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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 1.Mose 4,1-7 Wie Kriminalität entsteht

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'Kain und Abel', 1973 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Kain und Abel', 1973
Walter Habdank. © Galerie Habdank

Invokavit

Wie Kriminalität entsteht 1.Mose 4,1-7

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2002

Und Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain... Danach gebar sie Abel, seinen Bruder. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann. Es begab sich aber nach etlicher Zeit, dass Kain dem HERRN Opfer brachte von den Früchten des Feldes. Und auch Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick. Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist's nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie. 1.Mose 4,1-7

Im Jahre 1855 wurde in England eine Eisenbahn ausgeraubt, und 12 Millionen Pfund in Gold wurden gestohlen. Dieser Raub galt als das Verbrechen des Jahrhunderts und erschütterte die viktorianische Gesellschaft. Es war nicht die enorme Summe des gestohlenen Geldes, die für die damalige Bevölkerung schockierend war. Was die damalige Gesellschaft nicht einordnen konnte, war, dass der Leiter der Bande, der den Überfall plante und durchführte, ein wohlhabender, gebildeter, intelligenter Mann war, der wie ein Gentleman auftreten konnte. Es gab nämlich damals die Vorstellung, dass Verbrechen abgeschafft werden könnten, wenn es genügend Entwicklungsfortschritt gäbe. Wenn Armut, Arbeitslosigkeit, Benachteiligung, Unterernährung, Verwahrlosung abgeschafft wären, dann dürfte es kein Verbrechen mehr geben, hatte man damals gehofft. Wenn es den Menschen gut ginge, wenn sie ausreichenden Wohnraum, ausreichende Ernährung, Bildung und Kultur hätten, dann dürften sie keinen Grund haben, Verbrecher zu werden. Aber bei dem Raub von 1855 kam ein Edelverbrecher zum Vorschein, der gut ernährt und gebildet war, der in einer angenehmen Wohnung lebte, der hochintelligent und hochbegabt war. Es gab keine einleuchtende Erklärung, warum er seine Fähigkeiten für eine kriminelle Handlung einsetzen sollte.

Und seit dieser Zeit sind wir nicht viel weiter gekommen, wenn es darum geht, Kriminalität zu erklären und abzuschaffen. Seit 1870 ist Kriminalität systematisch untersucht worden: immer wieder hat man versucht, die Frage zu klären, warum es Verbrecher gibt. Aber es gibt bis heute keine eindeutige Erklärungen für Kriminalität.

'Toronto Blackout', 2005, Camerafiend

Aber es gibt einen Punkt, bei dem sich Fachleute offensichtlich einig sind: nämlich Verbrechen ist nicht in erster Linie das Ergebnis einer Notlage, sondern die Motivation ist meistens Gier. Um nur ein Beispiel zu erwähnen: im Jahre 1977 gingen die Lichter in der Stadt New York aus. Viele Menschen nutzen diese Gelegenheit aus, um spontane Diebstähle zu begehen. Es wurde festgestellt, dass diese Diebe nicht notleidende, sondern gutverdienende Menschen waren, die das Diebesgut eigentlich nicht brauchten. Sie waren einfach habgierig.

Es gibt vergleichbare Erscheinungen in dem Bereich des Terrorismus. Es wird immer wieder behauptet, dass Armut, Ungerechtigkeit und Benachteiligung der Nährboden sind für Terrorismus. Aber Terroristen sind teilweise wohlhabende, intelligente Menschen, die an westlichen Universitäten studiert haben. Sie haben alle Vorteile erlebt, die diese Welt zu bieten hat, aber trotzdem sind sie bereit, unschuldige Menschen im Namen der Gerechtigkeit kaltblütig umzubringen. Auch wenn die Welt vollkommen frei wäre von jeglicher Ungerechtigkeit, Armut und Benachteiligung, würde es vermutlich trotzdem Terroristen und Kriminelle geben.

Denn es gibt eine Untersuchung, die darauf hindeutet, dass Verbrechen zuletzt eine innere, persönliche Entscheidung ist. Ein Psychiater, Samuel Yochelson, und ein Psychologe, Stanton Samenow, erforschten Kriminalität auf eine umfassende Weise, 17 Jahre lang. Ihre Untersuchung kam zu einem Ergebnis, das einfältig klingt: nämlich dass Menschen kriminell werden, weil sie sich dafür entscheiden. Hinter Straffälligkeit steckt eine Willensentscheidung. Und der Ausgangspunkt für solche Entscheidungen sind die Gedanken eines Menschen. Was ein Mensch denkt, ist der Anfang. Denkvorgänge führen zu Entscheidungen, Entscheidungen führen zu Gewohnheiten und Gewohnheiten prägen den Charakter. Diese 17-jährige Untersuchung stellte fest, dass alle üblichen Erklärungen für Kriminalität zuletzt in Sackgassen landen, zuletzt kommt es allein darauf an, was ein Mensch denkt und entscheidet.

Und die Bibel scheint dieses Untersuchungsergebnis zu bestätigen. Z.B.: warum hat Kain seinen Bruder Abel umgebracht? Wenn wir Kain fragen würden, dann würde er davon sprechen, wie ungerecht es war, dass sein jüngerer Bruder vom Schicksal bevorzugt wurde und wie unerträglich die Benachteiligung war, die Kain erfuhr. Aber es gab zwei Schritte, die zu seiner Mordtat führten: zuerst gab es finstere Gedanken, und dann gab es eine Willensentscheidung. Denn Gott sagte zu Kain: „Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick?“ Diese Fragen veranschaulichen, dass Kain mit seinen eigenen finsteren Gedanken beschäftigt war; in seinen Gedanken brütete er etwas aus und er wollte mit seinen Gedanken allein sein, denn er gab Gott keine Antwort auf seine Frage. Wie Dietrich Bonhoeffer schrieb: „Die Sünde will mit dem Menschen allein sein...im Dunkel des Unausgesprochenen vergiftet sie das ganze Wesen des Menschen“. Und dann wies Gott auf eine Gefahr hin: „So lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.“ Hier wurde angesagt, dass Kain eine Entscheidung treffen konnte und treffen musste: die Sünde ist wie ein Raubtier und Kain musste entscheiden, ob er die Tür seines Herzens für dieses Raubtier auftut und selber zu einem Raubtier werden will oder nicht. Er konnte tatsächlich entscheiden, denn die Sünde ist – nach Zeugnis dieses biblischen Textes - kein unwiderstehlicher Zwang. Hier wird veranschaulicht, was die vorhin erwähnte 17-jährige Untersuchung feststellte: nämlich dass eine bösartige Handlung mit Gedankengängen und mit Entscheidungen eingeleitet wird.

'Heilung des Gelähmten von Kapernaum', zwischen 980 und 993 n.Chr., Codex Egberti, unknown Fol

Und in den Evangelien gibt es eine Stelle, die einen vergleichbaren Vorgang schildert. Einmal wurde ein Gelähmter zu Jesus gebracht, als er in einem von Menschen überfüllten Haus war. Das Dach des Hauses wurde aufgedeckt und der Gelähmte wurde auf seinem Bett heruntergelassen. Jesus sagte zu dem Gelähmten: „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.“ Und dann heißt es: „Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein? Und Jesus erkannte sogleich in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen?“ Hier sehen wir denselben Vorgang wie bei Kain. Zuerst gibt es heimliche Gedanken, und wenn Jesus diese Gedanken anspricht, gibt es Schweigen. Die Schriftgelehrten wollen mit ihren Gedanken allein sein. Und kurz danach treffen die Schriftgelehrten die Entscheidung, Jesus umzubringen. Zuerst heimliche Gedankengänge, dann eine Entscheidung.

Und wie ist es bei uns? Auch wir, die wir nicht straffällig geworden sind, können hier etwas lernen. Denn wie sieht unsere Gedankenwelt aus? Die eigenen Gedanken sind nicht immer heilsam: es gibt Dinge wie Neid, Gier, Wut, Bitterkeit, Selbstmitleid, ungerechte Schuldzuweisungen, eingebildete Kränkungen, Selbstgerechtigkeit, Selbstherrlichkeit, Vermessenheit, Verachtung, gekränkte Eitelkeit. Unheilsame Gedanken sind nicht harmlos, sondern können das ganze Wesen eines Menschen vergiften. Und die Bibel offenbart, was man tun sollte, wenn finstere Gedanken vorkommen: man darf mit diesen Gedanken nicht allein bleiben, sondern sie müssen ans Tageslicht kommen, sie sollten vor Gott gebracht werden, damit sie entlarvt und entkräftet werden. Wie wir vorhin gesehen haben: Kain weigerte sich, mit Gott zu sprechen, weil er mit seinen Gedanken allein sein wollte; das war sein Untergang. Die Schriftgelehrten weigerten sich, Jesus ihre privaten Gedanken preiszugeben; kurz danach beschlossen sie, Jesus umbringen zu lassen. Finstere Gedanken führen zu finsteren Handlungen, wenn sie nicht rechtzeitig entlarvt werden.

Die beste Art und Weise, finstere Gedanken zu bekämpfen, ist durch Gebet, vor allem durch Dankgebet. Das Neue Testament fordert uns dazu auf, Gott in allen Situationen zu danken. In dem 1.Thessalonicherbrief heißt es:

Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.

In dem Epheserbrief heißt es:

Sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

Durch Dankgebet in allen Dingen und in jeder Situation haben finstere Gedanken keine Chance.

Aber es genügt nicht, unheilsame Gedanken nur zu enthüllen. Unsere Gedankenwelt braucht auch seelische Nahrung. In diesem Zusammenhang können wir an die Worte aus dem 5. Buch Mose denken, die Jesus bei seiner Versuchung zitierte: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« Mit anderen Worten: Auch wenn ein Mensch alles hat, was er braucht, um satt zu sein – das würde nicht ausreichen, um sein Leben lebenswert und sinnvoll zu machen. Die Kriminalität, die von wohlhabenden, gebildeten Menschen ausgeht, bezeugt, dass der Mensch mehr braucht, als satt zu sein. Er braucht geistige Nahrung für seine Seele, die nur von Gott ausgehen kann.

'Bodenmosaik, Szene: Kind und Esel, Fragment', 5. Jh., Byzantinischer Mosaizist des 5. Jahrhunderts

Es wird von einem Bauer erzählt, der einen Esel hatte. Normalerweise wurde der Esel mit Hafer gefüttert. Eines Tages kam der Bauer auf eine Idee, wie er Geld sparen könnte. Er mischte Sägemehl mit dem Hafer, denn Sägemehl hatte er massenhaft und es war kostenlos. Offenbar hat es dem Esel nichts ausgemacht, etwas Sägemehl zu essen. Jeden Tag tat der Bauer etwas mehr Sägemehl in das Futter und scheinbar ging es dem Esel gut. Eines Tages bestand das Futter nur noch aus Sägemehl. An diesem Tag fiel der Esel tot um. Diese Geschichte kann als Gleichnis dienen. Die Seele eines Menschen braucht Nahrung, um Leben zu können. Wenn diese geistige Nahrung nur aus Fernsehtalkshows und aus Illustrierten kommt, dann ist das vergleichbar mit Sägemehl. Scheinbar kann man – wie der Esel – etwas Sägemehl verkraften. Aber von Sägemehl allein kann niemand leben. Es gibt z.B. keinen Ersatz für Wort und Sakrament. Die beste Nahrung kommt aus der Bibel heraus.

Es gibt ein Sprichwort, das lautet: „Wie der Mensch denkt, so ist er“. Die Gedanken sind zwar frei, wie es in einem Volkslied heißt, aber sie führen manchmal in die Unfreiheit hinein. Denn in der Gedankenwelt fängt alles an, das Heilsame und das Bösartige. Möge Gott uns helfen, gute Gedanken zu haben.

Unter den Bedingungen der GNU Free Documentation License, Version 1,2 oder einer späteren veröffentlichten Version von der Free Software Foundation wird die Erlaubnis erteilt, die Photographie 'Toronto Blackout', 2005, Camerafiend zu kopieren, zu verteilen und/oder zu modifizieren.
Das Bild 'Heilung des Gelähmten von Kapernaum', zwischen 980 und 993 n.Chr., Codex Egberti, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Bodenmosaik 'Szene: Kind und Esel, Fragment', 5. Jh., Byzantinischer Mosaizist des 5. Jahrhunderts, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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