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Predigten von Prädikantin Ursula Schmidt: Letzter Sonntag nach Epiphanias: Der brennende Dornbusch

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'Der brennende Dornbusch', PSch

Letzter Sonntag nach Epiphanias

Der brennende Dornbusch

Predigt gehalten von Prädikantin Ursula Schmidt am 13. Februar 2011 in der Dreikönigskirche

GNADE SEI MIT EUCH UND FRIEDE VON GOTT, UNSEREM VATER, UND UNSEREM HERRN JESUS CHRISTUS!

Viele Feste des Kirchenjahres sind tief in unserem Bewusstsein verwurzelt. Sie haben schon Generationen vor uns geprägt und nehmen auch heute noch im Lauf eines jeden Lebens eine ganz besondere Stellung ein.
Weihnachten, das nur wenige Wochen hinter uns liegt und längst so weit weg scheint, ist ein solches Fest, das trotz aller Veränderungen unserer Zeit für Jung und Alt nach wie vor wichtig ist.
Leider haben wir Christen es zugelassen bzw. es nicht verhindert, dass viele kirchliche Feste seit Jahrhunderten kommerzialisiert und dadurch verfälscht worden sind. Wie Weihnachten, so ist auch Ostern fest in den Händen der Werbung und des Konsums, die Osterhasen sind bereits seit einigen Wochen auf dem Marsch durch die Supermärkte.

Es gibt aber auch Feste im Kirchenjahr, die zwar äußerst beliebt sind, weil sie öffentliche Feiertage sind und wir nicht arbeiten müssen, mit denen wir aber selbst als Christen so unsere Schwierigkeiten haben, wie z.B. Christi Himmelfahrt oder Pfingsten.

Und dann gibt es Feste im Kirchenjahr, mit denen wir inhaltlich in der Regel noch weniger anfangen können als mit Himmelfahrt und Pfingsten. Dazu gehört Epiphanias.
Kaum jemand weiß so genau, welche Bedeutung dieses Fest im Kirchenjahr hat; und einen wirklichen Platz in unserem Leben hat Epiphanias meist auch nicht. Unser Problem mit Epiphanias beginnt schon mit der Frage, wie man eigentlich Epiphanias richtig schreibt.
In diesem Kalenderjahr haben wir sogar den seltenen Fall, dass es sechs Sonntage nach dem Epiphaniasfest gibt, und den letzten Sonntag nach Epiphanias feiern wir heute. Grund genug also, um heute noch einmal Epiphanias unter die Lupe zu nehmen: Was genau bedeutet „Epiphanias“ eigentlich?

Wörtlich übersetzt heißt Epiphanias „Erscheinung“ – und gemeint ist die Erscheinung Gottes in Jesus - , Gott zeigt sich den Menschen. Er lässt Menschen seine Herrlichkeit schauen.
Dass sich Gott uns zeigt, ist wichtig für uns, ja, es ist lebenswichtig! Freuen wir uns, dass wir die Epiphaniaszeit haben! Denn was für eine Bedeutung hätte Gott für unser Leben, wenn er sich uns Menschen nicht zeigen, wenn er fern und distanziert bleiben würde?
Das Ephiphaniasfest, das am 6. Januar gefeiert wird, hat schon vom Namen her für unsere Gemeinde eine ganz besondere Bedeutung, denn dieser Tag wird im Volksmund „Dreikönig“ genannt.
Das Sichtbarwerden Gottes offenbarte sich den Weisen aus dem Morgenland zuerst im Licht des Sternes, der sie auf ein außergewöhnliches Ereignis hinweist, und dann im Kind in der Krippe.
Die Geschenke, die die Weisen diesem Kind mitbringen, bezeugen die göttliche Herrlichkeit des Kindes: Gold als Zeichen für den König, Weihrauch, der bei der Anbetung des wahren Gottes eingesetzt wird, und Myrrhe, die symbolisiert, dass Gott in seinem Sohn die Sterblichkeit angenommen hat.
Die Weisen erleben, dass dieses unscheinbare Kind in der Krippe Ausdruck der göttlichen Herrlichkeit ist, und das erfüllt sie, wie es der Evangelist Matthäus beschreibt, mit großer Freude.

'Hochzeit zu Kana', Psch

Die staunende, ehrfürchtige Freude über die Herrlichkeit Gottes ist der Tenor, ist die Grunderfahrung der Menschen, die Gott in Jesus schauen. Alle Sonntage nach dem Epiphaniasfest, ihre Anzahl richtet sich nach dem kalendarischen Osterfest, feiern diese Freude über das Sichtbarwerden Gottes in Jesus, es ist eine Freude, die sich von Sonntag zu Sonntag steigert.

Erinnern wir uns.
Am 1. Sonntag nach Epiphanias geht es um die Taufe Jesu. Gott zeigt sich in der Stimme vom Himmel, die bestätigt, dass Jesus sein Sohn ist. (Auch in der Taube, der von Himmel herabsteigt: als Zeichen für den Geist Gottes)
Am 2. Sonntag nach Epiphanias denken wir an das erste Wunder Jesu, als er bei der Hochzeit zu Kana Wasser in Wein verwandelt. Wein ist hier Ausdruck der Freude.
Der 3. Sonntag nach Epiphanias fokussiert die ehrfürchtige Reaktion eines mächtigen römischen Hauptmanns, der bekennt, es nicht wert zu sein, dass Jesus in sein Haus kommt, um seinen Knecht zu heilen.
Am 4. Sonntag nach Epiphanias steht bei der Stillung des Sturms das Sichtbarwerden der göttlichen Macht Jesu über die Naturgewalten im Mittelpunkt.
Dem 5. Sonntag nach Epiphanias liegt ein Gleichnis Jesu zugrunde, das beschreibt, wie er am Ende aller Zeiten als Sohn Gottes im Himmel regiert und angebetet wird.
Der Höhepunkt der Sichtbarwerdung Gottes in Jesus wird heute, am letzten Sonntag nach Epiphanias gefeiert. Wir haben den Bericht von der Verklärung Jesu vorhin bei der Lesung des Evangeliums gehört.

Und auch in unserem Predigttext, der für heute vorgeschlagen ist, geht es um eine Epiphanie Gottes im Alten Testament, es geht darum, wie Gott sich Mose zum ersten Mal zeigt. Aus dem 2. Buch Mose hören im 3. Kapitel die Verse 1 bis 12:

Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb.
Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde.
Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt.
Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.
Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!
Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter.
Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Not gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.
Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?
Er sprach: Ich will mit dir sein.

'Mose und der brennende Dornbusch', 2008

Die Geschichte der Berufung des Mose ist gigantisch, zahllose Generationen von Theologen und Predigern – jüdische wie christliche – haben Deutungsversuche verfasst, mit denen man unzählige Bibliotheken bestücken könnte.
Dem gegenüber müsste ich eigentlich in Ehrfurcht erstarren und keinen eigenen Gedanken mehr wagen, sondern Ihnen, mehr oder weniger geschickt, die wissenschaftlichen Forschungen präsentieren.
Ihre und meine theologischen Kenntnisse werden dann vielleicht zunehmen, aber werden sie auch alltagstauglich verwertbar sein?
Nähern wir uns lieber den Ereignissen dieser Erscheinung Gottes so, wie es Mose tat: mitten im Alltag, neugierig darauf, was da geschieht.

Denn vielleicht sind wir uns am Anfang des Geschehens gar nicht so unähnlich.
Natürlich ist wohl keiner von uns hier ein jähzorniger Totschläger wie Mose, der aus Ägypten fliehen musste, um nicht selbst getötet zu werden.
Aber geht es uns tatsächlich so viel anders als Mose?
Haben wir nicht manchmal ähnliche Empfindungen wie Mose, dass wir uns gehetzt und verfolgt fühlen, gefangen von schlimmen Erinnerungen - vielleicht von unserer Vergangenheit -, oder versklavt von Ängsten in Schule und Beruf oder eingeengt von der Furcht vor unserer Zukunft?
Ich glaube, ein Teil von Mose steckt immer wieder in uns allen, egal, wie jung oder alt wir sind.

Erinnern wir uns: Mose hatte Privilegien am Hofe des Pharao gehabt.
Als Baby wird er aus Not von seiner israelitischen Mutter ausgesetzt, im Schilf, quasi in einer antiken Babyklappe - denn er wird wirklich gerettet, sogar von einer ägyptischen Prinzessin. Mose kommt gleich von ganz unten nach ganz oben. Als junger Mann bekommt er eine Art Managerposten: der Pharao hatte ihm die Oberaufsicht über die israelitischen Fremdarbeiter übertragen. Es fehlt Mose an nichts, es geht ihm gut - bis zu dem verhängnisvollen Tag, als er einen Ägypter erschlägt, der einen Israeliten gequält hatte. Und um der Todesstrafe durch den Pharao zu entgehen, flieht Mose aus Ägypten und hütet später die Schafe seines Schwiegervaters. Er stürzt von ganz oben nach ganz unten: ein ziemlich trauriges Ende einer verheißungsvollen Karriere.
Und mitten in der mehr oder weniger bedeutungslosen Alltagsroutine des Mose, mitten in seinem einfachen unspektakulären Dasein als Viehhirt begegnet Mose eines Tages einem Wunder:
Mose sieht eines Tages einen Dornbusch, der lichterloh brennt und doch nicht verbrennt.
Und mehr noch: die Flamme des brennenden Dornbuschs erscheint Mose als Engel, als Bote Gottes. Und als ob das allein schon seltsam genug wäre, es ist doch nur die Einleitung des eigentlichen Wunders.
Als Mose nämlich neugierig näher kommt, um nachzuforschen, um dem seltsamen Phänomen auf den Grund zu gehen, ereignet sich noch Größeres: Moses erlebt sein ganz persönliches Epiphanias: Gott offenbart sich Mose im Feuer, Moses darf Gottes Herrlichkeit in einem Feuer schauen, das lodernd brennt und doch nichts verbrennt.

'Moses and the Burning Bush', 1890, illustrators of the 1890 Holman Bible

Das Feuer des brennenden Dornbuschs ist Symbol für Gott. Immer wieder wird Gott in der Bibel mit einem Feuer verglichen. „Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“ heißt es sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Gott ist wie ein Feuer, das lodernd brennt und letztendlich doch nicht auf unwiderrufliche Vernichtung aus ist. Gott wird mit einem Feuer verglichen, dessen scheinbar zerstörerische Urgewalt auch schöpferisch Neues ins Leben rufen kann.

Diese scheinbar gegensätzliche Wirkung des Feuers: das katastrophale Resultat eines Feuers: alles erschreckend verkohlt und verbrannt, schwarzer beißender Rauch - und dann dicht daneben: vorsichtige Anzeichen der Hoffnung, neues Leben, grüne Sprösslinge zwischen scheinbar toten Pflanzen und Bäumen das habe ich mehrmals während unserer Reisen in den USA beobachten können.
Die Biologen reden sogar von der Notwendigkeit des Feuers, weil sich nur dadurch die Natur wieder regenerieren kann.

Der unfassbare unbegreifliche Gott erscheint Mose in einem solchen Feuer, das den Dornbusch anzündet, aber ihn doch nicht verbrennt.
Nicht jedem von uns erscheint Gott so unmittelbar wie dem Mose. Nicht jeder von uns kann Gott so deutlich schauen.
Wir kennen oft nur die Naturbilder des Feuers in der Schöpfung, Mose aber erlebt diese Epiphanie, diese Erscheinung Gottes ganz konkret. Diese Epiphanie, diese Begegnung ist irgendwie direkt auf Mose zugeschnitten:
zuerst macht Gott Mose neugierig, er ruft ihn zu sich, er gibt sich ihm zu erkennen, er spricht ihn an und er beruft ihn. Gott beruft Mose als denjenigen, der die Israeliten aus der Versklavung in Ägypten herausführen wird.
Gott hört sich auch die Bedenken des Mose an, dieser gewaltigen Aufgabe nicht gewachsen zu sein, aber verspricht Mose. „Ich will mit dir sein.“

Gott offenbart sich dem Mose im brennenden Dornbusch, und diese Offenbarung verknüpft er mit der großen doppelten Verheißung, nämlich mit der Berufung des Mose und der Befreiung seines Volkes.

In dieser Epiphanie Gottes auf dem Berg Horeb zeigt sich Gott einem Mann, der alles andere als vorbildlich ist, aber dennoch beruft er gerade diesen problematischen Menschen dazu, sein Volk Israel aus Ägypten in eine neue verheißungsvolle Zukunft zu führen.

Zwar werden wir in unserem Leben kaum eine so spektakuläre Sicht auf Gott erleben, in den wenigsten Fällen werden wir Gott auf eine so sensationelle Art schauen können wie Mose.
Und doch gibt es weitere Ähnlichkeiten zwischen Mose und uns: Auch wir sind wie Mose in der Regel keine vorbildlichen Menschen. Wer von uns hat keine unproblematische Geschichte?
Wer von uns wäre nicht skeptisch, wenn sich Gott in einem Wunder mitten in unserem Alltag schauen ließe?
Wer von uns hätte keine Bedenken, wenn Gott uns heute berufen würde?

Es kann aber auch sein, dass sich in unserem Leben kein solch spektakuläres Wunder ähnlich dem des brennenden Dornbuschs ereignen wird.
Es kann sein, dass sich das Schauen auf Gott im Lauf unseres Lebens eintrübt, dass es sich verzerrt, ja womöglich unklar bleibt.
Es kann sogar sein, dass wir es aushalten müssen, lange zu warten, bis Gott sich in unserem Leben zeigt, denn das Schauen Gottes ist nicht etwas, über das wir je nach Belieben verfügen können.

'A cross made by burning candle', 2009, Marius Aune

Nicht jeder von uns erlebt immer ein ganz persönliches Schauen auf Gott.
Aber wir alle dürfen immer wieder die Freude der Epiphaniaszeit feiern: eine Zeit im Kirchenjahr, die uns die Tatsache bezeugt,
dass unser Gott kein distanzierter Gott ist, sondern ein Gott, der im Alten Testament den Abglanz seiner Herrlichkeit seinem Volk offenbart hat,
ein Gott, der im Neuen Testament in seinem Sohn sichtbar geworden ist, um uns Menschen nahe zu sein,
ein Gott, der uns verheißt , dass wir alle ihn schauen dürfen, wenn nicht hier im Leben, so doch am Ende aller Zeiten.

Feiern wir den heutigen letzten Sonntag nach Epiphanias mit besonderer Freude!
Vertrauen wir darauf, dass Gott auch uns entzünden kann - so wie die Jünger, die auf dem Weg nach Emmaus von dem auferstandenen Jesus begleitet wurden. Möge uns ihre frohe Gewissheit geschenkt werden, dass auch wir es erleben: „Brannte nicht unser Herz“, es brennt, weil Gott durch seinen Sohn uns nahe ist.

A M E N !

Die Photographie 'A cross made by burning candle', 2009, Marius Aune, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Die Ikone 'Mose und der brennende Dornbusch', 2008 (Loca sancta-Ikone des 12. (13.?) Jahrhunderts), ist im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.
Die Abbildung 'Moses and the Burning Bush', 1890, illustrators of the 1890 Holman Bible, ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten. Dies gilt für US-amerikanische Werke, deren Urheberrecht erloschen ist, üblicherweise, weil ihre Erstveröffentlichung vor dem 1. Januar 1923 liegt.

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