Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Thomas Sinning: Johannes 5, 39.46.47

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'Illuminated bible', 2005, Adrian Pingstone

1. Sonntag nach Trinitatis

Worum geht es eigentlich in der Bibel? Johannes 5, 39.46.47

Predigt gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 26. Juni 2011 in der Bergkirche und im Kirchsaal Süd

Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist´s, die von mir zeugt.
Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben.
Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben? Johannes 5, 39.46.47

Liebe Gemeinde!

Laut einem Pressebericht, der im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, hatte die Regierung des früheren US-Präsidenten George W. Bush den Irak-Krieg in vertraulichen Dokumenten mit biblischen Verweisen gerechtfertigt. Der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld habe seine streng geheimen Lageberichte für den Präsidenten zum Verlauf des Militäreinsatzes auf den Titelseiten mit Bibelzitaten versehen, berichtete das US-Magazin "GQ". Durch die Gestaltung der Berichte, die Bibelverse mit kriegerischen Bildern kombinierte, habe sich Rumsfeld offenbar besondere Überzeugungskraft für den streng religiösen Bush erhofft.

Mit der Bibel kann man offensichtlich vieles machen. Man kann mit ihr alles Mögliche und Unmögliche begründen. Sogar einen Krieg, der vielen Tausenden von Menschen das Leben gekostet und für Frieden und Sicherheit keinen Fortschritt gebracht hat. Es stellt sich die Frage, was denn überhaupt noch von der Bibel zu halten ist, wenn man mit ihr die widersprüchlichsten Begründungen und Aussagen finden kann.

Im Mittelalter hatte die Kirche deshalb auch dafür gesorgt, dass die Menschen die Bibel möglichst nicht verstehen konnten. Sie wurde in den Gottesdiensten nur in Latein gelesen, damit die Menschen nicht etwa auf dumme Ideen kamen und womöglich mit biblischer Begründung sich gegen die Aussagen und Ansprüche der Kirche wenden könnten. Genau deshalb war es Martin Luther ein so wichtiges Anliegen gewesen, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen, damit jeder sie lesen konnte und sie kein Herrschaftswissen mehr blieb, sondern damit die frohe und befreiende Botschaft des Evangeliums für alle Menschen verständlich ist.

'The Yanov Torah', 2009, Valley2city

Bis heute haben die Menschen ein Gespür dafür, dass die Worte der Bibel eine ganz besondere einzigartige Kraft haben. Bibelzitate oder Anspielungen darauf begegnen einem gar nicht so selten z.B. in der Werbung. Aber so, wie die Worte der Bibel Gottes Wort sein können, so können sie genauso auch für schlimme Dinge missbraucht werden. Deshalb kommen wir um die Mühe nicht herum, beim Hören auf die Bibel uns zugleich auch um das richtige, das sachgemäße Verstehen zu mühen.

Jesus hat sich mit den Schriftgelehrten der damaligen Zeit auseinander gesetzt um das rechte Verständnis der Bibel. Die Bibel, das war zu Jesu Zeiten ausschließlich der erste Teil der Bibel, den wir das Alte Testament nennen. Seine Gegner bestanden auf ihrem Verständnis der Bibel, in dem kein Platz war für das, was Jesus verkündete. Jesus dagegen sagt: „Mose hat von mir geschrieben.“ Damit sagt Jesus: das, was in der Hebräischen Bibel steht, im sogenannten Alten Testament, das ist wahr. Es muss nicht überwunden oder beiseite gelegt werden. Es ist wahr, und es findet in mir seine Erfüllung.

Jesus und das Alte Testament sind kein Gegensatz. Im Gegenteil. Sie gehören zusammen. Jesus und Mose, das Alte und das Neue Testament gehören untrennbar zusammen. Nach den schrecklichen Ereignissen, die der Antisemitismus und Antijudaismus hervorgebracht haben bis hin zum Holocaust, ist es unverzichtbar, diese Einheit der beiden Teile der Bibel festzuhalten. Schließlich waren Jesus und die Apostel allesamt Juden gewesen.

Wenn Jesus und das Alte Testament zusammengehören, dann ist damit aber auch eine grundlegende Aussage über die Bibel getroffen, die für uns Christen maßgeblich ist: Die Bibel kann nur der recht verstehen, der Jesus mit im Blick hat. Wer die Bibel auslegen wollte in einer Weise, die Jesus widerspricht, oder die ihn überflüssig machen würde, der hätte die Bibel falsch ausgelegt. Wer beispielsweise Bibelverse benutzt, um damit einen Krieg zu rechtfertigen, der hat die Bibel auf den Kopf gestellt. Denn Jesus hat gesagt: „Selig sind, die Frieden schaffen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“

'Crossing Red Sea and Miriam dancing', mid.9c.

Aber auch wer die Bibel etwa nur dazu gebrauchen würde, sie zur Begründung moralischer Werte heranzuziehen, wie es heute oft geschieht, der würde ihr nicht gerecht werden. Das ist aber durchaus populär. Mir wird von jungen Eltern beispielsweise oft gesagt: unser Kind soll am Religionsunterricht und an den Angeboten der Kirche teilnehmen, denn da werden ja Werte vermittelt. Das ist ja durchaus richtig. Aber es ist nur die halbe Wahrheit. Denn an erster Stelle in der Bibel steht nicht der moralische Appell, sondern die Zusage Gottes, dass er die Menschen liebt und sie zum gelingenden Leben führen will. Dafür steht Jesus ein. Dafür verkörpert Jesus Gottes Gegenwart, indem er Menschen heilte und ihnen Vergebung schenkte. Dafür ist Jesus am Kreuz gestorben und von den Toten auferstanden. Doch schon im ersten Teil der Bibel, in den Zehn Geboten, die Mose von Gott empfangen hatte, stehen nicht ethische Handlungsanweisungen an erster Stelle, sondern die Zusage: „Ich bin der HERR dein Gott, der ich dich aus der Knechtschaft befreit habe.“ (Exodus 20,2)

Wer immer die Bibel für seine Zwecke gebrauchen will, und dabei die frohe Botschaft, das Evangelium, die Friedensbotschaft, unterschlägt, der verfälscht die Botschaft der Bibel. Wer das, was Menschen tun wollen, an die erste Stelle setzt, und das, was Gott tut, beiseitelässt, der hat die biblische Botschaft entstellt und ihrer befreienden Kraft beraubt.

Das entscheidende Kriterium bei der Auslegung der Bibel ist dabei die Frage: welche Rolle spielt Jesus bei der Auslegung? Als die Reformatoren, allen voran Martin Luther, die Bibel populär machten, da haben sie das zum Maßstab der Auslegung gemacht: Christus ist die Mitte der Schrift. Luther sagt: der rechte Prüfstein für das Verständnis der Worte der Bibel ist, „ob sie Christum treiben oder nicht.“

Das gilt aber nicht nur, wenn es um die Auslegung der Bibel geht. Das ist genauso der entscheidende Maßstab für das Handeln der Christen und der Kirche. Der frühere Kirchenpräsident unserer Kirche Martin Niemöller hat bei allen entscheidenden Angelegenheiten stets die Frage gestellt: „Was würde Jesus dazu sagen?“

'Israel's Escape from Egypt', 1907, Adrian Pingstone

Und daher werden Christen immer wachsam und kritisch sein, wenn jemand vorgibt, im Namen der Bibel oder im Namen einer Religion zu handeln vorgeben. Und Christen werden sich immer in ihren persönlichen Entscheidungen, in Fragen des kirchlichen Handelns, aber auch in Fragen der Politik an Jesus orientieren: „Was würde Jesus dazu sagen?“ Und sie werden sich wie Jesus nicht damit abfinden, wenn Menschen Unrecht widerfährt, wenn Arme ihrer Rechte beraubt werden oder wenn Gewalt verharmlost wird.

Doch vor allem anderen steht die Gewissheit, die die ganze Bibel durchzieht: die Zusage Gottes, dass er uns Menschen liebt und uns zum gelingenden Leben führen will. Die Gewissheit, dass seine Gnade größer ist als alle menschliche Schuld.

Diese Gewissheit haben wir, weil Jesus uns wie kein anderer Gott als den gezeigt hat, der uns Menschen liebt. Ohne Wenn und aber. Wer das begriffen hat, der hat das Entscheidende an der ganzen Bibel verstanden. Amen.

Das Bild 'Illuminated bible', 2005, Adrian Pingstone, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Bild 'Crossing Red Sea and Miriam dancing', mid.9c., ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Die Photographie 'The Yanov Torah', 2009, Valley2city, und deren Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.

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