Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Prädikant Thomas Leichum: Matthäus 12, 38-42 Das Zeichen des Jona

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'Jonas entsteigt heil dem Wal', 2011, Reinhardhauke

Reminiscere

Das Zeichen des Jona Matthäus 12, 38-42

Predigt gehalten von Prädikant Thomas Leichum am 20. Januar 2011 in der Dreikönigskirche in Frankfurt am Main

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Manchmal, liebe Gemeinde, wenn uns die Dinge über den Kopf zu wachsen drohen, möchten wir weg, einfach nur noch weg. So erging es viele hundert Jahre vor Christi Geburt auch dem alttestamentlichen Propheten Jona, als ihm Gott befahl, er möge doch nach dem heidnischen Ninive gehen und der dortigen Bevölkerung ob ihrer Bosheit den Untergang verkünden. Doch Jona wollte nicht. Er versuchte vielmehr, sich diesem Auftrag zu entziehen und vor Gott über das Meer zu fliehen. Vergeblich.

Ich kann Jona gut verstehen. Wer will schon der Überbringer schlechter Botschaften sein? Im Grunde geht es mir heute morgen ganz ähnlich. Nach der Ordnung unserer Kirche steht heute ein Predigttext zur Verkündigung an, in dem Jesus scheinbar gar nicht liebe- und verständnisvoll, sondern vielmehr unverhohlen bedrohlich auftritt. Ein Jesus, der denen, die ein Zeichen seiner Macht von ihm fordern, auf den Kopf zusagt, dass sie einem verdorbenen Geschlecht angehören.

Der ihnen sagt: Es ist gewissermaßen fünf Minuten vor zwölf für Euch. Die Verdammnis, der Untergang droht. Ich spüre, wie ich mich wie Jona dieser sperrigen Geschichte entziehen will. Gerade heute, wo alle Welt entsetzt nach Japan starrt und mit ansehen muss, wie ein ganzes Volk von gleich drei schrecklichen Katastrophen gleichzeitig heimgesucht wird, wo in Libyen Krieg herrscht und viele Menschen unschuldig leiden und streben, sehne ich mich nach einem Wort des Trosts. Von Androhung des Untergangs mag ich nichts hören.

Aber bei Gott gehen die Uhren anders. Bei ihm gibt es immer Hoffnung. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint. Es lohnt sich, genau hinzuschauen.

Ich lese den Predigttext für den heutigen Sonntag Reminiszere im 12. Kapitel des Evangeliums nach Matthäus, die Versen 38 bis 42.

Da fingen einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern an und sprachen zu ihm: Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen. Und er antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein.

Die Leute von Ninive werden auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona. Die Königin vom Süden wird auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem und wird des verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, um Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo. Matthäus 12, 38-42

Jesus im Gespräch mit den Schriftgelehrten und Pharisäern, den führenden Theologen des jüdischen Volkes. Es geht um seinen Anspruch, der erwartete Messias zu sein. Glaubt man ihm, glaubt man an ihn und seine Botschaft? Einige, nicht alle, bohren nach.

Noch sagen sie „Meister“ zu ihm. Das Tischtuch ist also noch nicht endgültig zerschnitten. Aber was erwarten sie? Dass Jesus heilen konnte, hatten sie ja gesehen. Vor unserem Text, noch im 12. Kapitel des Matthäus-Evangeliums wird erzählt, wie Jesus am Sabbat einen Menschen mit verdorrter Hand heilt (Verse 9 bis 13). Wie er einen Besessenen heilt. Ein Blinder und Stummer kann wieder reden und alle sehen es. Aber das reicht ihnen offenbar nicht aus. Sie wollen mehr, das ganz große Zeichen seiner Macht. Nicht nur, dass ein paar Kranke wieder gesund werden. Und hinterfragen kann man ohnehin immer alles: „Er treibt die bösen Geister nicht anders aus als über Beelzebub, den obersten der bösen Geister, sagen sie.

Jonah preaching to the Ninevites, by Gustave Dore (d. 1883)

Wer die kleinen Wunder des Lebens nicht sehen will, der ist auch nicht in der Lage, die großen zu erfassen. Jesus weiß, dass es so nicht geht. Wirf dich hinab von der Zinne des Tempels, wenn du Gottes Sohn bist. Solchen Zeichen-Versuchungen hat er schon widerstanden. Er weiß, es ist nicht das ganz große Spektakel, dass ihn legitimieren wird. Es wird etwas ganz anderes sein. Ihm geht es um Vertrauen in ihn und sein Wort. Und wo kein Vertrauen da ist, da kann man jedes Zeichen missdeuten.

Wer ein solches Zeichen einfordert, der wird immer weiter fragen. Der wird sich nie ändern und umkehren. Aber genau das ist es, was Jesus will. Wir sollen umkehren. Auf sein Wort hin, auf das Vertrauen in ihn hin.

Anders geht es nicht. Vertrauen ist durch äußere Zeichen nicht zu ersetzen. Eine Liebesbeziehung wird scheitern, wenn ich mich nicht vorbehaltlos auf meinen Partner einlasse. Ihr Zahnarzt würde Sie wohl kaum behandeln, wenn sie ihm vorab seine Zulassungsurkunde abverlangen.

So werden die, die ein Zeichen fordern, von Jesus knallhart abgestraft. „Ein böses und abtrünniges Geschlecht“, nennt er sie. Die Verdammnis droht. Wir würden es uns zu einfach machen, wenn wir diese Spitze einfach auf das jüdische Volk beziehen. Dies wäre ebenso falsch wie kurzsichtig. Alle Menschen, die sich so verhalten, alle, die sich der angebotenen Umkehr verweigern laufen Gefahr, bei Gott schlechte Karten zu haben. Dann kann es passieren, dass andere auftreten und uns verdammen. Andere, von denen man eigentlich annimmt, sie hätten viel schlechtere Karten als man selbst.

Wir alle waren und sind also immer von Vernichtung bedroht. Die Bibel sagt das über deutlich.

Es ist unheimlich: Von Anfang an ist die Menschheit von der Verdammnis, vom Untergang bedroht. Einige Male wird berichtet, dass Gott den Plan fasst, sein Volk zu vernichten. Schon im 1. Buch Mose reut es Gott, dass er die Menschen erschaffen hat. Der Menschen Bosheit war groß auf Erden. Alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse. Und es bekümmerte Gott in seinem Herzen und er sprach: „Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, von Menschen an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel.“ Es kommt dann nicht dazu. Aber es war knapp. Gott hat ein Einsehen. Weitere Fälle werden folgen. Als das wandernde Gottesvolk sich unter Mose von ihm abwendet, und ein goldenes Kalb baut, ist die Geduld von Gott ebenfalls beinahe erschöpft. Der Stadt Ninive drohte dasselbe.

Und der Prophet Jona, der sich von Gott abwendet, der wird ins Meer geworfen und landet drei Tage und drei Nächte im Bauche eines Walfisches. Eine grauenvolle Situation. Der Untergang ist mehr als nah. Und es klingt schrecklich aktuell, wenn wir das Gebet des Jona zu Gott aufsteigen hören:

'Jona im Fischleib', 1972  - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Jona im Fischleib', 1972 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

„In meiner Bedrängnis rief ich zum Herrn,
und er gab mir Antwort.

Aus dem Schoß des Totenreichs schrie ich um Hilfe,
und du hörtest meine Stimme.

Du hattest mich in die Tiefe geworfen,
bis in das Herz der Meere,

Die Fluten umgaben mich,
all deine Wogen und Wellen,
sie gingen über mich hin.

Ich dachte: Ich bin von deinen Augen verstoßen,
ich werde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehn.

Wasser ging mir bis an die Kehle,
die Tiefe umringte mich,
Tang umgab mein Haupt.

Bis zu der Berge Gründen,
tief in die Erde fuhr ich hinab,
ihre Riegel schlossen mich ein für immer.

Du aber, mein Herr und mein Gott,
führtest mein Leben herauf aus dem Grab.

Als mir der Atem schwand, dachte ich an den Herrn,
mein Gebet drang zu dir
und zu deinem heiligen Tempel.

Wer nichtige Götzen verehrt,
der verlässt seine Gnade.

Ich aber will dir opfern,
laut dein Lob verkünden,

was ich gelobt, erfüllen!
Die Hilfe ist beim Herrn.“

Der Fisch spuckt Jona an Land. Und die Geschichte geht von vorne los. Das Wort des Herrn geht zum zweiten Mal an Jona. „Auf! Geh nach Ninive, der großen Stadt und rufe gegen sie, was ich dir sagen werde“ . Aber da ist schon viel geschehen: Jona hat gelernt. Ein Untergang muss noch nicht das Ende sein. Und wenn man in Sicherheit ist, ist man noch lange nicht am Ziel.

So geht Jona nach Ninive. Er hält dort keine Drohrede, keine Strafpredigt, sondern spricht nur einen einzigen Satz: „Noch vierzig Tage und Ninive ist zusammengebrochen.“ Und die Kurzpredigt wirkt.

Die Einwohner von Ninive ändern sich. Sie handeln sofort und ohne die eigentlich nahe liegende Entschuldigung: Wir wollen so gerne etwas tun, aber wir wissen noch nicht genug. Mit einem 40 Tage dauernden Fasten beginnen sie. In Umsetzung eines alten Bußritus setzen sie sich in Asche, selbst der König tut mit und fordert auf, dass sich jeder bekehre von seinem bösen Weg und dem Frevel seiner Hände. Denn wer weiß: Vielleicht lässt es sich Gott geräuen.

Und tatsächlich: „Als Gott sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, da reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte und er tat`s nicht“ . Gott lässt sich umstimmen, wie er sich von Noah und Mose hat umstimmen lassen.

Ein Wunder ist also in Ninive geschehen, eine wirkliche Umkehr, dass was die Alten Buße nannten. Und das erwartet Jesus auch von den Schriftgelehrten und Pharisäern, wenn sie auf das Zeichen des Jona verweist. Drei Tage und drei Nächte war Jona im Bauch des Fisches und drei Tage und drei Nächte wird Jesus im Schoß der Erde sein. Es wird also kein großartiges Zeichen sein, im Gegenteil: es ist ein Zeichen, das die Menschen zutiefst verstören und dass sie – wenn überhaupt - erst viel später mit der Auferstehung verstehen werden. Aber das ist noch fern. Und so wie die Bewohner von Ninive überhaupt nichts von dem dreitägigen Aufenthalt des Jona im Bauch des Fisches wussten und sich dennoch bekehrten, so sollen auch die Schriftgelehrten und Pharisäer an Jesus glauben, auch ohne ein deutlich sichtbares Zeichen seiner Macht und Herrlichkeit.

Das haben sie nicht getan. Ob Gott sie aber dafür wirklich verdammen wird, bleibt aber durchaus offen. Es wird nicht gesagt, wie es im jüngsten Gericht endgültig ausgeht, wenn die Leute von Ninive auftreten und sagen: „Schaut her, wir haben es damals anders gemacht. Wie die Königin von Saba, noch so eine alte Geschichte, die einst von weither gereist ist, einfach nur so, nur um den König Salomo zu hören.

'Jonas jeté à la mer, Jonas craché par le monstre, Jonas et Dieu, prédication à Ninive', Paris psalter (BnF MS Grec 139), folio 431v

Ja, die Vernichtung droht immer, aber was Gott letztlich tun wird, ist offen. Immer wieder lässt sich Gott jedenfalls umstimmen, wenn Menschen zu ihm kommen und ihn mit guten Worten und Argumenten darum bitten. Immer wieder gibt es Menschen wie Abraham, die sprechen: „Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen?“ Es gibt Hoffnung: Wenn wir uns nur von unseren alten Wegen abwenden und uns im Vertrauen auf ihn ändern oder zumindest versuchen, das mit unseren bescheidenen Kräften zu tun.

Wenn ein Neuanfang gelingt, ist das immer wie ein Wunder. Aber Gott gibt uns immer eine Möglichkeit zur Umkehr. Wir müssen sie nur erkennen, hören und vertrauen, und dann auch das Notwendige tun.

Und was ist mit den vielen Opfern, die das nicht mehr können, denen die Kraft dazu fehlt, den vielen, die unschuldig leiden und sterben müssen? Wir wissen es nicht. Noch sind wir in der Passionszeit.

Wir dürfen nur hoffen und darauf vertrauen, dass Gott auch bei ihnen ist, dass das Band zwischen uns und Gott niemals ganz zerreißen kann. Wie geschrieben steht:

„Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen. Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ (Offenbarung Kapitel 21)

Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Das Glasfenster 'Jonas entsteigt heil dem Wal' (Bleiglasfensterausschnitt in der katholischen Pfarrkirche fr:Église Saint-Aignan de Chartres in Chartres), 2011, Reinhardhauke, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license. Die Abbildung 'Jonah preaching to the Ninevites, by Gustave Dore (d. 1883)' ist im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.
Bei dem Bild 'Jonas jeté à la mer, Jonas craché par le monstre, Jonas et Dieu, prédication à Ninive', Paris psalter (BnF MS Grec 139), folio 431v, der Französischen Nationalbibliothek (BNF) handelt es sich um einen Scan (Reproduktion) eines gemeinfreien Werkes. Deshalb ist auch dieses Werk gemeinfrei.

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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