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Predigten von Pfarrer Thomas Sinning: Kol.3, 1-4 Der Himmel ist nicht mehr fern

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'Jesus reigning as King on high', 2009, Toby Hudson

Osternacht

Der Himmel ist nicht mehr fern Kol.3, 1-4

Predigt gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 3.4.2010

Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit. Kol.3, 1-4

Licht leuchtet auf mitten im Dunkel. Ein trauriges Lied bekommt einen freudigen Klang. Menschen, die sich nicht kennen, feiern zusammen. Schlichtes Wasser verbindet sich mit Worten, die für ein ganzes Leben wichtig sind. Ein einfaches Stück Brot schmeckt nach Leben. Menschen spüren in ihrem Herzen, dass Gott da ist.

Jedes Einzelne, was ich eben beschrieben habe, ist schon für sich genommen ein Wunder. Alles zusammen aber ist der Gottesdienst, den wir jetzt feiern. Was wir hier in der Osternacht erleben, ist wunderbar. Und dieser Gottesdienst ist nur ein schwacher Hinweis auf das Wunder der Auferstehung. Er ist nur der schwache Abglanz des Geheimnisses, das wir feiern: Christus ist auferstanden.

Doch wir sind auch auferstanden, so haben wir gehört:

Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, schreibt der Apostel, doch: euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott.

„Sucht, was droben ist.“ Wo suchen Menschen denn das Leben? Sie suchen es im Wahren, Schönen, Guten. Sie suchen das Leben im Genießen dessen, was die Sinne reizt und befriedigt. Sie suchen das Leben da, wo sie Erfolg und Anerkennung erfahren. Sie suchen das Leben im Glück gelingender menschlicher Beziehungen, in harmonischer Partnerschaft und Zusammenhalt der Familie. Sie suchen das Leben im Einsatz für höhere Werte, im Engagement für die gute Sache. Sie suchen das Leben da, wo der Puls höher schlägt und das Adrenalin steigt. Sie suchen das Leben in dem Gefühl, überlegen zu sein. Sie suchen das Leben in dem Gefühl, zu den Schönen und Reichen und Mächtigen zu gehören. Sie suchen das Leben da, wo sie die Gewissheit haben, für alles vorgesorgt zu haben und sicher zu sein. Sie suchen das Leben - „droben“. Sie suchen das Leben da, wo sie denken, dass es oben sei. Nicht unten, sondern oben.

Doch das wahre Leben ist verborgen. Es ist „verborgen mit Christus in Gott.“ Es ist nicht da zu finden, wo es jeder sucht. „Oben“ und „Unten“ können täuschen.

Die Frauen, die zum Grab gelaufen sind, haben sich auch getäuscht. Sie suchten einen Toten – und fanden das Grab leer. Der Ort des Todes erwies sich als Ort, wo Gott neues Leben schafft und über den Tod triumphiert. Da, wo die Gefühle der Menschen ganz unten sind, am Grab, da wird Trauer in Freude verwandelt. Da, wo keine Perspektive mehr möglich scheint, werden Menschen in Bewegung versetzt. Da wo Menschen still und stumm geworden waren, werden sie plötzlich zu Botinnen und Boten einer froh machenden Nachricht, die die Welt verändern wird. Da, wo Menschen den Tod vor Augen haben, erfahren sie: der Tod liegt längst hinter uns, und das Leben, neues ewiges Leben liegt vor uns.

Das Wunder des neuen Lebens bringt die Ordnung von „Oben“ und „Unten“ durcheinander. Aber das braucht uns keine Angst zu machen. Die Frauen am Grab haben auch nur kurz Furcht und Zittern verspürt, bis sich überschwängliche Freude durchsetzte. „Oben“ und „Unten“ sind neu definiert. Weil Jesus auferstanden ist, ist der Himmel nicht mehr fern sondern nah. „Oben“ ist da, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Doch weil Gott in Christus durch seinen Geist bei uns ist, kann „oben“ auch hier sein. Hier, mitten unter uns ist das Leben zu finden, das der Auferstandene uns gibt.

Aber dieses Leben ist verborgen. Es ist da zu finden, wo es vielleicht keiner erwartet. Wo Menschen erschrocken sind, weil alles auf einmal anders ist, und sie sich erst auf das Neue einlassen müssen.

Das Leben kann zu finden sein, wo ein Mensch am Boden zerstört ist, und einer ihm sanft die Hand auf die Schultern legt und er spürt: ich bin nicht allein.

Das Leben kann zu finden sein, wo ein vermeintlich hässliches Gesicht Liebe ausstrahlt.

Das Leben kann zu finden sein, wo Alternativen zum Bestehenden aussichtslos scheinen, und am Ende doch Bewegung in die Sache kommt.

Das Leben kann zu finden sein, wo Menschen ihr Vertrauen auf Gott setzen, obwohl die Vernunft dagegen zu sprechen scheint.

Das Leben kann zu finden sein, wo aufrichtige Gebete und liebevolle Taten geschehen.

Das Leben ist zu finden, wo Menschen trauern, und sie dennoch einstimmen in den Gesang: „Der Herr ist auferstanden.“

Das Leben ist zu finden, wo im Dunkel Licht aufleuchtet. Wo Menschen im Namen Jesu zusammenkommen und Gemeinschaft erleben und miteinander Brot und Wein teilen und feiern und beten und sich als von Gott geliebte Kinder begreifen; als Gottes geliebte Kinder, die nicht den Tod, sondern das Leben vor sich haben.

Dieses Leben steht uns offen. Es hat schon begonnen. Wir sind mit Christus auferstanden, sagt der Apostel. Das Leben hat schon begonnen. Und es wird für immer Leben bleiben, wenn am Ende der Zeiten Gottes Herrlichkeit offenbar werden wird. Aber es hat schon begonnen. Noch ist es verborgen. Verborgen da, wo wir vielleicht nicht so gerne hinschauen, unten. Doch es lohnt sich, es zu entdecken und miteinander zu teilen. Amen.

Das Bild 'Jesus reigning as King on high', 2009, Toby Hudson (Stained glass panel in the transept of St. John's Anglican Church, Ashfield, New South Wales), wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

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