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Predigten von Prädikantin Ursula Schmidt: Exodus 16, 2 – 3. 10 - 18 Manna ist kein Gefriergut

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'Manna reigning from heaven on the Israelites'

7. Sonntag nach Trinitatis

Manna ist kein Gefriergut Exodus 16, 2 – 3. 10 - 18

Predigt gehalten von Prädikantin Ursula Schmidt am 06. Juli 2008 in der Dreikönigskirche

Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären in der Wüste unterwegs - bei den Temperaturen, die wir in der letzten Zeit erlebt haben, ist es vielleicht gar nicht so schwer, sich das auszumalen.
Sie wären also in der Wüste unterwegs, aber NICHT als Tourist einer Abenteuer-Luxus-Reise.
NICHT mit Menschen, die ähnliche Interessen haben wie Sie, NICHT mit Menschen, die Ihnen sympathisch sind.
Sie wären NICHT jeden Tag wohlausgerüstet mit Wasser, Nahrungsmitteln und angemessener bequemer Kleidung.
Sie hätten KEINEN Jeep, der Sie sicher durch die Gegend fahren würde.
Sie hätten NICHT jede Nacht ein sicheres voll klimatisiertes Nachtquartier.
Sie hätten auch KEINEN professionellen und erfahrenen Reiseleiter, der ihnen alle Unannehmlichkeiten oder Gefahren aus dem Weg räumt.

Ganz im Gegenteil,
stellen Sie sich vor, Sie wären nach Jahren einer Versklavung und Gefangenschaft seit fast 40 Jahren in der Wüste unterwegs mit all ihren Verwandten, Freunden und Nachbarn, jungen und alten, sympathischen und unsympathischen.
Und Sie hätten 40 Jahre lang die Wüste als Vorhof der Hölle erlebt:
Sie wären 40 Jahre lang erbarmungslos der unbarmherzigen Hitze der Tage und der schneidenden Kälte der Nächte ausgesetzt.
Menschen, die ihnen lieb sind, wären gestorben, ohne die Verheißung zu erleben, die ihnen ein unsichtbarer Gott versprochen hat, nämlich in ein sogenanntes gelobtes Land einzuziehen.
Während der 40 Jahre hätten sich zwar einige erstaunliche Dinge ereignet, ja, es wären sogar unglaubliche Wunder geschehen, wie z.B. die Rettung von feindlichen Verfolgern durch die Teilung eines ganzen Meeres.
Aber Ihr früher so energische und dynamische Anführer wäre langsam alt und ganz offensichtlich schwächer geworden.
Die Durchquerung der Wüste würde nun immer schwieriger, denn die Lebensmittelvorräte wären aufgebraucht, bitterer Hunger würde zur Tagesordnung gehören.
Das Leben wäre so unerträglich, dass sogar die Qualen der Sklaverei, die Sie vor Jahrzehnten erlitten hatten, in einem rosigen Licht erscheinen würden; denn dort hatte man wenigstens genug zu essen!
Die allgemeine Stimmung wäre auf dem absoluten Tiefpunkt.
Wenn Sie sich diese Umstände vorstellen können, haben Sie ganz genau die Situation des Volkes Israel vor Augen, die unserem heutigen Predigttext zugrunde liegt:

Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten wider Mose und Aaron in der Wüste. Und sie sprachen: Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben lasst.

Kommt uns diese Haltung nicht bekannt vor?
Diese Sehnsucht nach früher, nach den „guten“ alten Zeiten.
Ja, früher:
Früher gab es weniger Kriminalität, dafür mehr Zucht und Ordnung.
Früher hatte die Jugend Respekt vor dem Alter.
Früher war Gott noch wichtig.
Früher waren die Kirchen voll. – In unserer Dreikönigskirche habe ich das tatsächlich oft erlebt.
Früher hatte jeder einer Job und sein festes Auskommen!
Früher waren die Mieten angemessen.
Früher war das Benzin bezahlbar.
Früher waren die Preise stabil.
Ja, früher war eben alles besser!

Wir haben gar kein Recht, die Israeliten arrogant zu verurteilen, weil sie offenbar vergessen haben, was Gott in der Vergangenheit alles für sie getan hat.
Geraten wir selbst nicht alle immer wieder in die Gefahr, unsere Vergangenheit zu glorifizieren?!
Besonders mit zunehmendem Alter?
Tun wir nicht immer wieder so, als sei früher alles viel leichter, viel besser gewesen?
Wir tünchen das Vergangene rosarot, denn es ist ja so einfach und so schön, sich in eine angeblich rosige Vergangenheit zu flüchten und die Gegenwart für grau bis tiefschwarz zu halten.
Denn das „MURREN“, das Meckern, das Jammern, das sich selbst Bedauern ist ja so einfach!

In den 4 Büchern Mose wird dieses „Murren“ des Volkes Israel gegen seinen Gott 6mal beschrieben, aber laut der Statistik sind nicht die Israeliten vor 3000 Jahren, sondern wir Deutschen der heutigen Zeit darin Meister!
Besonders in den letzten Jahren scheinen wir Deutschen das Meckern fast zu einer Nationaleigenschaft kultivieret zu haben.
Fast jeder von uns tut es,- und wie ich gestehen muss -, leider auch ich.
Oft sehe ich zuerst, dass das Glas Wasser halb leer ist, anstatt dankbar festzustellen, dass es halb voll ist!
Wir meckern und jammern, obwohl wir wissen, dass Meckern und Jammern niemals weiterhilft und in jeder Hinsicht destruktiv ist.
Einerseits ist es wie ein Virus - in höchstem Maße ansteckend, und andererseits ist es abstoßend.

Wer hört sich schon gern und freiwillig die Meckerei und Jammerei von anderen Menschen an?!
Wenn wir dazu gezwungen sind, haben wir meistens 3 Patentrezepte parat –
entweder wir hören gar nicht zu, –
oder wir versuchen, das Jammern der andern zu übertrumpfen,-
oder wir reagieren mit pädagogisch erhobenem Zeigefinger nach dem Motto „Anderen Menschen geht es noch viel schlechter als dir!“
Allerdings hat keines dieser 3 Rezepte den Erfolg, dass Meckern und Jammern weniger werden.

Als die Israeliten „wider Mose und Aaron murrten“, erfolgt eine ganz andere Reaktion als die, die wir Menschen parat haben. Die Reaktion auf dieses Murren müsste uns eigentlich in Erstaunen setzen:

Nicht Mose und Aaron reagieren, sondern derjenige, gegen den sich das Murren eigentlich richtet:
GOTT selbst reagiert, er hört nicht weg,
Gott HÖRT sich das Murren seines Volkes an, und Gott ANTWORTET:

Und der HERR sprach zu Mose:
Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sage ihnen: Gegen Abend sollt ihr Fleisch zu essen haben und am Morgen von Brot satt werden und sollt innewerden, dass ich, der HERR, euer Gott bin.

Ist das nicht erstaunlich?! Gott hält seinem Volk keine pädagogische Strafpredigt, weil es offenbar das wunderbare Handeln seines Gottes vergessen hat. Gott nimmt das Murren und Jammern ernst und verheißt Hilfe und Rettung.
Da kann man direkt neidisch werden, denn wünscht nicht jeder von uns sich einen solchen Gott, der zuhört, einen Gott, der antwortet UND sogar Soforthilfe verspricht?! Israel ist zu beneiden, denn

'Die Ernte des göttlichen Segens'

'Die Ernte des göttlichen Segens'

am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag Tau rings um das Lager. Und als der Tau weg war, siehe, da lag's in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde. Und als es die Israeliten sahen, sprachen sie untereinander: Man hu? Denn sie wussten nicht, was es war.

Jetzt zeigen sich wieder bekannte Verhaltensweisen:
Die Israeliten sind NICHT voller Gottvertrauen; sie fragen: „MAN HU –WAS IST ES?“ Sie sind misstrauisch und skeptisch, sie betrachten skeptisch dieses weiße Zeug, das über Nacht entstanden war.
„MAN HU?“ Die Bearbeiter des Alten Testamentes übersetzen es später mit MANNA. Und der Begriff „Manna“ wird im Laufe der Jahrhunderte das Urbild für eine köstliche Speise oder eine wunderbare Rettung.
Aber die Israeliten halten das Manna NICHT für eine Gabe Gottes, schon gar nicht für etwas Essbares.

Bei dieser Frage „MAN HU?“ finden wir uns wieder. Auch wir Menschen der Gegenwart leben selten voll Gottvertrauen, auch wir sind meistens erst einmal voller Misstrauen, Zweifel und Skepsis, selbst dann, wenn wir das Handeln Gottes erfahren. Selbst dann, wenn uns ein Wunder Gottes regelrecht vor die Füße gelegt wird.

Denken Sie nur an den frommen Mann, der sich nach sintflutartigen Regenfällen auf das Dach seines Hauses rettete, um dort auf die Hilfe Gottes zu warten.
Ein Nachbar kam in seinem Kanu vorbei und sagte: „Das Wasser wird bald dein Haus völlig überfluten.
Spring in mein Kanu, damit wir dich in Sicherheit bringen.“
“Nein, danke“; erwiderte der fromme Mann. „Ich habe zu Gott gebetet, und ich bin sicher, er wird mich retten.“
Kurze Zeit später kam ein Polizeiboot vorbei . „Das Wasser wird dein Haus ganz unter Wasser setzen. Spring ins Boot, damit wir dich in Sicherheit bringen.“
Und wieder sagte der fromme Mann:„Nein, danke. Ich habe zu Gott gebetet, und ich bin sicher, er wird mich retten.“
Nach einer Weile kam ein Rettungshubschrauber und ließ die Leiter herunter: „Klettere die Leiter hoch, damit wir dich in Sicherheit bringen.“
Aber wieder sagte der fromme Mann: „Nein, danke. Ich habe zu Gott gebetet, und ich bin sicher, er wird mich retten.“
Während der ganzen Zeit stieg das Wasser unaufhörlich, bis es auch das Dach des Hauses überflutet hatte, und der fromme Mann ertrank.
Als er im Himmel ankam, forderte er von Gott eine Privataudienz.
Als er vor Gottes Thron stand, fragte er: „Herr, warum bin ich im Himmel? Ich habe doch zu dir um Rettung gebetet, Ich habe darauf vertraut, dass du mich vor den Fluten retten würdest!“
„Ja, mein Kind, das hast du getan“ sagte der Herr. „Und ich habe dir ein Kanu, ein Boot und einen Hubschrauber geschickt, aber du bist nie eingestiegen.“

Diese Geschichte zeigt, selbst dieser Mann, der anderen Menschen so fromm erschien und der sich selbst für fromm hielt, selbst dieser Mann hat die Hilfe Gottes nicht erkannt - genau wie das Volk Israel.
Um Gottes Hilfe in unserem Leben zu erkennen, brauchen wir oft andere Menschen, die uns aufklären.
Auch Mose musste den Israeliten die Hilfe Gottes erklären. Auf die Frage MAN HU antwortete Mose:

Es ist das Brot, das euch der HERR zu essen gegeben hat.
Das ist's aber, was der HERR geboten hat: Ein jeder sammle, soviel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte.
Und die Israeliten taten's und sammelten, einer viel, der andere wenig.
Aber als man's nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, soviel er zum Essen brauchte.

Hier wird ein weiterer Aspekt der Hilfe Gottes sichtbar:
Das Manna, das Brot, das Gott geschickt hat, ist so bemessen, dass die Israeliten danach SUCHEN und es SAMMELN sollen, damit sie gerettet werden.
Das Manna lässt sich aber NICHT speichern oder horten, denn es stellt sich später heraus, dass jeder einzelne der Israeliten, gleichgültig wie viel er gesammelt hatte, schließlich nur soviel Manna hat, wie er zum Überleben braucht. Gerade genug zum Leben, nicht zuviel und nicht zu wenig.

Auch heute verheißt Gott seinen Menschen Manna.
Auch heute schenkt er seine rettende Hilfe.
Aber auch heute können wir dieses Manna nicht horten.
Drastisch ausgedrückt: Gottes Manna ist kein Gefriergut, das wir je nach Bedarf auftauen und verzehren können.
Gottes Manna, Gottes Hilfe, ist auch nicht mechanisch abrufbar – so als würden wir nach dem Einwerfen eines Gebetes automatisch eine Hilfsaktion abrufen können.
Gott stellt sich uns zwar uns zur Verfügung: er hört unsere Gebete, er hört sogar unser Jammern und Meckern, aber er lässt nicht über sich verfügen wie wir es wollen!
Wir haben keinen Besitzanspruch auf seine Hilfe.
Gott verheißt uns seine Nähe, er verspricht uns seine Treue, das hat er uns durch das Leben und Sterben seines Sohnes Jesus Christus bewiesen, aber wir müssen täglich aufs neue seine Nähe aufsuchen.
Nur so werden wir in der Lage sein, das Wirken seines Handelns in unserem Leben zu erkennen.
Nur wenn wir immer wieder nach Gottes MANNA suchen, werden wir es in unserem Leben entdecken können. - Das Manna, Gottes Hilfe existiert, oft nicht so, wie wir es uns wünschen, manchmal erkennen wir seine Hilfe erst im Nachhinein. Aber die Verheißung seiner Hilfe ist real, und wir dürfen daran glauben - so wie es Dietrich Bonhoeffer ausgedrückt hat, als er um Widerstandskraft gerungen hat:

„ICH GLAUBE, DASS GOTT UNS IN JEDER NOTLAGE SOVIEL WIDERSTANDSKRAFT GEBEN WILL; WIE WIR BRAUCHEN.
ABER ER GIBT SIE NICHT IM VORAUS, DAMIT WIR UNS NICHT AUF UNS SELBST;
SONDERN ALLEIN AUF IHN VERLASSEN.“

UND DER FRIEDE GOTTES, DER ALLES MENSCHLICHE BEGREIFEN WEIT ÜBERSTEIGT, WIRD EUER DENKEN UND WOLLEN IM GUTEN BEWAHREN, WENN IHR MIT JESUS CHRISTUS VERBUNDEN BLEIBT.

AMEN !

Das Bild 'Manna reigning from heaven on the Israelites', c. 1250, Maciejowski Bible (Anoymous), ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Bild 'Die Ernte des göttlichen Segens', 1738-1740, Giovanni Battista Tiepolo, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.

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