Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Thomas Sinning: Ostermontag, Jesaja 25,6–9 Der Geschmack des Lebens

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'Abraham and the angels', 1500+, Byzantine and Christian Museum in Athens, orthodox painter

Ostermontag

Der Geschmack des Lebens Jesaja 25,6–9

Predigt gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 1. April 2013 im Kirchsaal des Gemeindezentrums

Und der HERR Zebaoth wird auf diesem Berge allen Völkern ein fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist. Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Heiden zugedeckt sind.
Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat's gesagt.
Zu der Zeit wird man sagen: »Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.« Jesaja 25,6–9

Liebe Gemeinde!

Ein fettes Mahl. Die Fastenzeit ist vorbei. Jetzt endlich einmal wieder so richtig aus dem Vollen schöpfen, kein „Nein danke“, kein Gedanke an die schlanke Linie. Im Gegenteil: Auf diesem Büffet stehen ausschließlich Dinge, vor denen offiziell gewarnt wird und die höchstens in Maßen genossen werden sollen, weil sie ja schließlich im Übermaß ungesund sein können: Alkohol und Fett – bester Wein und vorzügliches Fleisch. Gutes im Überfluss, reichlich genossen, ohne Angst vor bösen Folgen. Es ist fast etwas davon zu schmecken in diesen Worten des Propheten.

Immer wieder wird in der Bibel von gutem Essen erzählt. Das Brot und das zarte gute Kalb, das Abraham und Sara ihren unverhofften Gästen servieren, die sich im Nachhinein als Engel Gottes erweisen. Und denken wir an das andere Kalb, das für den geschlachtet wurde, der seinen Hunger sonst mit Schweinefutter hätte stillen müssen im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Das gute Essen ist ein Vorgeschmack auf das, was kommt, auf eine Zukunft, die alles Traurige und Bescheidene hinter sich lässt. Das alte kinderlose Ehepaar wird ein Kind bekommen. Der Sohn, der weggegangen ist, kommt wieder nach Hause und wird von seinem Vater mit offenen Armen empfangen und bekommt den Ehrenplatz an der Festtafel.

Jedes festliche und gute Essen kann ein Vorgeschmack sein auf Gottes gute Zukunft.
„Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist.“

Kehren wir zurück zu dem Prophetenwort: Jesaja - oder Prophet, der in seinem Namen das Wort ergreift - spricht von einem opulenten Mahl, zu dem alle eingeladen sind. Ein Mahl, bei dem niemand Gastgeber spielen muss, sondern alle als Gäste kommen. Die Erfahrung, wie das Leben an den Festtagen schmeckt, spielt im Buch Jesaja eine wichtige Rolle. Und das hat seinen Grund. Denn ein Mahl an einem Berg, das gab es in der Geschichte Israels schon einmal, damals, als am Berg Sinai der Bund zwischen Gott und ihnen geschlossen wurde (Ex. 24,5f: olot und sebachim schelamim), als Mose und Aaron und die Ältesten Israels Gott ganz nahe gekommen waren und seine Herrlichkeit sehen konnten.

So wird es wieder sein, sagt Jesaja, bloß dass dann alle kommen und Gott sehen können. Denn ER ist der Gastgeber bei diesem Festmahl. Der Prophet malt dieses Hoffnungsbild noch weiter aus. Gott nimmt erst einmal weg, was euch trennt. Alles, was ihr Menschen um euch gezogen habt in eurer Angst, einander wirklich zu begegnen. Die Hüllen aus Vorurteilen und Vorwürfen, aus Verachtung und Hass auf alle, die anders sind als ihr. Hüllen, die verdecken sollen, wie ängstlich und unsicher ihr selbst seid; Hüllen, die euch hindern, anderen Menschen offen zu begegnen. Und endlich wird auch die Decke weggenommen von all denen, die meinen, ohne Gott leben zu können, die meinen, Gott nicht zu brauchen, die ohne Hoffnung leben, die glauben, dass man nicht nach oben blicken muss, weil da sowieso keiner ist. „Gott wird die Hülle wegnehmen, mit denen alle Völker verhüllt sind.“

'tear', 2008, NessaLand

Und dann, wenn Gott eure Gesichter sehen kann, unverhüllt und offen, dann wischt er die Tränen ab. Und das sind nicht nur die Tränen derer, die traurig sind, weil ihnen Leid geschehen ist. Es sind auch Tränen derer, die an sich selber und ihrer eigenen Schuld verzweifelten.

Gott wischt die Tränen ab. Niemand braucht mehr zu weinen. Denn: Der Tod hat keine Macht mehr. Gott wird ihn verschlingen auf ewig.

Das ist eine gewaltige Vision. Ist doch nicht nur die Geschichte Israels eine Geschichte, in der unzählige Tränen geflossen sind. Die ganze Menschheitsgeschichte ist voller Leid und Tränen, bis in unserer Tage hinein. Und es gibt wohl kaum eine persönliche Lebensgeschichte, in der nicht auch Tränen geflossen sind oder noch fließen oder nur mit Mühe unterdrückt werden. Hier wird gesagt: Gott wird die Tränen abwischen. Er wird alles gut machen. Er wird Trost schenken. Aber – auch wenn die Tränen abgewischt werden – sie sind deswegen noch lange nicht versiegt. Leid, das Menschen erfahren haben, ist damit nicht einfach ausradiert. Es bleibt Teil der Geschichte. Es bleibt auch Teil meiner Lebensgeschichte.

Aber der Tod gehört zur Vergangenheit. Er, der große Zerstörer der Beziehungen zwischen uns Menschen ist seiner letzten Macht beraubt.

Gegen alle diese Zweifel macht Jesaja das Bild vom Festmahl stark, von Gott, dem Gastgeber, und von dem großen Tisch, zu dem alle kommen und sich wirklich begegnen. Keiner muss mehr hastig und allein am Tisch sein Essen hinunterschlingen. Jeder darf sich freuen auf die Mahlzeit, die alle zusammenbringt, die der Tod auseinander gerissen hat.

Zu der Zeit wird man sagen: „Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.“ (Jes 25,9)

Von diesem Jubel sind wir in unserem täglichen Leben oft weit entfernt. Manche glücklichen Momente geben uns aber eine Ahnung von diesem Gefühl, das der Prophet hier beschreibt.

'Supper at Emmaus', 1631–1681, Jean-Baptiste Champagne

Vielleicht geht es uns so wie den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus: Sie haben noch tränenverklebte Augen und sind in gedrückter Stimmung, als sie unterwegs sind. Jesus lebt, doch sie haben es noch nicht glauben, noch nicht wahrnehmen können. Obwohl er, der Lebendige, bei ihnen ist. Auch als sie die schlichte Abendmahlzeit vorbereiten, bestimmt die Traurigkeit ihre Gefühle.

Doch bei der Mahlzeit, beim Brotbrechen, wird gleichsam die Decke von ihren Augen oder besser: von ihren Herzen genommen, und sie erkennen, dass Jesus, der Lebendige, bei ihnen ist. Dass der Tod verschlungen ist in den Sieg. Dass in den Tränen, die heute noch vergossen werden, niemand mehr zu versinken braucht.

Es braucht gar kein so fettes üppiges Mahl, um heute schon einen Vorgeschmack zu bekommen auf das, was Gott am Ende für alle Menschen will. Schlichte Speisen, geteiltes Brot, wie wir es im Abendmahl empfangen, trägt schon den Geschmack der Erlösung in sich.

Und wenn schlichte Speisen solchen Freudengeschmack haben können, dann haben schlichte Gesten und Taten auch schon eine große Kraft. Tränen die ich trockne, können das Vertrauen eines Kindes stärken. Liebevolle Taten können ein Dankgebet veranlassen. Zeichen der Offenheit und der Gemeinschaft können Jubel und Freude über Gottes Tun hervorrufen. Sie können in die Gewissheit münden, die wir auch heute Morgen singen und sagen: Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden! „Das ist der HERR,auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.“

Amen.

Die Ikone 'Abraham and the angels', 1500+, Byzantine and Christian Museum in Athens, orthodox painter, ist frei bezüglich der Free Art License.
Das Gemälde 'Supper at Emmaus', 1631–1681, Jean-Baptiste Champagne, ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für alle Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 Jahren oder weniger nach dem Tod des Urhebers.´
Die Photographie 'tear', 2008, NessaLand, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.

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