, noch die Lehrer.

Ich bin froh, dass heute Kinder hier stehen und die Patenschaft für Günthers Stein übernommen haben. Denn das stärkt mich in der Hoffnung, dass wir heute und die kommenden Generationen ein solches Unrecht nie wieder zulassen werden.

Ich möchte alle nun bitten, einen Kreis um den Stein zu bilden und sich die Hände zu reichen.Bei jeder Verlegung eines Stolpersteins wird das Gebet von Rabbiner Andy Steiman von der Budgestiftung Frankfurt gesprochen.

Gebet von Rabbiner Andy Steiman

„Durch das Gedenken sollen diejenigen wieder dazugehören, die einst von hier gewaltsam verjagt wurden. Wir wollen uns die Hände reichen und einen Kreis um diese Steine bilden – um die Seelen, die hier einmal wirkten, wieder in unsere Mitte aufzunehmen. Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten. Wir trauern um sie – und um den Verlust, welchen wir uns selbst erst mit ihrem Ausschluss und dann mit dem Vergessen darüber zugefügt haben.“

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Stolpersteinverlegung für Martha Mayer
Löherstraße 2
12. Mai 2012, 14.20 Uhr
Ansprache von Pfarrerin Silke Alves-Christe

Stolperstein für Martha Mayer Stolperstein für Martha Mayer Stolperstein für Martha Mayer Stolperstein für Martha Mayer Stolperstein für Martha Mayer

Natascha Schröder Cordes

Mit diesem Stolperstein erinnern wir an Martha Mayer, geb. Simon.

Stolpersteinverlegung für Martha Mayer, geb. Simon

Sie wurde am 1. Mai 1880 in Euskirchen geboren. Verheiratet war sie mit Peter Mayer, der evangelisch getauft war wie auch ihr Sohn. Ehemann und Sohn gehörten zur Dreikönigsgemeinde.

Mehr wissen wir von der Familie nicht. Es ist so schwer, sich vorzustellen, wie ein Teil der Familie unbehelligt bleibt, und doch die Ehefrau/die Mutter nicht schützen kann.

Martha Mayer wurde 1943 gezwungen, in ein sogenanntes „Judenhaus“ zu ziehen, in dem antisemitisch Verfolgte vor ihrer Deportation aus Frankfurt zwangsweise einquartiert wurden. Am 8. Januar 1944 im Alter von 63 Jahren wurde Martha Mayer in das Durchgangs- und Konzentrationslager Theresienstadt deportiert.

Ihr Name findet sich auf einer Transportliste. Da sie in einer sogenannten „Mischehe“ lebte, war sie offenbar bei früheren Deportationen aus Frankfurt noch verschont worden.

9 Monate später, am 09. Oktober 1944, wurde sie von Theresienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt, wo sie ermordet wurde. Ihr Angedenken sei gesegnet!

Gebet von Rabbiner Andy Steiman

Wenn Rabbiner Steiman bei uns wäre, würde er sagen:

„Durch das Gedenken sollen diejenigen wieder dazugehören, die einst von hier gewaltsam verjagt wurden. Wir wollen uns die Hände reichen und einen Kreis um diese Steine bilden – um die Seelen, die hier einmal wirkten, wieder in unsere Mitte aufzunehmen. Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten. Wir trauern um sie – und um den Verlust, welchen wir uns selbst erst mit ihrem Ausschluss und dann mit dem Vergessen darüber zugefügt haben.“

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