Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Prädikantin Ursula Schmidt: Laetare - Johannes 6, 55 – 65 Jesus geht uns in Fleisch und Blut über

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'Weißbrot mit Kartoffeln
', 2009, L.Kenzel

Laetare

Jesus geht uns in Fleisch und Blut über Johannes 6, 55 – 65

Predigt gehalten von Prädikantin Ursula Schmidt am 03. April 2011 in der Bergkirche und im Kirchsaal Süd

GNADE SEI MIT EUCH UND FRIEDE VON GOTT, UNSEREM VATER UND SEINEM SOHN JESUS CHRISTUS

Der heutige Sonntag heißt LAETARE - „Freue dich“.
Ist es nicht unpassend sich zu freuen“ – mitten in einer Zeit, die geprägt ist von Revolten, Kriegen und Natur- und Atomkatastrophen, wo Schreckensbilder aus Afrika, dem Vorderen Orient und besonders die Katastrophen in Japan uns verfolgen und quälen.
Ist es nicht unpassend, diesen Sonntag „Freue dich“ zu nennen - mitten in der Passionszeit, die doch eigentlich eine stille Zeit sein sollte?
In einer Zeit, in der sich viele Menschen Verzichts- oder Fastenaktionen anschließen – darf man sich da freuen?
Dass der Name LAETARE in der Geschichte der Kirche eine lange Tradition hat, dass man an diesem Sonntag sogar im Hinblick auf die Ereignisse an Palmsonntag und bei der Auferstehung Christi von einem „kleinen Osterfest“ spricht, dass die katholische Kirche heute die Passions-paramente violett auf rosa umstellt, beantwortet das schon die Frage?

Wenn wir den Predigttext, der für heute vorgeschrieben ist, betrachten, kommen wir der Ursache von LAETARE näher:
In Johannes 6, 55 – 65 heißt es:

Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank.
Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.
Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich lebe um des Vaters willen, so wird auch, wer mich isst, leben um meinetwillen.
Dies ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Es ist nicht wie bei den Vätern, die gegessen haben und gestorben sind. Wer dies Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.
Das sagte er in der Synagoge, als er in Kapernaum lehrte.
Viele nun seiner Jünger, die das hörten, sprachen: Das ist eine harte Rede; wer kann sie hören?
Da Jesus aber bei sich selbst merkte, dass seine Jünger darüber murrten, sprach er zu ihnen: Ärgert euch das?
Wie, wenn ihr nun sehen werdet den Menschensohn auffahren dahin, wo er zuvor war?
Der Geist ist's, der lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben. Aber es gibt einige unter euch, die glauben nicht. Denn Jesus wusste von Anfang an, wer die waren, die nicht glaubten, und wer ihn verraten würde.
Und er sprach: Darum habe ich euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn vom Vater gegeben.

Beim Hören dieses Predigttextes wird es nicht nur den Konfirmandinnen und Konfirmanden, sondern den meisten von uns, mich eingeschlossen, ähnlich gehen wie den Jüngern Jesu. „Das ist eine harte Rede,“ sagen sie, „Wer kann sie hören?“
Salopper ausgedrückt sagen die Jünger: „Das ist voll krass, wer soll denn das raffen?“
Und nicht nur das - „die Jünger murrten“ über das, was Jesus sagt.
Sie mäkeln, sie meckern, sie maulen, und sie nörgeln an Jesus herum.
Was ist denn mit dem los? Was redet der denn für einen Unsinn?!
Das kann doch kein Mensch verstehen!
Hier zeigt sich weder ein vorbildliches Lehrer – Schüler – Verhältnis noch ein friedliches, andächtiges Miteinander eines bewunderten Guru und seiner begeisterten Fangemeinde, die ihr Idol kritiklos anbetet.
Hier sehen wir die Realität: Jesus redet in Gleichnissen, die nicht nur schwer zu verstehen, sondern für die Jünger sogar unverständlich sind.

Und wie ist es mit uns? Verstehen wir, was Jesus meint, wenn er sagt:

„Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.“

Die meisten von uns haben diese Worte schon oft gehört, besonders im Zusammenhang mit dem Abendmahl, aber haben wir sie auch wirklich verstanden?
Und mehr noch: haben diese Worte eine realistische Bedeutung in unserem Leben?
Wie deuten unsere Mitmenschen diese Sätze, die mit der Kirche nichts zu tun haben wollen, oder ein Konfirmand, der sozusagen erst am Anfang seiner Karriere als Kirchenmitglied steht?
Was halten andere Religionen von diesen Sätzen?
Sicher haben auch Sie schon von dem Vorwurf der Moslems gehört, wir Christen seien Kannibalen, weil wir angeblich das Fleisch unseres Gottes essen und sein Blut trinken.

'Vermehrung der Brote und Fische', 1979 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Vermehrung der Brote und Fische', 1979 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

Versuchen wir, uns der Bedeutung dieser so schwer verständlichen Worte anzunähern, ohne dass daraus gleich eine theologische Vorlesung wird.
Die Begriffe „FLEISCH“ und „BLUT“ sind in der Bibel Inbegriffe für das Leben, sie verkörpern das Wesen der Lebendigkeit.
Wenn also wir also, wie Jesus es ausdrückt, sein Fleisch essen und sein Blut trinken,
dann wird uns Jesus ganz lebendig – oder salopp ausgedrückt
dann geht uns Jesus quasi in Fleisch und Blut über,
dann werden wir erst richtig lebendig, dann wissen wir erst, was wahres Leben ist,
dann können wir ohne Jesus Christus nicht leben, denn Jesus zeigt neue Maßstäbe für unser Leben auf, an denen wir uns orientieren können, so dass wir nicht ständig unser Leben neu entwerfen müssen.
In unserem Predigttext beschreibt sich Jesus als Sohn Gottes mit dem Bild des Brotes, „das vom Himmel gekommen ist“.

Für die Älteren von Ihnen ist Brot sicher noch etwas Besonderes, vielleicht sogar etwas Heiliges. Sie wissen um den Wert des Brotes. Sie würden Brot nicht einfach wegwerfen, ja, es tut Ihnen weh, wenn jemand Brot missachtet und es wegwirft.
Sie haben Zeiten erlebt, als Brot knapp wurde, als Brot mit Brotmarken rationiert wurde, als Brot nicht mehr zu haben war.
Deshalb können Sie auch heute Brot nicht einfach wegwerfen, auch dann nicht wenn es alt und hart geworden ist.
Jüngere Generationen in unserem Land haben diese Erfahrungen des Hungerns in der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht gemacht.

Heute gibt es bei uns Brot im Schnellbackverfahren, Brot, das nur schmeckt, wenn es frisch ist, so als programmiere man es zum Wegwerfen.
Es gibt Brot, das man mit dem Kalorienzähler einkauft, weil Brot ja dick machen könnte.
Es gibt ausgefallene Spezialbrote, die in Bäckereien verkauft werden, die sich BrotBOUTIQUE nennen; denn Brot als Grundnahrungsmittel scheint für den Feinschmecker zu simpel und primitiv.
Deutschland rühmt sich, das Land zu sein, das die meisten Brotsorten produziert, - und gleichzeitig gehört Deutschland unrühmlicher weise auch zu den Ländern, wo das meiste Brot weggeworfen wird.

In dem Predigttext, der uns für den heutigen Sonntag LAETARE vorgeschrieben ist,
bezeichnet sich Jesus als „Brot, das vom Himmel gekommen ist.“.

Das Johannesevangelium berichtet, wie Jesus kurz vorher 5000 Menschen satt gemacht hat. Das Wunder der Speisung der 5000 hat die Menschen so begeistert, dass sie von ihm noch mehr Wunder sehen wollen.
Sie sehen in Jesus einen faszinierenden und magischen Wundertäter, aber sie sehen Jesus nicht als Sohn Gottes.
Bei der Speisung der 5000 sieht Jesus die natürliche Notlage der Menschen: sie sind hungrig, aber er sieht noch tiefer, er sieht mehr als ihren Hunger.
Jesus lehrt, dass der Hunger der Menschen nicht nur eine rein körperliche Angelegenheit ist, sondern über das rein Körperliche hinausgeht.
Jesus weiß, dass Hunger etwas ist, das die GANZE EXISTENZ des Menschen erfasst.

Kennen wir nicht alle solche Hungergefühle?
Kennen wir nicht alle einen Hunger nach Dingen, der nicht mit Nahrungsaufnahme gesättigt werden kann.
Jeder von uns hat nicht nur körperlichen, sondern geistigen Hunger – jeder auf eine andere ganz persönliche Art.
Denken wir z. B. an die Begriffe „Lebenshunger“ oder „Machthunger“. Diese Art Hunger geht über das körperliche Hungrig Sein hinaus, dieser Hunger aber eher Gier und Sucht.

Von einer anderen Art Hunger aber sind wir alle mehr oder weniger betroffen, wir alle sind hungrig nach Wertschätzung, nach Anerkennung, nach Liebe.

'Croissant plněný čokoládou', 2008,  Dezidor

Vor einiger Zeit traf ich einen Bettler mit einem Schild, auf dem gut sichtbar stand „Ich habe Hunger!“
Sicher sind Sie alle schon solchen Menschen begegnet.
Der Mann saß aber nicht auf der Straße, wo ich so tun konnte, als hätte ich ihn nicht gesehen, dieser Mann saß direkt neben dem Eingang eines Supermarktes, in dem ich einkaufen wollte. Ich musste also direkt an ihm vorbei.
Als ich ihn fragte, ob ich ihm etwas zu essen mitbringen könnte, gab er eine überraschende Antwort, über die ich später lange nachdenken musste.
Der Mann mit dem Schild „Ich habe Hunger“ sagte nämlich: „Ja, Schoko-Croissants!“
Ich war so verblüfft, dass ich ihm ohne Erwiderung die Croissants kaufte.
Zuerst hielt ich den Bettler für unverschämt, denn jemand, der Croissants statt Brot wollte, konnte meiner Meinung nach nicht wirklich hungrig sein.
Aber war mein Urteil richtig - oder war es eine leichtfertige Verurteilung?
Hatte der Mann nicht vielleicht eine Art Hunger verspürt, die über seinen körperlichen Hunger hinausging? War er vielleicht nach etwas anderem hungrig?
Und bin ich ihm nicht etwas schuldig geblieben, obwohl ich ihm seinen „Hunger“ mit Schoko-Croissants gestillt hatte?

Wenn Jesus Christus von sich als „Speise“ und „Brot“ redet, weist er auf eine neue Sicht von „Hunger“, er eröffnet er uns neue Perspektiven.
Er weiß, dass wir Menschen mehr brauchen als tägliche Nahrung.
Wenn sich Jesus als „Brot, das vom Himmel gekommen ist.“ bezeichnet, weist er uns über unsere täglichen Bedürfnisse des Essens hinaus, er richtet unseren Hunger auf das eigentliche Fundament und Ziel unseres Lebens hin, nämlich dass das Leben erst dann einen Sinn hat, wenn wir ein neues Verhältnis zu Gott finden.
Dass wir erst dann wirklich leben, erst dann auch lebendig für andere werden.
Und was uns lebendig macht, ist das Leben und Sterben Jesu Christi für uns – oder wie der Evangelist Johannes es ausdrückt – „Wer dies Brot isst, der wird leben in Ewigkeit“.

Wenn wir heute das Abendmahl feiern, wird uns dies besonders anschaulich: wir dürfen schon hier und jetzt und mit allen, die uns im Glauben vorausgegangen sind, einen Vorgeschmack des ewigen Lebens erleben.
„Wer dies Brot isst, der wird leben in Ewigkeit“. Das ist die Verheißung, dass unser Leben nicht mit dem Tod endet, sondern dass wir für die Ewigkeit vorgesehen sind.

'Detailansicht einer Weizenähre (Triticum L.)', 2000, 3268zauber

Diese Verheißung richtet unser Leben und auch unser Sterben aus zum LEBENDIG WERDEN.
Der Glaube an Christus als „Brot, das vom Himmel gekommen ist.“ macht uns erst wahrhaft lebendig in unserem persönlichen Leben, in unserem Handeln und in unserem Sterben.

Diesen Glauben an das EWIGE LEBEN durch Christus als BROT des Lebens können wir nicht verdienen durch unser moralisches Verhalten oder unser ethisches Bemühen.
Glauben an die Existenz des ewigen Lebens durch Christus als Brot des Lebens können wir nur geschenkt bekommen - oder wie der Evangelist Johannes es ausdrückt:
„Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn vom Vater gegeben.“
Gott ist uns ganz nahe gekommen - in unsere Welt, in unseren Alltag.

Gott will uns zu sich ziehen, indem er seinen Sohn in unsere Welt geschickt und ihn für uns geopfert hat. Damit hat er sich in Ewigkeit mit uns verbunden und uns ewiges Leben verheißen.

Das ist nicht nur Grund zur Dankbarkeit, das ist Grund zur FREUDE !
Und diese Freude ist keine bloße Festtagsfreude, die sich auf die hohen kirchlichen Feste wie Ostern, Pfingsten und das Christfest beschränkt. Diese Freude sprengt alle Grenzen.
Auch und gerade an LAETARE - mitten in der Passionszeit - dürfen wir uns freuen, dass Gott uns den Glauben an ihn schenken will.
Wir dürfen uns heute, an „Kleinostern“, freuen über die Gewissheit, dass Jesus Christus der Messias ist, dass Jesus Christus das BROT der Welt und das BROT unseres Lebens ist.
Wir dürfen uns freuen, dass dieses Brot uns in Wort und Sakrament wahrhaft sättigen will und uns Wege zum wirklichen Leben zeigt.

Wir dürfen uns freuen, dass Jesus für uns gestorben ist, damit wir leben können – hier auf Erden und in Ewigkeit

In Anlehnung an den Wochenspruch (aus Johannes 12): "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht." werden Sie heute beim Ausgang ein Tütchen mit Weizenkörnern erhalten.
Wenn Sie sie aussäen, werden Sie an Ostern das Wunder des Lebendig Werdens in Form von Ostergras schauen können.

UND DER FRIEDE GOTTES, DER ALLE DIMENSIONEN UNSERES DENKENS ÜBERSTEIGT, MACHE UNSERE HERZEN UND SINNE IN JESUS CHRISTUS LEBENDIG HIER UND IN EWIGKEIT. Amen

Die Photographie 'Weißbrot mit Kartoffeln', 2009, L.Kenzel, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, 2.5 Generic, 2.0 Generic und 1.0 Generic license.
Die Photographie 'Croissant plněný čokoládou', 2008, Dezidor, ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported lizenziert.
Die Photograppie 'Detailansicht einer Weizenähre (Triticum L.)', 2000, 3268zauber" title="'Croissant plněný čokoládou', 2008, Dezidor, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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