Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Thomas Sinning: Kol.3,12-17 Was ein Heiliger ist

« Predigten Home

'Kantate'

Cantate

Was ein Heiliger ist Kol.3,12-17

Predigt gehalten von Pfarrer Thomas Sinning am 9.05.2004

Zieht nun an als Auserwaehlte Gottes, als Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Langmut. Ertragt einander und vergebt euch gegenseitig, wenn einer Klage gegen den aderen hat; wie auch der Christus euch vergeben hat, so auch ihr. Zu diesem allen aber [zieht] die Liebe [an], die das Band der Vollkommenheit ist. Und der Friede des Christus regiere in euren Herzen, zu dem ihr auch berufen worden seid in einem Leib; und seid dankbar. Das Wort des Christus wohne reichlich in euch; in aller Weisheit lehrt und ermahnt euch gegenseitig, mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern singt Gott in euren Herzen in Gnade. Und alles, was ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesus, und sagt Gott, dem Vater, Dank durch ihn. Kol.3,12-17

Liebe Gemeinde!

Dieser Sonntag trägt den schönen Namen „Kantate". Das heißt auf Deutsch: ,,Singet!". Am heutigen Sonntag werden wir daran erinnert, daß wir Christen allen Grund haben zu singen, denn unser Glaube ist seinem Wesen nach fröhlich, positiv, ist voller Freude, ist schön, und darum paßt nichts besser dazu als schöne Musik und fröhlicher Gesang.

Schade nur, daß diese Fröhlichkeit oft zu kurz kommt. Schade, daß christlicher Glaube nicht selten als freudlos empfunden wird. Liegt es vielleicht an der altehrwürdigen Liturgie der Gottesdienste? Liegt es an der Farbe schwarz, die der Pfarrer mit seinem Talar trägt und die früher auch die Konfirmanden bei ihrer Einsegnung tragen mußten?

Ich glaube, es hat nicht so sehr damit zu tun. Ich glaube, es hat vielmehr damit zu tun, daß vielen der Grund der Freude gar nicht bewußt ist, von der unser Glaube lebt. Dieser Grund der Freude hat weniger mit Äußerlichkeiten zu tun, also nicht so sehr damit, ob alte oder neue Lieder gesungen werden oder ob die Farben in unserer Kirche schwarz oder weiß oder bunt sind. Der Grund der Freude liegt vielmehr in dem, was in unserem Predigttext etwas altmodisch ausgedrückt ist: Wir sind Gottes Auserwählte und Heilige!

Ja, Sie haben richtig gehört: Gottes Auserwählte und Heilige - das sind wir! Wir, die wir an Jesus Christus glauben und zu seiner Gemeinde gehören, wir sind Gottes Auserwählte und Heilige. Vielleicht überrascht Sie das; vielleicht hatten Sie bisher gedacht, Auserwählter Gottes und Heiliger zu sein, das sei das Metier von Franz von Assisi und Elisabeth von Thüringen, von Martin Luther und Martin Luther King. Aber wir? Wir mit unserem verhältnismäßig normalen Leben, mit unseren Zweifeln und mit auch mancher Unzufriedenheit mit uns selber? Wir sollen das auch sein: Gottes Auserwählte und Heilige?

Ja, liebe Gemeinde. Denn dazu wird man nicht durch eigene Anstrengungen oder Bemühungen, auch nicht durch fromme Erziehung oder durch kirchliche Ämter. Sondern allein dadurch, daß Gott Ja zu mir sagt. Wer sich selber vornimmt, ein Heiliger zu werden, und sich bemüht, vor anderen als ein solcher dazustehen, der gerät sehr schnell in die Gefahr, das zu werden, was in der eben gehörten Kantate warnend beschrieben wurde: nämlich ein Heuchler zu sein. Heuchler heißt: etwas darzustellen, was man gar nicht ist. Zum Beispiel: Beten, ohne wirklich mit Gott zu reden, sondern nur vor sich selber und anderen gut und fromm dazustehen, so wie der Pharisäer in dem eben gehörten Gleichnis (Lukas 18, 9-14). Den Heiligen kann man vom Heuchler wahrscheinlich am ehesten dadurch unterscheiden, daß der Heilige eben nicht darauf bedacht ist, vor anderen gut dazustehen, sondern sich selber kritisch zu sehen in der Lage ist.

Als Mutter Theresa einmal von einem Journalisten gefragt wurde: „Was meinen Sie, was sich an der Kirche ändern sollte, da antwortete sie: „Sie und ich.“ Heilige stehen dem Zöllner, der seine Sünden bekennt, näher als dem Pharisäer, der selbstzufrieden sein Gebet verrichtet.

Ein Heiliger kann man also nicht durch eigenen Entschluß werden, sondern nur dadurch, daß Gott mich annimmt und mir seine Gnade schenkt. Das wird vielleicht am klarsten deutlich, wenn ein Kind getauft wird. Auch ein kleines Kind gehört zur Gemeinde Jesu Christi dazu, wenn es getauft ist, ohne daß es irgend etwas dafür getan hätte. Gottes Auserwählter wird man nicht durch eigenen Verdienst, sondern durch Gottes Gnade.

Heilig - heißt also nicht: ich bin was besseres. Sondern Heilig - das heißt: ich gehöre dazu. Ich darf dazu gehören, weil Gott mich dazu eingeladen hat. Auserwählt sein, das klingt auf den ersten Blick ziemlich elitär, als sei es nur eine religiöse Elite, die den Anforderungen genügt. Aber da sind wir auf der falschen Fährte. Auserwählt sein, das kann man vielleicht am besten verstehen, wenn man sich vorstellt, was es bedeutet, wenn ein Mensch sich verliebt. Denn dann hat er (oder sie) jemanden für sich auserwählt: ,,Du, gerade du bist für mich unendlich wichtig und kostbar." Das ist, glaube ich, ein überzeugender Vergleich für das, was es heißt, von Gott auserwählt zu sein. Darum heißt es auch hier: ,,Ihr seid Gottes Heilige und Geliebte."

Jesus hat diese Liebe Gottes mit seinem Leben anschaulich und erfahrbar gemacht. Er hat gezeigt, daß der Weg der Liebe, des Erbarmens, der Geduld und der Vergebung, daß dieser Weg zur Entfaltung des Lebens führt. Er ist selber diesen Weg gegangen, hin zu den Menschen, um sie aus ihrer Härte und Lieblosigkeit, aus ihrer Gleichgültigkeit und ihrem Egoismus zu befreien. Er hat den Schwachen und Kranken, den Gescheiterten und Ausgegrenzten geholfen, ganz konkret, so daß sie eine neue hoffnungsvolle Perspektive für ihr Leben gefunden haben. Jesus ist den Weg der Liebe und der Geduld und der Freundlichkeit und des Erbarmens gegangen, bis zur letzten Konsequenz. Darum ist für uns sein Kreuz zu einem Zeichen der Hoffnung geworden, daß Gottes Liebe der bessere Weg ist, der zum wahren Leben führt.

Wenn wir uns als Gottes auserwählte Geliebte begreifen dürfen, dann wäre es also nur konsequent, daß man es uns auch anmerkt. Daß die Freude spürbar wird in unserem Leben. Daß sie unser Tun und Lassen, unser Denken und Fühlen prägt. Der Apostel vergleicht das in diesem Predigttext mit einem Kleidungsstück. Christen sollten richtig „angezogen“ sein. So wie man schwarze Kleidung trägt, wenn man trauert und festliche Kleidung in freundlichen Farben, wenn es ein besonderer Anlaß ist, so gibt es auch für Christen die angemessene „Kleidung“. Wenn unser Glaube uns wirklich Grund zur Freude gibt, dann sollte das auch für andere spürbar und wahrnehmbar sein. Indem wir „als Gottes Geliebte herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld anziehen, indem wir ein verträgliches Miteinander suchen, also versöhnen statt Feindschaft schüren, und vergebungsbereit sind, und alles ist verbunden durch das Band der Liebe..."

So ungefähr muß Jesus in Erscheinung getreten sein, und so ähnlich können auch wir werden, wenn wir zu Jesus gehören. Wenn wir alles, was wir tun, in seinem Namen tun, als zugehörig zu ihm, als Menschen also, die der Liebe Gottes gewiß sein dürfen, dann können wir so aussehen, wie es hier beschrieben ist.

Ich glaube, gerade unsere Zeit heute hat es bitter nötig, daß es Menschen gibt, die Erbarmen statt Ellenbogenmentalität haben; daß es Menschen gibt, die vergebungsbereit sind, wo sonst immer nur nach Schuldigen gesucht wird, und daß es Menschen gibt, die gerade auch den Schwachen und den Schwierigen sich zuwenden mit sanfter Geduld, ohne die es schwer ist, einen Anderen oder gar anders Denkenden zu verstehen. Wenn die Liebe, die positive Zuwendung zum Anderen, die zur Entfaltung seines Lebens beitragen will, „das Band der Vollkommenheit“ ist, wie es der Apostel hier nennt, wenn diese Liebe der rote Faden in unserem Leben ist, dann brauchen wir uns über den fröhlichen Charakter unseres Glaubens keine Gedanken mehr zu machen. Dann ist er da.

Und dann klingen auch unsere Lieder und die ganze Musik in unserer Kirche schön, nicht um ihrer selbst willen, sondern als ehrlicher Ausdruck des Glaubens, und dann können Glauben und Leben, dann können Sonntag und Alltag ein harmonisches Ganzes sein.

Die Liebe ist das Band der Vollkommenheit. Daß wir dies über unser christliches Leben sagen können, das wird nicht immer uneingeschränkt so sein, denn wir sind Menschen, die auch Schwächen haben und Fehler machen. Aber es kann immer mehr so werden, daß die Freude über Gottes Liebe unser Leben verändert und unser Tun anregt, dem Vorbild Jesu zu folgen. Und dann ist das so, wie wenn die Lieder dieses Sonntags in unserem Inneren weiter klingen an den Tagen der kommenden Woche. Und das werden auch andere spüren. Hoffentlich.

Amen

^ Zum Seitenanfang