Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Thomas Sinning: 4. Sonntag nach Ostern - Cantate: Apostelgeschichte 16, 23-34

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'St. Paul in Prison', 1627, Rembrandt

4. Sonntag nach Ostern - Cantate

„Gelobt sei der HERR täglich“ Apostelgeschichte 16, 23-34

Predigt gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 6. Mai 2012 in der Bergkirche

Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen.
Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.
Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie.
Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab.
Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen.
Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier!
Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen.
Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?
Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig!
Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren.
Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war. Apostelgeschichte 16, 23-34

Liebe Gemeinde!

Bei dem schrecklichen Erdbeben im Januar 2010 in Haiti haben deutsche und mexikanische Rettungskräften ein glückliches Erlebnis gehabt: es gelang ihnen, eine Frau – ihr Name war Anna Zizi - lebend aus den Trümmern der zerstörten Kathedrale von Port-au-Prince zu ziehen. Sie berichteten: „Es war erstaunlich, das zu beobachten. Niemand hatte geglaubt, dass sie noch lebt“, sagte Sarah Wilson von der britischen Hilfsorganisation Christian Aid. „Sie sang, als sie herausgezogen wurde. Alle haben geklatscht und gejubelt.“ Die Frau schien zudem unverletzt zu sein. Sie erhielt Wasser und wurde danach in ein Krankenhaus gefahren.

'Haitian orphans', 2010, Marcello Casal Jr/ABr

Die Erfahrung, die diese Frau gemacht hat, deckt sich mit dem, was Paulus und Silas in Philippi erlebt haben genauso wie mit jener Erfahrung, von der im 68. Psalm die Rede ist, wo es heißt: „Gelobt sei der HERR täglich. Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch. Wir haben einen Gott der da hilft, und den HERRN, der vom Tode errettet.“ (Psalm 68,20)

Gelobt sei der HERR täglich. Gott loben, das ist nicht nur etwas für schöne helle, festliche Tage: Es ist nicht nur Ausdruck von positiven Gefühlen, von Glück oder gar Euphorie. Gott loben, das ist angesagt genauso an düsteren Tagen, in schlimmen Situationen, auch dann, wenn einem gar nicht danach zumute ist.

Eigentlich ist es verrückt, zu singen und Gott zu loben, wenn man tagelang unter Trümmern einer eingestürzten Kirche ausharren muss und nicht weiß, ob man noch rechtzeitig gerettet wird, bevor man verdurstet und der Kreislauf vollends zusammenbricht. Eigentlich ist es verrückt, zu singen und Gott zu loben, wenn man wie Paulus und Silas schwer misshandelt wurde und im Gefängnis unter schwerster Sicherungsverwahrung eingesperrt ist. Jammern, Klagen, Fluchen, oder Selbstmordgedanken, das alles könnte man gut verstehen. Aber singen und Gott loben?

Ja, singen und Gott loben, das ist das Geheimnis, um gerade auch in ganz schlimmen Situationen nicht unterzugehen. Aber das ist nun nicht einfach ein Trick; es ist keine Survival-Strategie für ganz Abgebrühte. Wenn man von einer schlimmen Situation betroffen ist, dann gelangen Menschen tatsächlich oft sehr schnell an die Grenzen ihrer Kräfte und Möglichkeiten. Gott singen und loben, das kann man nur, wenn man weiß: ich bin nicht allein. Da ist einer, der hört mein Lied, ob es nun ein Lob- oder ein Klagelied ist. Gott loben und ihm singen, das gelingt wohl nur, wenn man eine lebendige Beziehung zu ihm hat. Hier bewährt sich letztlich der Glaube an den auferstandenen Christus. Hier zeigt es sich, ob Jesus für mich tatsächlich der Lebendige ist: wenn ich in schwierigen Umständen, in Krisen oder gar unter Tränen dennoch daran glaube, dass Gott mich nicht fallen lässt; dass ich darauf vertraue, dass der, der Jesus aus dem Grab auferweckt hat, auch mich aus dem Gefängnis meiner Angst herausholen kann.

Das war es, was Paulus und Silas Mut und Kraft gegeben hat im Gefängnis. Man hatte sie ohne rechtmäßiges Verfahren und ohne Urteil eingesperrt, weil sie eine Wahrsagerin mit klaren Worten zum Schweigen gebracht hatten. Paulus und Silas wussten: wir sind unschuldig. Und sie wussten auch: selbst hier in diesem Verlies sind wir nicht verlassen. Denn Jesus Christus, der Auferstandene ist bei uns. Diese Gewissheit bedeutet für sie eine so große Freude, dass sie alle Schmerzen überwiegt. Und so singen sie mitten in der Nacht Loblieder.

'Church door, near to Kettlethorpe, Lincolnshire, Great Britain', 2009, Richard Croft

Und damit haben sie – ohne es zu wissen – den guten Ausgang ihrer Gefangenschaft schon vorweg genommen. Oftmals scheint es ja so, als ob man durch positive Gedanken den Fortgang der Ereignisse beeinflussen kann. Auf jeden Fall ist die schlimme Situation leichter zu ertragen, wenn sie von der Hoffnung bestimmt ist, dass Gott da ist und helfen kann. Und wenn Menschen im Gebet Gott danken für seine Gnade und seine Güte besingen - wird er sie dann nicht erst recht erweisen?

Jedenfalls geschieht in dieser Nacht in Philippi ein schweres Erdbeben; eines, das sich anders als vor zwei Jahren in Haiti als ein befreiendes und heilvolles Ereignis erweist. Festgefügtes wird erschüttert, verschlossene Türen springen auf. Was für den Gefängniswärter der Alptraum ist, ist für die Gefangenen ein Segen. Und der Segen erweist sich als stärker: auch der Gefängniswärter erfährt ihn, als Paulus und Silas ihm das Evangelium von Jesus Christus verkündigen und er sich mit allen Menschen, die zu ihm gehören, schließlich taufen lässt.

Durch den Lobgesang der Apostel ist das Geschehen jener Nacht erkennbar geworden als Gottes Handeln. Das hat der Gefängniswärter gemerkt. Und es hat sein Leben heilvoll verändert. Wo Gott am Handeln ist, kriegt vieles plötzlich Sinn, auch wenn wir den Sinn nicht immer oder jedenfalls zunächst nicht verstehen. Und wo Gott handelt, da hat er immer ein Ziel: Menschen zu retten und sie zum ewigen Leben zu führen. Und um Menschen zu retten, scheut er weder Mühe noch Aufwand. Ja, er schickt sogar seine Jünger ins Gefängnis, damit sich der Gefängnisdirektor bekehrt.

Der Gefängniswärter lässt sich taufen, damals. Auch heute haben wir zwei Taufen gefeiert. Daran können wir erkennen, dass es eine Verbindung gibt zwischen dem, was damals geschah und uns heute. Auch wir dürfen uns freuen über Gottes Handeln, durch das er Menschen zum Leben führt. Auch wir dürfen glauben, dass der Auferstandene unter uns gegenwärtig ist. Auch wir dürfen darauf vertrauen, dass der Auferstandene lebt und bei uns ist. Auch wir haben allen Grund, Gott zu loben und ihm zu singen. Auch dann, wenn es Dinge gibt, die wir heute Morgen als Last in unseren Gedanken oder auf unserer Seele mitgebracht haben. „Gelobt sei der HERR täglich. Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch. Wir haben einen Gott der da hilft, und den HERRN, der vom Tode errettet.“

Es gibt keinen Fluch, kein Schimpfwort, keine spitze Bemerkung, keine Sarkasmus, keine Ironie, es gibt keinen Ausdruck der Resignation, für den es nicht eine bessere Alternative gäbe. Das zeigt unser Bibeltext deutlich: nämlich Gott zu loben und zu singen. „Gelobt sei der HERR täglich“. Ja, es lohnt sich, Gott zu loben und ihm zu singen. Es könnte die Rettung bedeuten – für mich selber oder auch für jemand anderen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

Das Gemälde St. Paul in Prison', 1627, Rembrandt, ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für alle Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 Jahren oder weniger nach dem Tod des Urhebers.
Die Photographie 'Haitian orphans', 2010, Marcello Casal Jr/ABr, wurde von der Agência Brasil, einer öffentlichen brasilianischen Nachrichtenagentur, erstellt. Deren Webseite besagt: "O conteúdo deste site é publicado sob a licença Creative Commons Atribuição 2.5 Brasil.
Die Photoggraphie 'Church door, near to Kettlethorpe, Lincolnshire, Great Britain', 2009, Richard Croft, stammt aus der Sammlung des Projektes „Geograph British Isles“. Siehe die Seite des Fotografen für Kontaktinformationen. Das Urheberrecht dieses Bildes ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen-2.0-Lizenz.

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