Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Prädikantin Ursula Schmidt: 1.Kor. 13, 1 – 13 Gott = Liebe = Unvergänglichkeit

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Vorfastenzeit - Estomihi

Gott = Liebe = Unvergänglichkeit 1.Kor. 13, 1 – 13

Predigt gehalten von Prädikantin Ursula Schmidt am 14.02.2010

'Red Rose Cumba Meillandina', 2006, Libera

GNADE SEI MIT EUCH UND FRIEDE VON GOTT, UNSEREM VATER, UND UNSEREM HERRN JESUS CHRISTUS. A m e n !

Immer wieder gibt es alle möglichen Diskussionen um die Bibel.
Warum stehen bestimmte Texte in der Bibel?
Warum sind bestimmte Texte aus dem Kanon der Bibel ausgeschlossen?
Wer sind die Verfasser der Texte?
Wer hat sie bearbeitet?
Welche Texte sind Fälschungen?
Welche Texte sind keinesfalls wortwörtlich zu verstehen?
Welche Texte würde man heute als nicht jugendfrei bezeichnen?
Welche Texte sind im weitesten Sinn zu krass: zu zeitgebunden, zu ideologisch, zu drastisch, zu sexistisch, zu blutrünstig ?
Welche Texte sollte man besser aus der Bibel streichen?
Welche Texte sind unverzichtbar?
Welche Texte sind unvergänglich?

All diese Fragen und noch viele mehr werden von den verschiedenartigsten Menschen aus allen nur möglichen Motiven andiskutiert, durchdiskutiert und ausdiskutiert, nicht nur von Theologen.

Die Texte der Bibel sind auch immer wieder medienwirksam; sie lassen sich gut verkaufen. Die Film- und Fernsehindustrie macht seit eh und je gute Geschäfte damit, besonders dann, wenn sie die absurdesten Thesen zur Bibel aufgreift und diese provozierend verfilmt.

Seit einiger Zeit haben auch Filmstars, die nicht mehr so populär sind wie früher, entdeckt, dass man mit Texten aus der Bibel nicht nur Geld machen kann, sondern damit auch wieder ins Geschäft kommen könnte - am besten in fotogen-meditativem Look.
Die immer wieder neue Popularität der Bibel liegt nicht nur daran, dass die Bibel das am häufigsten verlegte und verkaufte Buch der Welt ist, sondern auch daran, dass die Bibel Texte enthält, die sogar von den Menschen akzeptiert und geschätzt werden, die wenig bis nichts mit der christlichen Religion oder mit der Kirche zu tun haben wollen, die im Grunde die Bibel eigentlich ablehnen.
Auch Gegner der Bibel erkennen manche Bibelstellen an, z. B. wegen ihrer Allgemeingültigkeit oder wegen ihrer poetischen Ausdrucksweise.

Eine solche beliebte und bewunderte Bibelstelle ist der für den heutigen Sonntag ESTOMIHI vorgeschlagene Predigttext. Und ich bin sicher, dass die meisten von Ihnen diesen Text kennen und lieben.
Hören wir, was der Apostel Paulus in seinem 1. Brief an die Gemeinde in der griechischen Stadt Korinth im 13. Kapitel schreibt:

Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.
Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,
sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,
sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.
Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.
Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.
Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.
Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Unzählige Male ist dieser Text im Laufe der Jahrhunderte vorgelesen worden. Unzählige Male ist dieser Text gewählt worden - als Tauf-, als Konfirmationsspruch, als Trautext, in Traueranzeigen oder Traueransprachen.
Unzählige Predigten sind über diesen Text gehalten worden, der in der Bibel unter dem Titel „Das Hohe Lied der Liebe“ steht.

'Red Rose', 2005, Bela Dona

Das Außergewöhnliche, das Besondere, das Merkwürdige und das Einmalige dieses „Hohen Liedes der Liebe“ ist die Tatsache, dass dieses Lied der Bibel sich weder zum banalen Schlager eignet noch sich als Ohrwurm abnutzt; dieses Lied kann man immer wieder hören, und dieses Lied hört sich immer wieder neu an!!
Und das, obwohl und vielleicht sogar weil sich alles um den Begriff „Liebe“ dreht, ein Begriff, der heutzutage oft so leichtfertig benutzt wird, dass er schon inflationär wirkt.
Denn viel zu häufig wird heute überall das Wort „Liebe“ in den Mund genommen.
„Ich liebe ihn oder sie“, das hört man ständig, ganz gleich, ob es sich dabei um Menschen, Tiere, Gegenstände oder eine Weltanschauung handelt „Ich liebe ihn oder sie ÜBER ALLES“ wird häufig im Brustton der Überzeugung behauptet... und das hält dann oft nur bis zum nächsten Lebensabschnittsbegleiter.
Wenn in dieser Weise „geliebt“ wird, dann kreist diese Liebe eigentlich nur um denjenigen, der behauptet zu lieben, dann ist diese Liebe mehr oder weniger egozentrisch und egoistisch.
Denn oft „lieben“ wir, weil Liebe ein so schönes Gefühl ist.
Oft „lieben“ wir, weil wir uns so gut dabei fühlen.
Oft „lieben“ wir, weil wir „zurück“ geliebt werden wollen.
Oft „lieben“ wir, weil wir etwas oder jemanden quasi besitzen oder beherrschen wollen.
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Solch eine Liebe hat - wenn wir ehrlich sind - immer mehr sich selbst als den anderen im Auge.
Und das ist nicht die Liebe, die Paulus beschreibt!

Bereits Sprache und Stil des Hohen Liedes der Liebe sind Hinweise darauf, dass diese Verse mehr sind als schöne Poesie!
Die Liebe, die Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth beschreibt, ist eine Liebe, die mehr ist als menschliche Sympathie, sie ist auch mehr als ein tiefes Gefühl.
Die Liebe, deren Eigenschaften der sonst eher nüchterne Paulus rühmt, hat in dem Gott des Christentums ihren Ursprung.
In den ersten drei Versen zählt Paulus Eigenschaften auf, die eigentlich nur charismatische Menschen haben, also Menschen mit einer ungewöhnlichen Ausstrahlungskraft.
Ich wäre froh, wenn ich auch nur eine dieser Qualitäten besitzen würde.
Und wer von uns wäre zum Beispiel nicht glücklich, wenn er eine besonders schöne und überzeugende Art hätte sich auszudrücken? Wenn er die Gabe hätte, weissagen zu können. Wenn er Zugang zu tiefen Weisheiten hätte. Oder wenn er einen so festen Glauben hätte, um damit buchstäblich Berge zu versetzen. Aber: Paulus hält alle diese Leistungen, ja sogar das Martyrium um des Glaubens willen für nichtig und für sinnlos, wenn dabei die Liebe fehlt.
Für Paulus ist die Vollmacht des Redens, die Vollmacht der Prophetie, die Macht der Wahrheit, die Macht des Glaubens, ja sogar die Macht des Martyriums ohne Liebe ohnmächtig.
Ohne Liebe, ohne die Verankerung in Gott - so Paulus - sucht der Mensch mit all diesen Eigenschaften und Handlungen im Grunde nur sich selbst und kreist in unendlichen Zirkeln um sich selbst.

Paulus beschreibt der Gemeinde in Korinth und uns heute bis ins Detail die Dinge, die die Liebe kennzeichnen.
Als positive Pole nennt er einerseits Langmut und Mut zur Geduld und andererseits Freundlichkeit und Güte.
Eigenschaften, die in unserer modernen Gesellschaft nicht nur altmodisch klingen, sondern die sogar gefährlich werden können.

Wenn man im Lexikon nach dem Begriff „Langmut“ sucht, findet man z.B. als Erklärung „Schafsgeduld“. Diese geringschätzige Meinung zeigt, wie wenig heute „Geduld“ geachtet wird.
Bestenfalls erwarten wir von anderen, dass sie uns gegenüber geduldig sein sollten. Selbst aber Geduld zu üben, ist nicht angesagt.
Bereits kleine Dinge des Alltags machen uns ungeduldig. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, denn ich gehöre nicht unbedingt zu den geduldigen Menschen. Wie schwer fällt es mir oft schon, in einer Schlange zu warten!
Und wie viel schwerer ist es, anderen Menschen gegenüber geduldig, ja sogar langmütig, also ausdauernd geduldig zu sein!

Ähnlich ist es mit der Güte. Auch diese Eigenschaft ist unmodern geworden. „Güte“ hat etwas mit „gut“ zu tun. Ein sogenannter „Gutmensch“ wird heute als weltfremd und unpragmatisch belächelt.
Wenn in unserer Gesellschaft wirklich jemand langmütig und gütig ist, muss er damit rechnen, von anderen nicht nur verlacht, sondern von anderen sogar ausgenutzt zu werden.
Und das geschieht nicht nur im Haifischbecken der Welt, sondern auch bei uns in der Kirche.
Wer etwas gelten möchte, wer Karriere machen, wer etwas erreichen will, der sollte besser nicht langmütig und gütig sein, sonst zieht er mit Sicherheit den kürzeren, auch allzu oft in kirchlichen Kreisen.

Was sind das für unfassbare Dimensionen der Liebe, die Paulus sieht?
Und damit nicht genug!
Denn laut Paulus kennt wahre Liebe grundsätzlich weder Eigennutz noch Egoismus, weder Arroganz noch Impertinenz, weder Vorurteile noch Fanatismus, weder Heimtücke noch Schadenfreude.
Statt dessen ist echte Liebe allumfassend in ihrem Wesen, in ihrem Tun und Handeln:
„..sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“

Was ist das für ein unglaubliches Bild der Liebe?
Ein schönes, aber unerreichbares Muster?
Ein weltfremdes, unrealistisches Idealbild?
Ein religiöser Appell an das Gute im Menschen?
Können wir Durchschnittschristen eine solche Liebe, wie sie Paulus beschreibt, überhaupt praktizieren!
Sind die Maßstäbe, die Paulus hier an die Liebe anlegt, nicht total unrealistisch?

Vielleicht hilft es uns, wenn wir uns noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen, dass Paulus die Liebe nicht als menschliche Tugend interpretiert und dass er die Liebe schon gar nicht als menschliche Leistung beschreibt.
Paulus tritt weder als christlicher Lehrer auf, der rechtschaffene Christen erziehen will, noch als Moralapostel, der die Gemeinden mit flammenden Appellen aufrütteln will.

In dem Hohen Lied der Liebe ist nicht der Mensch, sondern die Liebe das SUBJEKT!
Die Liebe steht im Mittelpunkt, die die ganze Fülle des Glaubens und der Hoffnung in sich trägt. Nicht eine Liebe, die idealistisch an das Gute im Menschen glaubt und dies fördern will, sondern eine Liebe, die dem Menschen eine neue Möglichkeit der Existenz eröffnet, nämlich ein Leben in und mit Gott, denn die Liebe, von der Paulus hier spricht, ist aus Gott.
Man könnte das Hohe Lied der Liebe als Gleichung zusammenfassen:
Gott = Liebe. Gott ist identisch mit Liebe. Gott ist identisch mit der Liebe, die sich am deutlichsten in seinem Sohn gezeigt hat.
Und deshalb sagt Paulus logischerweise auch: „Die Liebe hört niemals auf.“
Gott ist unvergänglich, Gott ist ewig,
und weil Gott identisch ist mit Liebe, deshalb ist auch die Liebe unvergänglich.

Die Aussage „die Liebe hört niemals auf“ ist also nicht sentimental zu verstehen - quasi als schmückendes Lorbeerblatt bei Trauungen -, sie ist auch nicht als schmerzstillender Trost bei Beerdigungen gedacht.
Die Aussage „Die Liebe hört niemals auf“ ist eine Tatsache unseres christlichen Glaubens,
sie ist das Resultat der Konsequenz unseres Glaubens. Die Gleichung geht also noch weiter:
Gott = Liebe = Unvergänglichkeit.

'Valentine and disciples', 2006, Polylerus

Oder wie Paulus es ausdrückt:
“Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei: aber die L i e b e ist die größte unter ihnen.“
Und weil wir von Gott Geliebte sind, sollte alles, was unter uns Menschen geschieht, besonders in unseren christlichen Gemeinden, AUS, IN und MIT Liebe geschehen.

Da der heutigen Sonntag, passend zu unserem Predigttext auch der Valentinstag ist, werden Sie später eine Rose erhalten. Der Valentinstag ist nämlich nach einem Bischof Valentin benannt, der im 3.Jh. im italienischen Terni lebte und u.a. Blumen aus seinem Garten verschenkte. Aus unserem Garten können wir jetzt zwar keine Rosen verschenken, aber aus dem Fair Trade Handel aus Afrika.
Nehmen Sie also Ihre Blume mit nach Hause als Zeichen, dass Sie von Gott geliebt werden und dass Sie dazu berufen sind, aus dieser Liebe zu leben und diese Liebe weiterzugeben.

UND DER FRIEDE GOTTES, DER HÖHER IST ALS ALL UNSER MENSCHLICHES DENKEN UND HANDELN, DER BEWAHRE UNS IN JESUS CHRISTUS, UNSEREM HERRN
A M E N !

Die Photographie 'Red Rose Cumba Meillandina', 2006, Libera, wurde von ihrem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.
Die Photographie 'Red Rose', 2007, Marcus Obal, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren
Die Photographie 'Red Rose', 2004, Jurema Oliveira, wurde von einem Mitarbeiter des United States Department of Agriculture während der Ausübung seiner offiziellen Pflichten. Als eine Arbeit des U.S. federal government ist dieses Bild im public domain.
Die Photographie 'Red Rose', 2005, Bela Dona, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.
Das Bild 'Valentine and disciples', 2006, Polylerus, ist im publicdomain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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