17. FrauenForum am 04. November 2011 - Thema: Evangelische Bahnhofsmission
Großer Bahnhof in Dreikönig
Frauenforum über die Frankfurter
Bahnhofsmission am 4. November
in Dreikönig
Lautsprecheransagen. Koffer stehen bereit. Eine Eisenbahnlandschaft aus Holzklötzchen ist ausgebreitet. Doch dies ist nicht der Hauptbahnhof, sondern der Altarraum der Dreikönigskirche. Die Teilnehmerinnen beim Frauenforum wurden mitgenommen auf eine lange, interessante Reise, freundlich und kompetent begleitet von einer Frau in blauer Weste mit einem runden Emblem, darauf ein rotes Kreuz und ein gelber Streifen und die Aufschrift BAHNHOFSMISSION.
Sigrid Bender, die Leiterin der Frankfurter Bahnhofsmission, hatte auf dem eindrucksvoll hohen Stuhl vor dem Altar Platz genommen. Sie erzählte von der Geschichte und der Arbeit der heute 25 Haupt- und 54 Ehrenamtlichen.
Die Geschichte der Bahnhofsmission ist wie ein Spiegel der deutschen Geschichte: 1895 wurde die evangelische Bahnhofsmission am damals gerade sieben Jahre alten Frankfurter Hauptbahnhof gegründet, 1901 kam die katholische dazu. 1910 – als ein ökumenisches Miteinander für viele in der Kirche noch ein Fremdwort war – schlossen sich die beiden zusammen. Das Ziel, vor allem Frauen auf einer Reise Schutz zu bieten, wurde im ersten Weltkrieg erweitert, als heimkehrende, kriegsverletzte Soldaten zu betreuen waren. 1907 begann auch eine jüdische Bahnhofsmission, die jedoch 1933 verboten wurde.
Auch die christliche Arbeit wurde immer mehr verdrängt und 1939 die Bahnhofsmission schließlich ganz verboten. Gleich nach dem Krieg nahm sie ihre Arbeit wieder auf, die nun – angesichts der vielen Vertriebenen und Kriegsheimkehrer, der einander suchenden Familienmitglieder – so nötig war wie nie zuvor. Auch die jüdische Bahnhofsmission machte einen Neuanfang, allerdings nur bis 1946.
In den 50er Jahren war der Interzonenverkehr eine neue Herausforderung. In diesen Jahren wurden die Bahnhofsmissionen in der DDR bezeichnenderweise verboten. Ab 1960 führte die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ausländische Arbeitnehmer und ihre Familien nach Deutschland.
Ab 1964 durften Rentner für einen vierwöchigen Urlaub aus der DDR ausreisen. Überhaupt trauten sich ältere Menschen mehr und mehr, Reisen zu unternehmen, und konnten die Hilfe der Bahnhofsmission gut gebrauchen. Ab den 70er Jahren wurde der Bahnhof immer mehr zum sozialen Brennpunkt und die Bahnhofsmission zur Anlaufstelle für wohnungslose Menschen, Aussiedler und Asylsuchende.
Nach dem Fall der Mauer konnten die Bahnhofsmissionen in den neuen Bundesländern ihre Arbeit wieder aufnehmen. 1989 feierten die Berliner Bahnhofsmissionen zusammen Weihnachten.
Angesichts der Herausforderungen durch Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit, Sucht, soziale Benachteiligung spielt der Schutzraum Bahnhofsmission weiterhin eine wichtige Rolle. Die Begleitung allein reisender Kinder, die abwechselnd bei Müttern und Vätern aufwachsen, ist ein wichtiges Aufgabengebiet geworden. Je technisierter der Bahnhof, umso mehr bewahrt die Bahnhofsmission dem Bahnhof ein menschliches Gesicht.
Am 4. November kam der Bahnhof in die Kirche. Durch die Bahnhofsmission ist die Kirche im Bahnhof – Tag und Nacht, rund um die Uhr - mit ihrer Wertschätzung jedes Menschen ohne Unterschied, mit konkreter Hilfe in Not und nicht zuletzt mit einem Raum der Stille.
Gabriele Nostadt, Pfarrerin Silke Alves-Christe