Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Lukas 17, 7 – 10 Belohnung kann verhängnisvoll sein

« Predigten Home

Vorfastenzeit - Septuagesimae

Belohnung kann verhängnisvoll sein Lukas 17, 7 – 10

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2001

'Après une journée passée auprès des jeunes participants du tournoi, Amélie Goudjo récompense la plus jeune handballeuse du tournoi', 2008, Macedonia

Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken? Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.
(Lukas 17, 7 – 10)

Eine Frage, die immer wieder in unseren Gemeinden aufgegriffen wird, ist die Frage, warum die Mitgliederzahl unserer Kirche immer kleiner wird. Warum verlassen Menschen die Kirche? – wird immer wieder gefragt. Nach meiner Erfahrung wird zu viel Zeit und Energie an diese Frage verschwendet. Viel wichtiger ist die Frage: Warum gibt es Christen, die der christlichen Gemeinschaft treu bleiben, die trotz aller Unannehmlichkeiten beharrlich bei der Sache bleiben, die bis ans Ende ihres Lebens von Wort und Sakrament leben? Diese Frage ist viel wichtiger als die erstgenannte Frage.

Treue und Ausdauer sind Themen, die wissenschaftlich untersucht worden sind. Zum Beispiel: Im Bundesstaat New York an der Universität von Rochester wurde das Thema Motivation jahrelang untersucht. Dabei gab es Experimente, die zeigten, wie sich Belohnung und Anerkennung auf Motivation auswirken. In einem Experiment bekamen zwei Gruppen von Kindern Malstifte und Papier. In einer Gruppe wurden die Kinder belohnt: jedes Kind bekam eine Auszeichnung für sein Bild – einen goldenen Stern auf einem roten Band mit dem Namen des Kindes auf dem Stern. In der anderen Gruppe gab es keine Belohnung. Nach einigen Tagen bekamen die Kinder wieder Malstifte und Papier und durften frei entscheiden, ob sie malen oder etwas Anderes machen. Welche Kinder haben mit längerer Ausdauer gemalt? Diejenigen, die vorher für ihr Malen belohnt wurden oder die Anderen, die keine Anerkennung bekamen? Es waren die Anderen.

Durch verschiedene Experimente wurde festgestellt, dass die Fähigkeit, in einer Tätigkeit auszuharren, durch Belohnung und Anerkennung untergraben wird. Ein Mensch, der in einer Sache ausharrt, lebt von einer inneren Motivation, die von Belohnung und Anerkennung nicht abhängig ist.

'Patrick Ochs', 2008, H.DuCern

Als Beispiel für diesen Vorgang haben die Forscher auf das Verhalten von Profi-Sportlern hingewiesen. Man müsste denken, dass alle professionellen Athleten 100% motiviert sind: denn für das, was sie leidenschaftlich gern tun, bekommen sie viel Geld – manchmal horrend viel Geld - und dürfen vor Tausenden von Zuschauern auftreten. Aber jeder, der die Eintracht Frankfurt kennt, weiß, dass gerade ein Profi-Sportler große Probleme hat, motiviert zu bleiben und sein Bestes zu geben. Anerkennung und Belohnung haben in vielen Fällen die innere Motivation ausgehöhlt.

Normalerweise wird ein Mensch in einer Sache, die er gern macht, völlig aufgehen, so dass er sich selbst völlig vergisst. Sobald aber Belohnung und Anerkennung ins Spiel kommen, fängt ein Mensch an, zu sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein. Egozentrische Fragen treten auf einmal auf: z.B. bekomme ich genügend Anerkennung für das, was ich leiste? Wird das, was ich tue, ausreichend gewürdigt? Wie stehe ich da im Vergleich zu anderen? Bin ich der Beste oder sind andere besser? Diese Fragen sind Ausdruck einer zweitrangigen Motivation. Und Menschen, die von solchen vordergründigen Beweggründen motiviert sind, können in einer Sache nicht ausharren, sondern geben irgendwann auf.

Diese Erkenntnisse sind nicht neu, sondern sie sind mindestens so alt wie die Bibel. Es fällt auf, dass Jesus eine scharfe Unterscheidung zwischen einer inneren und einer zweitrangigen Motivation machte, und dass er die Gefahr kannte, die in Belohnung und Anerkennung lauert. In der Bergpredigt sagte Jesus:

Wenn ihr betet, wenn ihr fastet, wenn ihr Almosen gebt, sollt ihr ja nicht versuchen, dabei aufzufallen oder euch so hinstellen, dass ihr beobachtet werdet. Ihr sollt im Verborgenen beten, fasten und spenden, damit es keine öffentliche Anerkennung gibt.

Jesus wusste auch, dass ein Mensch, der mit einer zweitrangigen Motivation arbeitet, keine Treue und keine Ausdauer hat. Als Gleichnis dafür erwähnte er den Mietling, der für Geld eine Schafherde hütet; wenn der Wolf kommt, verlässt er die Schafe und flieht. Ein Mensch setzt nur dann sein Leben voll ein, wenn er einen inneren Beweggrund hat.

Jesus war in dieser Frage kompromisslos. Er mahnte seine Jünger, dass sie nicht einmal mit einem Dank rechnen sollten, wenn sie Gott dienen. Wie wir vorhin in dem Lukastext gehört hatten: wenn ein Herr seinem Knecht einen Befehl erteilt, „Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“

Und in diesem Sinne hat Jesus in einem anderen Evangelium die Frage gestellt: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt?“ Wer Gott im Namen Jesu Christi dient, soll nicht mit Dankbarkeit, mit Anerkennung, mit einer höheren Rangordnung, oder mit besonderen Vorteilen rechnen. Sondern wer Gott dient, sollte in diesem Dienst sich selbst völlig vergessen, oder – wie Jesus diese Selbstvergessenheit ausdrückte – die rechte Hand soll nicht wissen, was die linke tut.

Im Alten Testament wird dieses Anliegen noch kompromissloser angepackt. Als die Israeliten aus Ägypten befreit wurden, hatten sie eine Sklavenmentalität. Ein Sklave hat keine innere Motivation für das, was er tut, sondern es geht ihm nur darum, Strafe zu vermeiden und gelegentlich, wenn möglich, eine Belohnung zu bekommen. Diese Sklavenmentalität musste ausgerottet werden, ehe ein Volk Gottes entstehen konnte. Das Volk musste lernen, Gott anzubeten und Gott zu dienen völlig ohne Rücksicht auf Belohnung und Strafe. Und eines Tages erfuhr diese Generation, die aus Ägypten herauszog: ihr werdet nicht in das gelobt Land ziehen. Ihr werdet in der Wüste sterben. Es gibt für euch keine Belohnung, wenn ihr Gott treu bleibt. Ihr sollt jetzt lernen, Gott mit Treue zu dienen, ohne dafür etwas zu bekommen - außer der Freude, die eventuell entstehen kann, wenn ein Mensch in dem Dienst für Gott aufgeht.

Dementsprechend gibt es eine Erzählung von einem Rabbi, der sich gegen Gott auflehnte, weil Gott seiner Meinung nach zu viel unschuldiges Leiden zuließ. Bei diesem Thema konnte er seinen Mund nicht halten, sondern in der Synagoge hat er Gott immer wieder angeklagt. Eines Tages hörte der Rabbi eine Stimme vom Himmel, die sagte: Wenn du weiterhin Gott beleidigst, wirst du von dem Paradies ausgeschlossen. Der Rabbi hörte trotzdem nicht auf, Gott anzuprangern. Und einige Tage später kam wieder eine Stimme vom Himmel, die sagte: „Jetzt bist du zu weit gegangen. Du wirst nicht in das Paradies kommen.“ Was hat der Rabbi jetzt getan? Er dankte Gott. Der Rabbi fühlte sich wie befreit und dankte Gott. Denn jetzt – zum ersten Mal in seinem Leben – konnte er Gott anbeten und ihm dienen – völlig ohne Hintergedanken, völlig ohne Rücksicht darauf, ob er belohnt oder bestraft wird. Jetzt konnte er zum ersten Mal in seinem Leben Gott lieben und dienen, weil er sich freiwillig dafür entschieden hat, und nicht weil er Vorteile erwartete oder Strafe vermeiden wollte.

Und für uns Christen ergibt sich dieselbe Situation wie für diesen Rabbi. Aber mit einem großen Unterschied: das Tor zum Paradies ist für uns nicht zugeschlossen, sondern geöffnet worden. Unser Platz in der ewigen Herrlichkeit Gottes steht uns frei zur Verfügung und ist ein reines Geschenk. Und das heißt, auch wir können rein freiwillig entscheiden, ob wir Gott lieben und dienen wollen oder nicht. Wenn wir wollen, können wir bis zum jüngsten Tag faul herumhängen; das Tor zum Paradies bleibt trotzdem offen, die Gnade bleibt trotzdem ein Geschenk.

In dem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg erzählte Jesus von denen, die den ganzen Tag nichts getan hatten, aber sie bekamen denselben Lohn wie die Anderen, die den ganzen Tag gearbeitet hatten. Der Silbergroschen ist ein Symbol für die bedingungslose Wertschätzung Gottes.

Paulus und Luther haben beide diese Entdeckung gemacht, dass sie völlig frei sind, Gott zu dienen oder nicht zu dienen. Und gerade diese Erkenntnis setzte ungeheure Energien frei. Paulus und Luther waren beide Workaholiker und haben übermenschliche Leistungen vollbracht, gerade weil sie wussten - durch die Gnade Gottes – dass sie keinen Finger für Gott heben mussten, wenn sie nicht wollten. Die Gnade Gottes allein kann eine innere Motivation erwecken und uns von zweitrangigen Motivationen befreien.

Für uns als Kirche ergeben sich daraus Konsequenzen. Denken Sie z.B. an die Konfirmation. Was für eine Wirkung hat es, wenn ein Konfirmand am Tag der Konfirmation sich zu Christus bekennt und als Belohnung dafür, rund 2000 Mark kassiert und teuere Geschenke bekommt? Es wird behauptet, dass es Konfirmanden gibt, die sich nur der Geschenken will konfirmieren lassen. Auch wenn das stimmen sollte – wovon ich nicht überzeugt bin – wäre das nicht das Schlimmste. Viel schlimmer ist es, wenn ein junger Mensch aufrichtig vorhat, sein Konfirmationsbekenntnis einzuhalten, aber dann in seiner inneren Motivation gleich angegriffen wird durch materielle Belohnung.

Oder ein anderes Beispiel: denken Sie an die Leute, die sagen: Warum hat Gott zugelassen, dass es mir so schlecht geht: ich habe so oft gebetet, ich war immer anständig, warum hat mich Gott im Stich gelassen. Hier wird mit einer Belohnung gerechnet, die organisch nicht zu dem Evangelium gehört.

Oder denken Sie an die Leute, die früher in einer Kleinstadt wohnten. Jahrhundertlang mussten solche Menschen den Gottesdienst besuchen, weil es erwartet wurde. Wer als anständig gelten wollte, musste den Gottesdienst besuchen, sonst war man dem Geschwätz der Nachbarn und der Verwandtschaft ausgesetzt. Wenn Menschen heute so defensiv beteuern, dass man nicht in die Kirche rennen muss, um ein anständiger Christ zu sein, so ist das eine Reaktion auf diesen Druck, den es einmal gab und der gelegentlich auch heute noch vorkommt. Dieser moralische Druck, den Gottesdienst besuchen zu müssen, war unsagbar unheilsam. Die Entfaltung einer inneren Motivation für die Anbetung Gottes wurde dadurch untergraben. Es ist deshalb kein Wunder, wenn Menschen aus der Kirche austreten, sobald sie von einem Geburtsort in die Anonymität einer Großstadt ziehen.

Wir können dankbar sein, dass das Christsein immer mehr von einem falschen Ansehen befreit worden ist. In der Anonymität einer Großstadt kann eine innere Motivation für das Christsein entstehen, die in früheren Zeiten vielleicht nicht möglich war.

'Sakramente', PSch

Die einzige Belohnung, die ein Christ hat und braucht, sind Wort und Sakrament. Ein Christ hat die Bibel und die Auslegungsmöglichkeiten, die die Christenheit bietet. Mehr braucht er nicht. Ein Christ hat Taufe und Abendmahl. Mehr braucht er nicht. Treue und Ausdauer entstehen, wenn ein Christ nur von Wort und Sakrament lebt und keine zusätzlichen Sonderleistungen von Gott erwartet, oder besondere Kundendienstleistungen von seiner Kirche, oder außergewöhnliche Anerkennung für ehrenamtliche Arbeit.

Die Kirche hat seit der Reformation davon gesprochen, dass Wort und Sakrament rein erhalten bleiben müssen. Sie bleiben rein, wenn sie nicht ergänzt werden durch Belohnungen und durch moralischen Druck, die zu dem Evangelium nicht gehören. Sie bleiben rein, wenn wir uns an der Gnade Gottes freuen und uns freuen, dass Gott so großzügig ist – dass jeder denselben Silbergroschen bekommt - d.h. dieselbe Gnade. Wort und Sakrament bleiben rein, solange wir nicht besondere Anerkennung verlangen - wie die ersten Arbeiter im Weinberg, die sagten: „Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben.“ Wer so redet, lebt von einer oberflächlichen Motivation.

Möge Gott uns helfen, von einer inneren Motivation zu leben und ihm ohne Hintergedanken zu dienen.

Die Photographie 'Après une journée passée auprès des jeunes participants du tournoi, Amélie Goudjo récompense la plus jeune handballeuse du tournoi', 2008, Macedonia, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Die Photographie 'Patrick Ochs', 2008, H.DuCern, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

^ Zum Seitenanfang

PSch