Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigte von Regionalbischöfin Frau Susanne Breit-Keßler: Matthäus 4,1-11 Fernsehgottesdienst zur Fastenaktion "7 Wochen ohne"

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'An attractive dinner setting', 2010, Peggy Greb, USDA

Fernsehgottesdienst

Fastenaktion "7 Wochen ohne" Matthäus 4,1-11


Predigt gehalten von Regionalbischöfin Frau Susanne Breit-Keßler am 26. Februar 2012 in der Dreikönigskirche

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

diesmal will ich hoch hinaus. Freunde kommen zu Besuch und ich koche. Mindestens sieben Gänge sollen es sein. Mein Mann verdreht die Augen. „Warum soviel? Weniger, genau so mit Liebe gemacht, tut es doch auch.“ Ich winke ab. Es muss richtig aufgetischt werden, finde ich. Ein ganzer Tag mit mächtig viel Arbeit geht drauf. „Gut genug“ ist nach meiner Ansicht eben nicht das Beste für meine Freunde. Alles klappt bestens und ich bin abends eine vergnügte, fitte Gastgeberin. Geht doch.

Aber mein Mann hat trotzdem Recht. Denn ist mein Ehrgeiz immer dann vollkommen in Ordnung, wenn ich alles schaffe und Erfolg habe? Umgekehrt: Wenn es mich umhaut, wenn ich erschöpft bin, wäre dann weniger mehr, also gut genug gewesen? 7 wochen ohne falschen Ehrgeiz – Gut genug! Ich kann diese Aufmunterung brauchen. Das Bibelwort unterstützt eine solche Aufmunterung. Lassen Sie uns auf eine ziemlich aufregende Geschichte hören. Sie steht im 4.Kapitel des Evangelisten Matthäus.

'Jesus Tempted in the Wilderness', between 1886 and 1894, James Joseph Jacques Tissot

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vier¬zig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht." Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: "Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt." Da sprach Jesus zu ihm: Wieder¬um steht geschrieben: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen." Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! denn es steht geschrie¬ben: "Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen." Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm. Matthäus 4,1-11

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er vom Teufel versucht würde. Beinahe beiläufig steht es da. Wir sind manchmal nah dran, vom Ehrgeiz getrieben in die Wüste zu geraten. Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Welch verlockende Vorstellung – bestimmt auch für den ausgezehrten Jesus - aus toter Materie Lebensmittel zu machen, eigenen Hunger und Durst und den von Millionen Menschen stillen.

Richtig groß rauskommen, weltweit. Es ist eine revolutionäre Versuchung. Unsagbares Elend in Afrika, in Lateinamerika - welcher einfühlsame Mensch würde nicht gern Steine in Brot verwandeln? Aus Steinen Brot machen: Es ist verlockend, immer und überall für alle da zu sein, unverzichtbar zu werden. Es ist verführerisch, alles zu tun, bevor andere überhaupt überlegen und sagen können, was sie selbst brauchen. Allmächtig sein, göttlich gut sein zu wollen, ist Triebfeder manch ehrgeiziger Projekte.

'Jesus Carried up to a Pinnacle of the Temple', between 1886 and 1894, James Joseph Jacques Tissot

Natürlich ist unser Ehrgeiz, für ausreichend Nahrung, Kleidung und Wohnung bei allen Menschen zu sorgen, vollkommen angebracht. Aber Jesus weiß, was der Teufel letztlich wirklich will: Wäre es nicht verlockend, mit einem Fingerschnippen alles herstellen zu könne, wonach es Menschen hungert, wonach sie manchmal auch gieren? Denn der Hunger des Menschen ist unersättlich: Noch größere Wohnung, viel schickeres Auto… Deshalb antwortet Jesus: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht. Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, bloß zu essen, zu trinken und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Voller Bauch und dickes Gehaltskonto beruhigen, aber sie machen nicht auf Dauer glücklich. Das weiß, wer Angst kennt, wen Einsamkeit auffrisst, wem grenzenloser Ehrgeiz die Seele raubt. Außerdem:

Das, was ich mir ehrgeizig aneigne, um gut dazustehen, geht eh irgendwann den Weg alles Irdischen. Weltliche Dinge halten nicht ewig... Wir können gelassen auf den Ehrgeiz verzichten, den tollsten Wein im Keller oder die neuesten Designersachen zu besitzen. Ehrgeiziges Streben nur nach dem Feinsten bringt nicht die Frucht, die ich mir von meinem Leben wünsche. Ich zehre lieber von der Gewissheit, dass ich ein himmlisches Recht habe zu sein – und nicht erst mit Feuereifer etwas aus mir machen muss.

Kaum hat Jesus die Versuchung pariert, aus sich einen überirdischen Helden zu machen, der die Menschheit aus allen materiellen Nöten befreit, kommt die nächste Verlockung. Der Teufel stellt ihn auf die Zinne des Tempels und sagt: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab. Spring doch, es kann dir nichts geschehen... Du bist unverletzbar. Dir kann nichts etwas anhaben – du bist nie müde, nie ausgebrannt, dich haut es nicht um. Burnout ist was für die anderen. Du doch nicht! Du bist immer frisch und munter. Dann bist du göttlich! Dann liegt dir alles zu Füßen.

'Bungy jumper',2006, Eron Main

Jesus spürt, wie wir es alle spüren: Es ist verlockend, himmlische Kräfte zu beschwören, damit sie unsere geplanten Weitsprünge unterstützen, unseren Ehrgeiz abfedern, in den Olymp der Super-Hausfrauen, der Top-manager, Spitzenschülerinnen und First-class-Handwerker aufzusteigen. Ohne jedes Anzeichen der Erschöpfung. Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen, sagt Jesus. Es macht kaputt, wenn man den Ehrgeiz hat, immer der oder die Beste zu sein.

Jesus verzichtet darauf, showtime zu machen, eine tolle Vorstellung seiner Unverletzbarkeit zu geben. Er hat so gar keinen Sinn dafür, der Superstar zu sein, übermenschlich zu wirken. Er bleibt auch in dieser Versuchung ganz er selbst. Ganz Mensch mit dem Grundvertrauen: Ich bin auch ohne Bungee Jumping gut genug, ich brauche keinen kritiklosen Fanclub. Ich werde von Gott bedingungslos geliebt mit all meinen normalen Seiten. So kann man sich fallenlassen, aufgefangen werden und dann auch andere auffangen.

'I have made it on Picasa
', Siggiiiiii

Die letzte Versuchung in unserer Geschichte. Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Es ist eine Versuchung, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen, um ehrgeizige Ziele zu erreichen. Man lässt eine Überzeugung unter den Tisch fallen, weil sonst ein großartiger Plan nicht weiterverfolgt werden kann. "Der Zweck heiligt die Mittel" sagt man und redet sich ein, dass miese Verfahren zu etwas Gutem führen. Da will einer einen Posten kriegen, weil ihm seiner nicht gut genug ist, und greift zu übler Nachrede, um die Konkurrenten auszuschalten. In einer Familie wird alles den Karrierewünschen der Eltern untergeordnet: Freundschaften, Urlaube, Sonntage.

Es ist eine große Versuchung, koste es, was es wolle, das Beste für sich heraus zu holen. Dabei bleibt Leben, bleiben ganze Leben auf der Strecke. Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen, sagt Jesus schließlich. Da verlässt ihn der Teufel. Bei aller Einsicht: Es ist schwer, den alltäglichen Versuchungen nicht zu erliegen. Schneller, stärker, höher. Jesus nimmt die Kraft dafür nicht aus sich selbst. Er wehrt sich mit der Rückbesinnung auf seine geistige Herkunft. Das macht mir das Herz leichter. Ich bin keine Heldin, die immer aus eigener Vernunft und Kraft weiß, wann es mal gut ist und wann ich besser einen Zahn zulegen sollte.

Ich brauch´schon den Heiligen Geist, der mir Freiheit schenkt. Nur mit innerer Freiheit kann ich sagen: „Doch. Es ist gut. Denn ich bin gut genug – und für Gott bin ich es allemal.“ Das kann deswegen klappen, weil er es selbst vorgemacht hat. Drei Angebote bekommt Jesus, sich vom Ehrgeiz packen zu lassen und zu zeigen, dass er in jeder Hinsicht allen anderen überlegen ist. Groß rauskommen hätte er können, mit Gewalt etwas aus sich machen, jedes Mittel hätte ihm dazu recht sein dürfen. Dreimal lehnt er entschlossen ab. Er bleibt ganz Mensch – und setzt seine Gaben, sein Charisma dazu ein, Menschen zur Seite zu stehen, im Leben und im Tod, in unseren Passionszeiten.

Wozu? Luther sagt: „Wir sollen Menschen sein und nicht Gott – das ist die Summe.“ Mensch sein und nicht Gott.
Eine richtig gute Idee. Amen.

Die Photographie 'An attractive dinner setting', 2010, Peggy Greb, USDA, This image is in the public domain because it contains materials that originally came from the Agricultural Research Service, the research agency of the United States Department of Agriculture.
Das Gemälde 'Jesus Tempted in the Wilderness', between 1886(1886) and 1894, James Joseph Jacques Tissot, ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für alle Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 Jahren oder weniger nach dem Tod des Urhebers.
Das Gemälde 'Jesus Carried up to a Pinnacle of the Temple', between 1886 and 1894, James Joseph Jacques Tissot, ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für alle Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 Jahren oder weniger nach dem Tod des Urhebers.
Die Photographie 'Bungy jumper',2006, Eron Main, ist lizensiret unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Das Bild 'I have made it on Picasa', Siggiiiiii, ist lizensiret unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, 2.5 Generic, 2.0 Generic and 1.0 Generic license.