Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Prädikant Thomas Leichum: Lukas 8, Verse 4-15 Zuletzt eine Erfolgsgeschichte

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'Farming in the village', 2014, Ramsha Ahmed Pasha

Sexagesimae

Zuletzt eine Erfolgsgeschichte Lukas 8, Verse 4-15

Predigt gehalten von Prädikant Thomas Leichum am 8. Februar 2015 in der Dreikönigskirche in Frankfurt am Main

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Der Predigttext für den heutigen Sonntag Sexagesimä steht im Evangelium nach Lukas im 8. Kapitel in den Versen 4-15.

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf. Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er; „Wer Ohren hat zu hören, der höre.“

Es fragten ihn aber seine Jünger, was das Gleichnis bedeute. Er aber sprach: Euch ist's gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den anderen aber in Gleichnissen, damit sie es nicht sehen, auch wenn sie es sehen und nicht verstehen, auch wenn sie es hören.

Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die, wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeitlang glauben sie und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht. Das aber auf dem guten Land sind die das Wort hören und behalten in einem feinen Herzen und und bringen Frucht in Geduld. Lukas 8, 4-15

Eine Flut von Wörtern kommt täglich aus unseren Mündern, liebe Gemeinde. Beim einen von uns mehr, beim anderen etwas weniger. Permanent haben wir ein Meer von Wörtern in Schrift und Bild zu verarbeiten. Vieles merke ich mir, vieles muss ich oder sollte ich mir merken, vieles geht aber auch einfach an mir vorbei. Das gilt in Beruf und Privatleben genauso wie in der Kirche.

Für einiges bin ich in bestimmten Lebenssituationen empfänglicher, für anderes gar nicht. Bei der Vorbereitung zu dieser Predigt etwa hatte ich eine besondere Antenne für alles, was mit dem Stichwort Säen zusammenhängt. Da wurde ich etwa wie von selbst aufmerksam auf einen Beitrag von Pfarrer Klein im aktuellen Gemeindeblick (1).

Die Botschaft

„Worte sind Saatgut“

'Bibel', http://aktuell.gemeindebrief.evangelisch.de, Foto: Wodicka

fiel bei mir wie selbstverständlich auf fruchtbaren Boden. Weil ich offen für sie war. Zum Beispiel für den Satz:

„Über die Wirkung meiner Worte entscheide ich nicht selbst, sondern der Mensch, der sie hört.“

Ich las das und schon war ich dankbar mittendrin in dem Text, der mich gerade beschäftigte. Ein gutes Wort zur richtigen Zeit. Das braucht es. Und es ist gut, wenn es viele gute Worte gibt, damit im Zweifel für jeden etwas dabei ist. Damit jeder zumindest eine Chance hat, etwas für ihn Gutes und Aufbauendes zu hören und anzunehmen.

Reden und Hören, Säen und Ernten. Um diese beiden Pole geht es in dem Gleichnis, das Jesus hier erzählt. Beides gehört zusammen und in beidem kommen wir vor.

Jesus erklärt den Jüngern ziemlich genau, was dieses Gleichnis zu bedeuten hat.

Der Same ist das Wort Gottes, das überreichlich geradezu verschwenderisch ausgestreut wird und ganz unterschiedliche Frucht bringt, je nachdem wo es hinfällt. Wenn wir ehrlich sind, werden wir uns eingestehen, dass auch bei uns das Wort Gottes in verschiedenen Lebenssituationen immer wieder auch auf ganz unterschiedlichen Boden fällt.

Bleiben wir aber doch zunächst einmal beim Säen. Was nicht so ganz explizit im Text steht, ist, wer eigentlich der Sämann ist. Da der Same das Wort Gottes ist, liegt es natürlich nahe, dass Gott der Sämann ist. Und das ist er unzweifelhaft auch. Er hat uns sein gutes Wort in der Heiligen Schrift gegeben. Aber wir haben diesen Schatz eben in irdenen Gefäßen, wie es bei Paulus heißt. Gott sorgt dafür, dass sein Wort ausgesät wird und er tut dies auch durch uns. Wir alle können also zumindest kleine Sämänner und -frauen sein, die Gottes Wort aussäen.

Das kann in ganz unterschiedlicher Art und Weise geschehen, in Gottesdiensten und Gemeindeveranstaltungen, in einer Bibelstunde oder am Krankenbett. Gerade im persönlichen Gespräch von Mensch zu Mensch, bei Besuchen, kann das Wort ausgesät werden, durch geduldiges Zuhören, durch Verständnis für andere, durch Erzählen der biblischen Geschichten und unserer guten und heilsamen Erfahrungen, die wir damit machen, wie Gott unser Leben trägt und bereichert.

Viele wunderbare Menschen in der Dreikönigsgemeinde tun dies im Übermaß und ich bin immer wieder beeindruckt über ihr vielfältiges Engagement im Großen und im Kleinen. Selbst wenn es hin und wieder einmal für den ein oder anderen zu viel, man müde wird, und der Erfolg vergleichsweise überschaubar scheint.

Von über 6000 Gemeindegliedern besucht dann doch nur ein verschwindend geringer Bruchteil am Sonntag den Gottesdienst. Um so schöner, dass Sie heute alle hier sind.

'Strohballen', http://aktuell.gemeindebrief.evangelisch.de, Foto: Wodicka

Aber wie das Gleichnis zeigt: Die Verkündigung des Wortes Gottes

„muss und darf so breit angelegt sein und so weit, dass sie jeden flächendeckend erreicht (2).“

Gottes Wort und seine Liebe müssen offenbar reichlich und großzügig ausgesät werden, ohne Rücksicht auf Verluste. Denn nüchtern betrachtet hört sich das Gleichnis an wie eine Verlustgeschichte: drei Viertel der Saat geht verloren, alles andere als ein guter Schnitt. Aber Gott möchte, dass viele, ja alle Menschen, sein Wort hören. Dafür ging Jesus in die Städte und Dörfer Israels. Ihm hörten viele Menschen zu. Aber auch sehr unterschiedliche.

Verkündigung muss also immer breit angelegt sein. Es kann nicht anders sein. Es kommen Junge und Alte, Gesunde und Kranke, Fröhliche und Bedrückte, Arme und Reiche, Aufmerksame und Gleichgültige. Da kann Wort Gottes jedenfalls nicht „Verengung“ bedeuten, jedenfalls nicht in der Verkündigung. Gottes Wort ist Liebe und Fülle und daher breit zu streuen.

Andererseits:

Die Bibel ist wie eine übervolle Speisekarte (3).

Das ist nicht alles zu verdauen und auch nicht immer zu verstehen, wie wir es in der Lesung gehört haben:

„Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr (4).“

Selbst die Jünger Jesu, die wegen ihm haben alles andere stehen und liegen lassen, verstehen nicht wirklich alles und müssen sich das Gleichnis erklären lassen.

Dass führt mich aber auch dazu, Worte einmal gelassen stehen zu lassen, auch wenn ich sie nicht verstehe. Warum einige oder sogar viele die Gleichnisse und Geheimnisse Gottes gar nicht verstehen sollen, auch wenn sie sie hören, ist zum Beispiel eine Aussage, die mich verwundert. Niemand soll ausgeschlossen sein, finde ich.

Die Realität ist freilich eine andere. In der Tat wollen viele von Gottes Wort einfach nichts hören. Und vielleicht geht es hier vielleicht auch einfach zunächst nur darum wie der Evangelist Lukas die zu seiner Zeit breite Ablehnung der Botschaft Jesu gedeutet hat: Verstockung gewissermaßen als Strafe dafür, dass sich das Volk bewusst von Gott ab und sich gegen ihn wendet, von ihm abfällt, ein Gedanke, der sich ähnlich schon im Buch des Propheten Jesaja findet (5).

Es ist jedenfalls nicht ganz einfach, dass Gottes Wort tatsächlich bei uns ankommt, dass er wirklich in unserem Herzen Wurzeln fasst und der Same in unseren Herzen aufgeht. Damit kommen wir zu dem zweiten großen Aspekt des Gleichnisses: Wir alle sind nicht nur (kleine) Sämänner, die Gottes Wort in die Welt hinaustragen sollen, sondern immer auch Hörende und Empfangende. Und wer sich nicht mehr selbst aus Gottes Wort ernährt, wie soll der andere stärken, ermutigen und ernähren können? Gerade hoch engagierte und aktive Gemeindeglieder sind hin und wieder in Gefahr, die Bibel nur noch im Blick darauf zu lesen, was für Gottesdienste oder andere Veranstaltungen verwertbar ist. Sie lesen nur noch für die anderen. Dabei sollte nicht vergessen werden:

„Die erste uns anvertraute Seele ist unsere eigene.“ (6)

'Rubus sumatranus', 2013, Foto: Alpsdake

Umgekehrt macht das Gleichnis auch deutlich: Ohne ein gerüttelt Maß an Verbindlichkeit geht es im christlichen Glauben nicht. Gottes Wort wird somit vielleicht gehört, aber die Saat geht oft gar nicht erst auf, wenn man sagt: Ich habe keine Zeit, muss mich um meinen Beruf, mein Vorwärtskommen oder meine finanzielle Sicherheit kümmern. Gottes Wort, Kirche und Gemeinde, das ist etwas für kleine Kinder und alte Leute. Vielleicht später. Vielleicht ..

Ein weiterer Teil des Worts fällt auf felsigen Boden. Da ist nur eine dünne Erdschicht und dann kommen gleich die Steine. Mit Begeisterung wird hier das Wort Gottes aufgenommen. Aber das lässt schnell nach und ebbt ab. Andere sagen: „Natürlich hat Gott zu bestimmten Anlässen einen Platz in meinem Leben.“ Wenn aber Gottes Wort in ihrem Leben Tiefe gewinnen will und beginnt Wurzeln zu schlagen, dann sperren sie sich.

Bei der dritten Gruppe der Menschen, die Gottes Wort hören, geht die Saat auf und scheint auch Wurzeln zu schlagen. Aber einiges andere geht auch mit auf. Dornen haben mehr Kraft, wachsen schneller und überwuchern das aufkeimende Pflänzchen des Glaubens. Da sind die Sorgen, der Reichtum und die Freuden des Lebens, die sich in den Vordergrund schieben und den Glauben ersticken.

Und dann ist da noch – zum Glück – die Gruppe der Menschen, die das Wort hören und behalten und die hundertfach Frucht bringen. So wird aus dem drohenden Verlustgeschäft dann doch noch eine Erfolgsgeschichte. Die Bibelausleger nennen diese Geschichte daher auch ein Kontrastgleichnis, weil der Kontrast so deutlich ist: Aus einem Saatkorn entstehen hundert neue Körner. Also hundert Mal mehr als am Anfang. Am Ende zählt das gute Ergebnis. Das sind die Menschen, die mit frohem und gutem Herzen fröhlich bei der Sache Gottes sind. Die in der Gemeinde mitarbeiten, weil ihnen sein Wort konkurrenzlos wichtig ist und die unverdrossen in Geduld daran arbeiten, dass das Wort weiter ausgesät wird.

Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass wir uns immer in der letzten Gruppe wiederfinden. Ob wir alle aber auch wirklich immer zu den „Besten“ gehören, das weiß nur Gott allein. Viele von uns werden aber schon Zeiten der Dürre ihres Glaubens mitgemacht haben, wo es uns scheinbar zuviel wurde, wo das Gestrüpp von Sorgen und Ängsten uns zu überwuchern drohte. Mich persönlich hat etwa die dritte Gruppe nachdenklich gemacht, wo von den Gefahren des Reichtums und den Freuden des Lebens die Rede war. Als Angehöriger der gutsituierten Mittelschicht eines der reichsten Länder der Erde bin ich natürlich vergleichsweise reich, führe ein gutes Leben, genieße das auch und bin dankbar dafür. Nun glaube ich nicht, dass mir Jesus, der selbst mit seinen Freunden in Galiläa gefeiert hat und sogar als „Fresser und Weinsäufer“ beschimpft wurde, grundsätzlich Askese auferlegt, aber ich bleibe immer aufgerufen, wachsam zu bleiben, ob Dornen zu wachsen beginnen, die meinen Glauben zu ersticken drohen. Es tut nach meiner Erfahrung übrigens gut, dies in Gemeinschaft mit lieben Menschen aus der Gemeinde gemeinsam zu bedenken und zu tun. Dass gute Freunde etwa bewusst auf Alkohol in der Fastenzeit verzichten, gerade weil Ihnen das Thema Genuss durchaus wichtig ist, ist sicher nicht zwingend, gefällt mir aber und gibt mir einen Fingerzeig für mein eigenes Verhalten.

'Rainbow rose', 2009, Foto: Michael Kobayashi(C)ROSESHOP

Sorgen und Angst können unseren Glauben ersticken und überwuchern. Wer einen lieben Menschen verloren hat und Abschied nehmen muss, ist dann auf Trost und Hilfe angewiesen. Da kann der Glaube in eine Phase der Dürre geraten, in der Zweifel aufkommen, ob es denn Gott wirklich gibt, ob wir ihm wirklich vertrauen können. Wenn uns dann ein gutes Wort wieder aufrichtet, kann die Saat Gottes erneut aufgehen. Vielleicht denken auch Sie mit Schrecken an Augenblicke zurück, wo sie für gut gemeinte Worte gar nicht empfänglich waren. Wie muss es etwa sein, die lebensbedrohliche Diagnose eines Arztes allein zu verarbeiten. Oder man fühlt sich von Gott so sehr enttäuscht, dass man gar nichts mehr von ihm hören will. Oft sind es dann nicht Worte, die uns helfen. Da ist es besser zu schweigen, die Not des anderen mit zu fühlen, bei ihm zu sein und ihn unsere Nähe spüren zu lassen. Dann kann wieder Vertrauen und Hoffnung entstehen.

Wir bewegen uns als Christen immer wieder an der Schnittstelle zwischen den verschiedenen Gruppen.

Aber wir alle dürfen darauf vertrauen:

„Im Halbdunkel des Lebens und in der Leere meines Herzens ist Gott, ist Jesus, auf einmal wieder da, auch wenn ich ihn nicht gleich erkenne. Da weiß ich dann immer noch nicht, wie es weitergeht: Aber ich kann neu glauben. Es geht weiter mit mir, bis die Quelle erreicht und die Sehnsucht gestillt ist.“ (7).

Gebe Gott, dass wir so gemeinsam immer wieder in einer mit feinem guten Herzen verbundenen Gemeinschaft Gottes Wort geduldig, fröhlich und bereitwillig aufnehmen und unser Leben viele und gute Früchte trägt.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

  1. Pfarrer Andreas Klein, Worte sind Saatgut, Monatsspruch Februar 2015, „Gemeindeblick“ der Evangelisch-Lutherischen Dreikönigskirche, Frankfurt am Main, Seiten 4/5
  2. Klaus Berger, Wie ein Vogel ist das Wort, Seite 11
  3. Jürgen Seidl, Wie ich die Bibel lese, Bibelkreis Dreikönig
  4. Jesaja 55, Vers 8
  5. "Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet's nicht; sehet und merket's nicht! Verstocke das Herz dieses Volks und laß ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind, daß sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen" (Jesaja 6,Verse 9-10)
  6. Alexandre Vinet, zitiert nach Paul Ulrich Lenz, Wenn der Himmel schweigt, Krisenzeiten im Glauben bestehen, Gießen 2011, Seite 54)
  7. Lenz, a.a.O., Seite 73

'Farming in the village', 2014, Ramsha Ahmed Pasha, Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“.
'Rubus sumatranus', 2013, Foto: Alpsdake, Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert.
'Rainbow rose', 2009, Foto: Michael Kobayashi(C)ROSESHOP, GNU Free Documentation License.

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