Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Verlegung von „Stolpersteinen“ am 4. Juni für Cornelie und Albert Katzenellenbogen

« Reportagen Home

Neue Mainer Straße Vorbereitungsarbeit Pfr. Martin Vorländer Familienangehöriger erzählt von damals Vertreter der Kommerzbank Familienangehörige zeigt Wohnhaus in Königstein Stolpersteine mit Blumen  Stolperstein Stolperstein Familienangehörige

PSch

Weitere Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011

Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011  Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011  Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011  Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011  Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011 Stolpersteineverlegungen am 3. und 4. Juni 2011

Natascha Schröder-Cordes

Im Januar haben wir der Menschen gedacht, die in Verbindung zur Dreikönigsgemeinde standen und Opfer des NS-Terrors wurden. Nun wurden „Stolpersteine“ für sie verlegt. Herzlichen Dank allen, die dafür gespendet haben! „Stolpersteine“ - pflastersteingroße Messingplatten - werden ins Straßenpflaster eingelassen. Mit eingraviertem Namen und Lebensdaten erinnern sie an die zwischen 1933 und 1945 Ermordeten an deren letztem selbstgewähltem Wohnort.

'Stolpersteine Stolpersteine mit Blumen für Cornelie und Albert Katzenellenbogen

Ansprachen von Pfarrer Martin Vorländer

am Freitag, 3. Juni 2011
am Samstag, 4. Juni 2011

Stolpersteinverlegung für Cornelie und Albert Katzenellenbogen
Neue Mainzer Str. 32, F-Innenstadt
4. Juni 2011, 11.00 Uhr
Ansprache von Pfarrer Martin Vorländer


Familie Katzenellenbogen

Cornelie Josefine und Albert Katzenellenbogen kamen aus jüdischen Famlien –Cornelie war evangelisch getauft. Beide standen in Verbindung zur Dreikönigskirche.

Albert Katzenellenbogen

Albert Katzenellenbogen wird 1863 in Krotoschin (Posen) geboren. Er lebt in Frankfurt und wird Direktor der Commerz- und Privatbank. Außerdem wirkt er als Mitglied in verschiedenen Aufsichtsräten, zum Beispiel für Buderus in Wetzlar oder die Commerzbank AG in Frankfurt. Nach 1933 verliert er aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung alle seine wichtigen Funktionen. Zwangsweise muss er die von den Nazis erhobene „Judenvermögensabgabe“ in Höhe von 275.547 oder sogar 365.500 Reichsmark entrichten. Albert Katzenellenbogen, fast blind, wird am 18. August 1942 im Alter von 79 Jahren bei der siebten großen Deportation aus Frankfurt in das Durchgangs- und Konzentrationslager Theresienstadt und von dort am 25. August 1942 unter der Transportnummer „Bc-942“ nach Maly Trostenez, einem Vernichtungslager nahe dem Ghetto Minsk verschleppt, wo er wahrscheinlich ermordet wird. Sein Todesdatum wird auf den 31. Dezember 1945 festgesetzt.

Cornelie Josefine Katzenellenbogen

Cornelia Katzenellenbogen ist nach erlittenem Schlaganfall 1938 vollständig gelähmt und stirbt am 19. Juni 1941. Bei der Beerdigung durch Pfarrer Martin Schmidt (Dreikönigsgemeinde, 1892-1967) dürfen neben der Pfarrfrau nur eine Tochter mit Ehemann aus Freiburg teilnehmen. Hinter den Hecken auf dem Friedhof stehen Gestapo-Beamte und überwachen die Zeremonie.

'Ansprache von Pfr. Martin Vorländer

Liebe Angehörige Ehepaar Maurer, liebe Frau Schultz-Bernd, liebe Frau Dietzel, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Tallner von der Commerzbank,

als Pfarrer spreche ich für die evangelische Dreikönigsgemeinde F-Sachsenhausen – viele aus der Dreikönigsgemeinde sind hier, um am Gedenken Anteil zu nehmen. Die Familie Katzenellenbogen war mit der Dreikönigsgemeinde verbunden. Albert und Cornelie kamen aus jüdischen Familien. Cornelie und die drei Kinder Gretel, Martha und Adolf waren evangelisch getauft.

Für die Dreikönigsgemeinde damals, für Pfarrer Martin Schmidt und Pfarrer Fritz Creter, für den Kirchenvorstand, spielte es keine Rolle, wer in welcher Familie welchen Hintergrund und welche Herkunft hatte. Die Dreikönigskirche war offen, war ein Ort, an dem Menschen, die vom NS-Terror bedrängt und verfolgt waren, den tiefen Sinn des Goethewortes erfahren konnten: Hier bin ich Mensch. Hier darf ich’s sein.

Pfarrer Martin Schmidt hatte eine feinsinnige Art, ein biblisches Menschenbild zu predigen, das fundamental der Barbarei der Nationalsozialisten widersprach. Als er frisch gewählt war, schrieb er seiner neuen Gemeinde, der Dreikönigsgemeinde: „Die in den Dingen Gebundenen verwechseln Erfolg mit Frucht (…) Nach Erfolg wird gejagt (…) Auf Frucht wird gewartet.“ Die Nazis wollten mit aller Gewalt den Kraft- und Herrenmenschen schmieden, der Erfolg hat und sich ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzt. Der biblische Mensch, von dem Pfarrer Schmidt sprach, tut sich nicht hervor durch brachiale Stärke, sondern kann wachsen lassen, wartet auf Frucht und bringt Frucht. Das ist ein feiner, doch fundamentaler Unterschied im Menschenbild. Wir müssen auch heute wach bleiben, welchem Menschenbild wir in unserer Gesellschaft folgen: Einem, das Erfolg will um jeden Preis, oder einem, das jeden Einzelnen wachsen und Frucht bringen lässt. Ich danke Ihnen.

Gebet von Rabbiner Andy Steiman

Wenn Rabbiner Steiman bei uns wäre, würde er sagen:

„Durch das Gedenken sollen diejenigen wieder dazugehören, die einst von hier gewaltsam verjagt wurden. Wir wollen uns die Hände reichen und einen Kreis um diese Steine bilden – um die Seelen, die hier einmal wirkten, wieder in unsere Mitte aufzunehmen.Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten.Wir trauern um sie – und um den Verlust, welchen wir uns selbst erst mit ihrem Ausschluss und dann mit dem Vergessen darüber zugefügt haben.“

^ Zum Seitenanfang

Stolpersteinverlegung für Familie Adler
Löherstraße 21, F-Sachsenhausen
3. Juni 2011, 9.00 Uhr
Ansprache von Pfarrer Martin Vorländer
Barbara Becker, Leiterin der evangelischen Main-Kindertagesstätte

Stolpersteinverlegung für Familie Adler

Es geschah nicht nur weit weg in Auschwitz, Majdanek oder Theresienstadt. Es ist hier geschehen, hier in unserer Löherstraße, in unserer Nachbarschaft, in unmittelbarer Nähe zur Dreikönigskirche. Wir sprechen für die Dreikönigsgemeinde und die evangelische MainKiTa. Hier spielten die Kinder der Familie Adler, kickten Fußball und waren mit den anderen Kindern die „Löhergaß-Clique“. Eine ganz normale Familie. Bis zu dem Tag, an dem die Kinder von der Gestapo aus dem Schulunterricht heraus, der Vater von seiner Arbeitsstelle auf der Post abgeholt wurden. Dann war die ganz normale Nachbarsfamilie Adler von einem Tag auf den anderen verschwunden. Erst interniert. Dann deportiert nach Auschwitz. Nur drei Familienmitglieder überlebten. Eine junge Familie, als sie deportiert wurden: Die Eltern 45 und 40 Jahre alt. Die Kinder Teenager, die jüngsten Kinder sechs und fünf Jahre alt – sie hätten hier in die MainKiTa gehen können.

Mich beschäftigt die ungewisse Frage: „Was für ein Nachbar wäre ich gewesen?“ Im Alten und Neuen Testament steht das Gebot: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Unser Nächster ist auch unser Nachbar, dessen Wohl und Wehe uns ans Herz gelegt ist. Ricky Adler hat als Zeitzeuge nach dem 2. Weltkrieg, nach dem Ende des Nazi-Terrors geschrieben: „Wenn wir alle zusammenhalten, wenn wir uns die Hände reichen und nicht darauf achten, welcher Generation oder Abstammung, Herkunft wir sind, ob Sinti, Roma, Jude, Türke, Grieche, Italiener, Belgier oder was auch immer – wenn wir uns die Hand reichen und sagen, wir wollen so etwas nie wieder erleben, glaube ich, dass wir es auch erreichen. Unsere Kraft wird es jedem vermitteln, wenn wir zusammenstehen und einer auf den anderen achtet.“

In ehrendem Gedenken an die Familie Adler,
Eure Nachbarn von der Dreikönigsgemeinde und der Main-Kindertagesstätte

^ Zum Seitenanfang

Stolpersteinverlegung für Gretel Berndt
Paul-Ehrlich-Straße 25, F-Sachsenhausen
3. Juni 2011, 11.00 Uhr
Ansprache von Pfarrer Martin Vorländer

Ich spreche als einer der Pfarrer für die evangelische Dreikönigsgemeinde Frankfurt-Sachsenhausen. Gretel Berndt war jüdischer Herkunft und wie ihre Mutter und ihre beiden Geschwister in der Frankfurter Paulsgemeinde evangelisch getauft. Sie galt nach NS-Rassegesetzen als „Volljüdin“ und war ständig in Gefahr, deportiert zu werden. Sie starb beim Luftangriff 1944 im Alter von 51 Jahren. Zuvor hatte sie erlebt, wie die Beerdigung ihrer Mutter Cornelie Katzenellenbogen durch Pfarrer Martin Schmidt von Gestapo-Leuten hinter den Friedhofshecken überwacht wurde. Sie hatte erlebt, wie ihr Vater Albert Katzenellenbogen mit 79 Jahren aus Frankfurt deportiert wurde.

Stolpersteinverlegung für Gretel Berndt

Die Familie Katzenellenbogen, aus der Gretel Berndt stammt, war mit der Dreikönigskirche verbunden. Mit den damaligen Pfarrern Martin Schmidt und Fritz Creter haben sie die Dreikönigskirche als einen Hort für Menschen erlebt, die anderer Meinung als die Nationalsozialisten ringsherum waren, als einen Ort für Menschen, die von Nazi-Terror verfolgt wurden.

Für uns heute in der Dreikönigsgemeinde ist beeindruckend, wie aufrecht die damaligen Pfarrer und der damalige Kirchenvorstand sich nicht von der mörderischen Nazi-Ideologie haben einnehmen lassen. Leider war ein solch aufrechter Glaube in der evangelischen Kirche die Ausnahme. Es ist beschämend, wie viele Protestanten und ganze Landeskirchen Hitler begrüßt und zugejubelt haben. Bis auf einzelne beeindruckende Ausnahmen hat sich unsere Kirche damals vor allem um sich selbst gesorgt, statt sich denen zur Seite zu stellen, die ihren Beistand überlebensnotwendig gebraucht hätten. Den Gedanken der Freiheit, Humanität und Nächstenliebe trugen nur Einzelne weiter. Ich weiß nicht, ob ich den Mut dieser Einzelnen gehabt hätte. Ich kann ihr Glaubens- und Lebenszeugnis nur bewundern.

Was wir tun können, ist Gedenken. Die Nationalsozialisten machten Menschen zu Nummern, die sie in die Haut der KZ-Häftlinge tätowierten. Wir erinnern ihre Namen, ihr Leben, ihr Leiden, das, was ihnen angetan wurde. Das Gedenken führt uns zusammen und verbindet uns. Das Gedenken stärkt uns, Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe und die Achtung vor jedem einzelnen Menschen hoch zu halten.

In ehrendem Gedenken an Gretel Berndt.

Worte der Angehörigen (Dr. Peter Maurer, Cornelia Dietzel, Franzsika Schultz-Berndt)

Gebet von Rabbiner Andy Steiman

Wenn Rabbiner Steiman bei uns wäre, würde er sagen:

„Durch das Gedenken sollen diejenigen wieder dazugehören, die einst von hier gewaltsam verjagt wurden. Wir wollen uns die Hände reichen und einen Kreis um diese Steine bilden – um die Seelen, die hier einmal wirkten, wieder in unsere Mitte aufzunehmen. Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten. Wir trauern um sie – und um den Verlust, welchen wir uns selbst erst mit ihrem Ausschluss und dann mit dem Vergessen darüber zugefügt haben.“

^ Zum Seitenanfang

Stolpersteinverlegung für Carola und Hermann Schmidt-Fellner
Marienstraße 4, F-Bahnhofsviertel
4. Juni 2011, 10.30 Uhr
Ansprache von Pfarrer Martin Vorländer

Hermann Schmidt-Fellner (*1892 + 1940), Marienstraße 9: war evangelisch. Seine Frau jüdischer Herkunft war ebenfalls evangelisch getauft. Er war einer der beiden Direktoren der Frankfurter Metallgesellschaft, wurde 1938 wegen Unterstützung von entlassenen jüdischen Mitarbeitern denunziert, verhaftet und kam am 22.1.1940 im Konzentrationslager Mauthausen ums Leben. Seine Frau wurde 1945 nach Theresienstadt deportiert und überlebte.

Stolpersteinverlegung für Carola und Hermann Schmidt-Fellner

Wir kommen zusammen, um Carola und Hermann Schmidt-Fellner zu gedenken und einen Stolperstein für die beiden zu verlegen. Ich spreche als Pfarrer für die evangelische Dreikönigsgemeinde in Frankfurt-Sachsenhausen – viele von der Gemeinde sind hier, um am Gedenken Anteil zu nehmen. Die Familie Schmidt-Fellner war mit der Dreikönigsgemeinde verbunden – kirchlich, aber auch familiär. Sie, sehr geehrte Frau Herta Leip, gingen mit den Töchtern des Dreikönig-Pfarrers Martin Schmidt in die Schule. Das Ehepaar Schmidt-Fellner wurde 1922 von Pfarrer Urspruch in der Weißfrauenkirche getraut. Pfarrer Urspruch war wenig später von 1925 bis 1933 Pfarrer an der Dreikönigskirche. Er ging vorzeitig in Ruhestand – er hielt die Bedrängnisse nicht mehr aus, in die er gebracht wurde, weil seine Frau wie Carola Schmidt-Fellner eine Christin jüdischer Herkunft war.

Angestoßen durch die Stolpersteinverlegung letztes Jahr hat sich eine Gruppe in der Dreikönigsgemeinde an Erinnerungsarbeit gemacht. Unterstützt von Hartmut Schmidt, dem wir dafür sehr zu danken haben, haben wir im Archiv unserer Kirche in den Tauf- und Konfirmationsbüchern aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts nach so genannten „Christen jüdischer Herkunft“ geforscht. Wir haben dabei gemerkt, dass wir unsere Recherchen ausweiten mussten, dass wir nicht die unmenschliche Einteilung der nationalsozialistischen Barbaren in „Volljude“, „Halbjude“, „Vierteljude“, „Mischehe“ wiederholen dürfen.

Hermann Schmidt-Fellner hat das mörderische Einteilen der Nazis in Herrenmenschen und Untermenschen nicht mitgemacht. Er war im Briefwechsel mit einem entlassenen jüdischen Mitarbeiter der Metallgesellschaft. Das hat für seine Verhaftung und Verschleppung ins Konzentrationslager gereicht. Die Familie erhielt nur mehr seine Urne. Die Trauerfeier für ihn hielt Pfarrer Martin Schmidt in der Dreikönigskirche. Weil Gestapo in den Kirchenbänken saß, las Pfarrer Martin Schmidt im Gottesdienst ausschließlich Verse aus der Bibel. Wer die Bibel kennt, wer Worte von Pfarrer Schmidt gelesen hat, weiß: Wer Ohren hatte zu hören, konnte hören, dass auch darin ein Bekenntnis für die Würde eines jeden Menschen lag.

Das Gedenken und die Erinnerung verpflichten uns, wach zu sein, uns für eine Gesellschaft einzusetzen, in der nicht uniformiert und aussortiert wird, sondern in der jeder Mensch egal welcher Herkunft, welchen Glaubens, jeder Mensch egal mit welchen Stärken und mit welchen Schwächen das Recht hat, ohne Angst frei zu leben. Ich danke Ihnen.

Gebet von Rabbiner Andy Steiman

Wenn Rabbiner Steiman bei uns wäre, würde er sagen:

„Durch das Gedenken sollen diejenigen wieder dazugehören, die einst von hier gewaltsam verjagt wurden. Wir wollen uns die Hände reichen und einen Kreis um diese Steine bilden – um die Seelen, die hier einmal wirkten, wieder in unsere Mitte aufzunehmen. Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten. Wir trauern um sie – und um den Verlust, welchen wir uns selbst erst mit ihrem Ausschluss und dann mit dem Vergessen darüber zugefügt haben.“

^ Zum Seitenanfang

Stolpersteinverlegung für Klara Lehr
Schönstraße 6, F-Gutleut
4. Juni 2011, 12.00 Uhr
Ansprache von Pfarrer Martin Vorländer

Klara Lehr

Klara Lehr kommt aus einer jüdischen Familie und stand in Verbindung zur Dreikönigskirche, da ihre Tochter Margarete (Gretel) Lehr evangelisch getauft war. Klara arbeitet seit Juni 1929 als Platzanweiserin beim Neuen Theater; als Jüdin verliert sie im Juni 1938 ihren Arbeitsplatz nach der Übernahme des Privattheaters durch die Stadt Frankfurt, da sie den Ariernachweis nicht erbringen kann. Anschließend ist sie bis 1940 in diversen kurzfristigen Arbeitsverhältnissen unter anderem bei den Firmen „Messmer“, „Dweinig“, „Henry Faber“, „Dauba“, „Telefonbau und Normalzeit“ und „Hartung“ sowie der Heeresstandortverwaltung erwerbstätig.

Stolpersteinverlegung für Klara Lehr

Nach mehrmonatiger Krankheit Anfang 1940 ist Klara Lehr seit Juli 1940 Rentnerin. Nach dem November-Pogrom 1938, bei dem die Möbel der Familie Lehr demoliert und aus dem Fenster geworfen wurden, wird ihnen ihre Mietwohnung gekündigt. Gegen Klara Lehr wird am 4. Dezember 1939 ein Strafbefehl über 50 Reichsmark beziehungsweise zehn Tage Gefängnishaft erlassen, weil sie den diskriminierenden Zwangsnamen „Sara“ weder bei der Ortspolizeibehörde noch beim Standesamt hatte eintragen lassen.

Im Juli 1943 wird sie von der Gestapo verhaftet, am 30. Juli 1943 in das Polizeigefängnis Frankfurt eingeliefert (Gefangenennummer 5021) und von dort am 31. Januar 1944 in das Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz verschleppt. Dort kommt Klara Lehr laut Sterbeurkunde des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Mai 1944 angeblich an Herzschlag zu Tode.

Ein Psalm zum Gedenken an Klara Lehr

Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Dann wird man sagen unter den Heiden:
Der HERR hat Großes an ihnen getan!
Der HERR hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.
HERR, bringe zurück unsre Gefangenen,
wie du die Bäche wiederbringst im Südland.
Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und streuen ihren Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.

Gebet von Rabbiner Andy Steiman

Wenn Rabbiner Steiman bei uns wäre, würde er sagen:

„Durch das Gedenken sollen diejenigen wieder dazugehören, die einst von hier gewaltsam verjagt wurden. Wir wollen uns die Hände reichen und einen Kreis um diese Steine bilden – um die Seelen, die hier einmal wirkten, wieder in unsere Mitte aufzunehmen. Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten. Wir trauern um sie – und um den Verlust, welchen wir uns selbst erst mit ihrem Ausschluss und dann mit dem Vergessen darüber zugefügt haben.“

^ Zum Seitenanfang

Stolpersteinverlegung für Gertrud und Siegmund Gotthelf
Böhmerstraße 4, F-Westend
4. Juni 2011, 15.35 Uhr
Ansprache von Pfarrer Martin Vorländer

Gertrud (*1886 + 1945) und Siegmund Gotthelf (*1880 + 1942)

Gertrud war jüdischen Glaubens. Ihre Tochter aus erster Ehe, Friedel Garbe, war in der Dreikönigskirche evangelisch getauft. Gertrud war in zweiter Ehe mit dem jüdischen Vertreter Siegmund Gotthelf verheiratet, der bis 1936 für die „Berlin-Gubener Hutfabrik“ arbeitete.

Im Zusammenhang mit dem November-Pogrom wird S. Gotthelf im Konzentrationslager Dachau vom 10.11. bis 21.12. 1938 inhaftiert. Das Ehepaar muss eine „Judenvermögensabgabe“ in Höhe von 11.000 Reichsmark zahlen.

Am 19. Oktober 1941 wird Sigmund Gotthelf im Alter von 61 Jahren zusammen mit seiner Ehefrau bei der ersten großen Deportation aus Frankfurt in das Ghetto Lodz verschleppt, wo er acht Monate später stirbt. Das Todesdatum seiner Frau, die als verschollen gilt, wird auf den 8. Mai 1945 festgesetzt.

Einer Tochter aus dieser 2. Ehe von Gertrude, die 1924 in Frankfurt geboren wird, gelingt 1939 mit einem Kindertransport die Flucht nach England. Sie lebt heute in Kanada.

Stolpersteine gegen das Vergessen

Als Pfarrer spreche ich für die evangelische Dreikönigsgemeinde Sachsenhausen. Sachsenhausen. Ein charmanter Stadtteil in Frankfurt am Main, dribbdebach, mit geschäftstüchtiger Schweizer Straße und liebenswert-lebhaften engen Gassen.

Sachsenhausen. Ein Ortsteil von Oranienburg, nördlich von Berlin, ab 1936 mit Konzentrationslager. Ausbildungsort für KZ-Kommandanten und Bewachungspersonal im ganzen damaligen Deutschen Reich, mit Massenerschießungsanlage.

Zweimal Sachsenhausen. Die Namensgleichheit ist Zufall. Doch kann der Zufall zeigen: In der Hitlerzeit lagen Normalität und Massenmord, Zivilisation und Wahnsinn nahe beieinander. Es geschah nicht nur weit weg in Auschwitz, Majdanek oder Theresienstadt. Es ist hier geschehen, in unseren Straßen. Hier wohnten Menschen, die abgeholt und in den Tod deportiert wurden, nachdem man ihnen zuvor ihre Rechte, Beruf, soziale Stellung, Vermögen und Familie genommen hatte. Der Lebens- und Leidensweg des Ehepaar Gotthelf vermittelt eine Ahnung davon, wie Menschen aus ihrem ganz normalen Leben herausgerissen und der totalen Schutzlosigkeit preisgegeben wurden. Die Zeitzeugin Marlies Flesch-Thebesius, die 1935 in unserer Dreikönigskirche konfirmiert, erzählte unseren heutigen Konfirmanden: „Alle hatten ständig Angst. Und diese Angst habe ich nie ganz verloren.“

1942, im Todesjahr von Siegmund Gotthelf, machte die Evangelische Landeskirche von Nassau-Hessen eine schreckliche Erklärung. Zitat: „Von der Kreuzigung Christi bis zum heutigen Tage haben die Juden das Christentum bekämpft oder zur Erreichung ihrer eigennützigen Ziele missbraucht und verfälscht.“ Zitat Ende. Mit solchen Worten hat unsere Kirche schwerste Schuld auf sich geladen. Sie hat Judenhass mit geschürt und befeuert. Damit hat sie sich den vermeintlichen Herrenmenschen gebeugt und den Herrn der Kirche, Jesus Christus verraten, an dessen Kreuz geschrieben stand: „INRI – Jesus von Nazareth, König der Juden.“ Die Dreikönigskirche, zu der die Gotthelfs Verbindung hatten, war eine aufrechte Ausnahme: Hier erlebten Bedrängte und Verfolgte einen Geist, der dem mörderischen Zeitgeist der Nationalsozialisten entgegenstand. Das sei für uns Verpflichtung: Lasst uns, wo immer unser Platz im Leben ist, an einer Gesellschaft mitwirken, in der jeder Mensch ohne Angst frei leben kann! Ich danke Ihnen.

Gebet von Rabbiner Andy Steiman

Wenn Rabbiner Steiman bei uns wäre, würde er sagen:

„Durch das Gedenken sollen diejenigen wieder dazugehören, die einst von hier gewaltsam verjagt wurden. Wir wollen uns die Hände reichen und einen Kreis um diese Steine bilden – um die Seelen, die hier einmal wirkten, wieder in unsere Mitte aufzunehmen. Von nun an sollen sie wieder in unserer Mitte sein – wo sie eben waren, bevor sie von hier aus ihren Leidensweg gehen mussten.Wir trauern um sie – und um den Verlust, welchen wir uns selbst erst mit ihrem Ausschluss und dann mit dem Vergessen darüber zugefügt haben.“

^ Zum Seitenanfang