Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Thomas Sinning: Hebräer 4, 11-13 Ein glaub-würdiges Wort

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Vorfastenzeit - Sexagesimae

Ein glaub-würdiges Wort Hebräer 4, 11-13

Predigt gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 07.02.2010

'Fishing boat belonging to the Centro de Estudios Tecnológicos del Mar in Veracruz, Mexico', 2010, AlejandroLinaresGarcia

So lasset uns nun Fleiß tun, einzukommen zu dieser Ruhe, auf dass nicht jemand falle in dasselbe Beispiel des Unglaubens. Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen. Hebräer 4, 11-13

Liebe Gemeinde,

Im August 2006 sind drei mexikanische Fischer nach einer Odyssee von mehr als neun Monaten vor der australischen Küste von einem taiwanesischen Fischtrawler gerettet worden. Während der langen Leidenszeit von mehr als einem Dreivierteljahr auf ihrem nur etwa neun Meter langen Boot hätten sie sich allein von rohem Fisch, Enten und rohen Möwen ernährt, berichteten sie dem Sender. Ihren Durst hätten sie mit aufgefangenem Regenwasser gestillt. Zwei Wochen lang haben sie auch mal hungern müssen, weil sie nichts gefangen hatten, sagte der Fischer Jesús Vidaña.

Die drei hatten nach eigenen Angaben am 28. Oktober 2005 ihren Hafen an der mexikanischen Pazifikküste verlassen, um Haie zu fangen. Aber ihnen sei unterwegs das Benzin ausgegangen, und starke Winde hätten sie von der Küste abgetrieben. Seitdem galten sie für Freunde und Verwandte als verschollen.

Als der taiwanesische Tunfischfänger sie am 9. August 2006 etwa 8000 Kilometer von San Blas entfernt gerettet habe, seien sie körperlich fast am Ende gewesen. Aber sie hätten "niemals die Hoffnung verloren", sagte einer der Fischer. Die drei erzählten, dass sie während der ganzen Irrfahrt nur eine Bibel als Lektüre gehabt hätten. Das sei gut so gewesen, deswegen hätten sie noch mehr gebetet.

Nur eine Bibel auf der Irrfahrt. Ob sie ohne diese Bibel überlebt hätten? Oder hätten sie die Hoffnung längst aufgegeben und wären gestorben?

Diese Begebenheit ist vergleichbar mit dem, was in dem Hebräerbrief geschrieben ist, aus dem unser Predigttext entnommen ist. Er erinnert in dem Kapitel an den Weg durch die Wüste, den die Israeliten gegangen sind, bis sie zur Ruhe fanden in dem gelobten Land, das Gott ihnen verheißen hatte. 40 Jahre waren die Israeliten unterwegs gewesen, 40 Jahre, in denen sie Gott begegnet waren, und in denen sie immer wieder Krisen und Zweifel erfuhren und sich von Gott abgewandt hatten.

Die Israeliten litten Hunger und Durst in jener Zeit; sie waren manches Mal am Zweifeln und auch der Verzweiflung nahe; oft rebellierten sie gegen Gott; sie wussten nicht, wann sie das gelobte Land erreichen würden und wo das sein würde. Schließlich waren es nur ihre Kinder, die in das Land hinein kamen, nicht aber die Israeliten, die immer wieder gegen Gott rebelliert hatten. Gott hatte ihnen mit dem Wort der Verheißung und mit den Geboten das gegeben, was sie brauchten, um nicht aufzugeben, sondern das Ziel im Auge zu behalten. In Gottes Wort hatten sie doch die Orientierung gehabt, die es ihnen ermöglichte, ihren Weg zuversichtlich weiterzugehen und an der Hoffnung festzuhalten. Doch sie ignorierten oft genug Gottes Weisung und verfehlten dadurch das Ziel, das schließlich erst ihre Kinder erreichten.

Beide Erfahrungen lassen sich auch auf unseren Lebensweg übertragen. Auch wenn ich normalerweise nicht in der Wüste unterwegs oder auf hoher See verschollen bin, so kenne ich doch die Erfahrung, dass mir der Lebensweg, den ich gerade gehen muss, nicht passt. Dass ich erschöpft und am Ende bin. Dass ich nicht mehr weiß, wo genau ich stehe und wie es weitergehen kann. Das sind Situationen und Erfahrungen, in denen es oft das richtige Wort im richtigen Augenblick braucht, damit ich wieder klar sehe und Kraft spüre und zuversichtlich nach vorne blicken kann.

'A Bible', 2007, Vortix

Wie wichtig das richtige Wort zur richtigen Zeit ist, kann man erleben, wenn Menschen bei der Taufe, bei der Eheschließung oder beim Abschied von einem geliebten Menschen um ein Wort des Zuspruchs und des Segens bitten. Worte, die einem Menschen an solchen Schaltstellen des Lebens gesagt werden, prägen sich ein. Sie können in der Tat Ermutigung und Wegweisung sein. Und dabei kommt es vor allem darauf an, dass diese Worte ehrlich und authentisch sind. Es reicht nicht, wenn diese Worte nur schön und feierlich sind. Sie müssen stimmen. Sie müssen passen. Sie müssen mit der Realität des Lebens übereinstimmen. Gutes muss gut und Schlechtes muss schlecht genannt werden. Die Hoffnung, die Gott uns schenkt, soll klar benannt werden, aber was Angst macht und was Zweifel weckt, darf dabei nicht verschwiegen werden.

Nur wenn Worte in dieser Weise wahrhaftig und ehrlich sind, dann können sie helfen. Ich denke mir, für die Fischer auf dem verirrten Boot war es wichtig, dass in ihrer Bibel eben nicht nur steht: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen.“ (Psalm 37,5) Sondern dass auch Psalmen in ihrer Bibel zu finden waren, die ihre Angst und Verzweiflung zum Ausdruck brachten, wie z.B. „Mein Gott, warum hast du mich verlassen, ich schreie, aber mein Hilfe ist ferne. Wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir?“ (Psalm 22,2; 13,1)

Die Bibel ist ein zutiefst ehrliches Buch, aufgeschrieben von Menschen, die nicht nur die Höhen des Lebens mit Gott, sondern eben auch die tiefsten Tiefen von Angst und von Zweifel gekannt haben. Die Bibel erzählt davon, dass Gott Menschen eben auch durch unbegreifliche Not hindurch führt, aber dass er sie auch ganz unten nicht verlässt. Und die Bibel spricht mit großer Klarheit und Nüchternheit davon, dass nicht nur die Israeliten in der Wüste Versager im Glauben waren, sondern dass jeder Mensch mit der Macht der Sünde zu kämpfen hat, auch ich selber.

Das ist es, was die Bibel so glaubwürdig macht. Was ihre Botschaft so stark und ermutigend sein lässt. Auch was mein eigenes Leben betrifft, wird in der Bibel nichts beschönigt. Die Gebote, wie sie in der Bibel überliefert sind und wie Jesus sie in der Bergpredigt ausgelegt hat, haben es auch heute noch in sich. Sie zeigen mir, wo meine Grenzen und Fehler sind, und setzen mir Ziele, die zu erreichen ich ein Leben lang zu üben habe.

Deshalb wird hier in unserem Predigttext so seltsam schroff von Gottes Wort geredet:

„Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.“

Wenn ich mich von Gottes Wort ansprechen lasse und seinen Zuspruch und Anspruch für mein Leben gelten lasse, dann wird es auch meinen Blick auf die Herausforderungen der Gegenwart verändern. Fragen der Verantwortung gegenüber dem Leben an seinen Grenzen mit ihren modernen medizinischen Möglichkeiten, oder Fragen der Verantwortung gegenüber der gefährdeten Schöpfung oder in politischen wie in menschlichen Konflikten bleiben da nicht außen vor. Auch sie stehen unter Gottes Anspruch, ein Freund des Lebens zu sein.

Gottes Wort ist lebendig und kräftig; es schärft das geistliche und das ethische Urteilsvermögen. Es hilft mir, Klarheit über mich selbst zu gewinnen. Und es zeigt mir, dass ich in Gott eine letzte, eine unverbrüchliche Geborgenheit finde.

Wir sind eingeladen, unser Leben an Gottes Wort auszurichten. Es ist lebendig und kräftig. Es weitet unseren Horizont. Es macht uns zu Menschen, die immer Hoffnung haben. Und es führt uns dorthin, wo wir zur Ruhe kommen können. Es lohnt sich, Gottes Wort Vertrauen zu schenken. Amen.

Die Photographie 'Fishing boat belonging to the Centro de Estudios Tecnológicos del Mar in Veracruz, Mexico', 2010, AlejandroLinaresGarcia, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Die Photographie 'A Bible', 2007, Vortix, wurde von ihrem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.

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