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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 2. Könige 5, 1 - 19 Warum sich Gott klein macht

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3. Sonntag nach Epiphanias

Warum sich Gott klein macht 2. Könige 5, 1 - 19

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2006

'Elisa verweigert die Annahme der Geschenke Naemans', 1637, Haarlem, Niederlande.

'Elisa verweigert die Annahme der Geschenke Naemans', 1637, Haarlem, Niederlande.

Naaman, der Feldhauptmann des Königs von Aram, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und wertgehalten; denn durch ihn gab der HERR den Aramäern Sieg. Und er war ein gewaltiger Mann, jedoch aussätzig. Aber die Kriegsleute der Aramäer waren ausgezogen und hatten ein junges Mädchen weggeführt aus dem Lande Israel; die war im Dienst der Frau Naamans. Die sprach zu ihrer Herrin: Ach, dass mein Herr wäre bei dem Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz befreien. Da ging Naaman hinein zu seinem Herrn und sagte es ihm an und sprach: So und so hat das Mädchen aus dem Lande Israel geredet. Der König von Aram sprach: So zieh hin, ich will dem König von Israel einen Brief schreiben. Und er zog hin und nahm mit sich zehn Zentner Silber und sechstausend Goldgulden und zehn Feierkleider und brachte den Brief dem König von Israel; der lautete: Wenn dieser Brief zu dir kommt, siehe, so wisse, ich habe meinen Knecht Naaman zu dir gesandt, damit du ihn von seinem Aussatz befreist. Und als der König von Israel den Brief las, zerriss er seine Kleider und sprach: Bin ich denn Gott, dass ich töten und lebendig machen könnte, dass er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit mir sucht! Als Elisa, der Mann Gottes, hörte, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte, sandte er zu ihm und ließ ihm sagen: Warum hast du deine Kleider zerrissen? Lass ihn zu mir kommen, damit er innewerde, dass ein Prophet in Israel ist. So kam Naaman mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas. Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden. Da wurde Naaman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand hin zum Heiligtum erheben und mich so von dem Aussatz befreien. Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, so dass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn.
Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wieviel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein.
Und er kehrte zurück zu dem Mann Gottes mit allen seinen Leuten. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht.
Elisa aber sprach: So wahr der HERR lebt, vor dem ich stehe: ich nehme es nicht. Und er nötigte ihn, dass er es nehme; aber er wollte nicht. (2. Könige 5, 1 - 19)

Vor einigen Jahren passierte etwas an einer Tankstelle, was kaum zu glauben ist. Der Betreiber dieser Tankstelle hat folgendes beobachtet: ein Auto hielt an einer Zapfsäule – aber kein gewöhnliches Auto, sondern mit zusätzlicher Ausstattung, so dass es wie ein Rennwagen aussah. Der Autofahrer stieg aus, tankte voll und machte sich auf den Weg zur Kasse. Aber plötzlich blieb der Mann stehen: vor ihm stand sein großer Held – ein australischer Rennfahrer mit dem Namen Peter Brock. Der Fahrer redete seinen Held an: er erzählte, wie sehr er ihn bewunderte und er fragte diesen Peter Brock, ob er von ihm ein paar Ratschläge bekommen könnte, wie man einen Rennwagen steuert. Aber dann merkte er, dass etwas nicht stimmt. Leute, die daneben standen, haben gelacht. Und der Rennfahrer sah irgendwie komisch aus. Und dann merkte er: er hat nicht eine lebendige Person angesprochen, sondern ein Pappmodell des Rennfahrers.

Es gibt etwas Vergleichbares im Bereich des Glaubens. Es gibt Leute, die überzeugt sind, dass Sie im Gebet Gott anreden. Aber sie reden nicht mit dem lebendigen Gott – mit Gott, so wie er wirklich ist – sondern wie mit einem Pappmodell, mit einem Gottesbild.

Im Jahre 1952 erschien ein Buch mit dem Titel: „Dein Gott ist zu klein“. In diesem Buch führte ein anglikanischer Theologe mit dem Namen Phillips vor, welche Gottesbilder es gibt, die Gott reduzieren und verfälschen. Er beschrieb die Gottesbilder, die entstehen, wenn menschliche Kategorien auf eine jenseitige Welt übertragen werden. Die Gottesbilder, die dadurch entstehen, wurden folgendermaßen bezeichnet: der anklagende Polizist, der Elternersatz, der alte Mann mit dem langen weißen Bart, der Zuflucht bietende Schoß, der Lückenbüßer, der für alle Fragen zuständig ist, für die es sonst keine Antwort gibt, der oberste Abteilungsleiter, der das Universum dirigiert.

Interessanterweise erschien im Jahre 1987 ein Buch mit dem Titel: „Aufpassen: Dein Gott ist zu groß“. Es ging um dasselbe Thema, um Gottesbilder, aber von einer anderen Perspektive. Dieses Buch stammte von einem Pfarrer aus der kalvinistischen Tradition, der seine Tochter verlor, als sie drei Jahre alt war. Seine kleine Tochter wurde innerhalb von 9 Monaten vier mal operiert und kam 9 mal ins Krankenhaus.

Diese Erschütterung führte dazu, dass er Gemeindeglieder nach ihren Enttäuschungen mit Gott fragte. Er fragte sie, ob sie gehofft hatten, dass Gott etwas tun würde, was er nicht tat. Und er bekam einige Rückmeldungen: eine Person hat dafür gebetet, dass ein frühgeborenes Kind am Leben bleibt; aber das Kind ist gestorben. Ein anderer hat gehofft, dass Gott seine schützende Hand über Menschen halten würde, die sich zu ihm bekennen – und dann hörte er, wie eine Frau auf dem Weg zur Kirche brutal überfallen wurde. Ein anderer hatte dafür gebetet, dass es in den dürren Gebieten Afrikas regnen würde, aber es tat sich nichts: Afrikaner starben weiterhin den Hungertod.

Aus diesen Meldungen und aus seiner eigenen Enttäuschung mit Gott ist das Buch entstanden: „Aufpassen: Dein Gott ist zu groß“. In diesem Buch geht er auf die biblische Geschichte ein, die nicht nur von den Wundern Gottes erzählt, sondern auch von Verbitterungen, weil Gott nicht eingegriffen hatte. Die Bibel verkündet zwar, dass bei Gott alles möglich ist, aber sie berichtet auch von einem Gott, der öfters schweigt, der oft nicht eingreift, der sich häufig zurückhält. Die Botschaft des Buches lautet: die Liebe, Gnade, Kraft und Herrlichkeit Gottes sind zwar unermesslich groß - kein Mensch kann die Größe Gottes erfassen - aber man darf auch nicht vergessen, dass Gott sich klein macht. Man darf Gott nicht vorschreiben, dass er immer mit seiner vollen Größe zu erscheinen hat, sondern er macht sich klein – und er wird seine Gründe dafür haben, weshalb er oft unauffällig auftritt.

Und diese Unauffälligkeit Gottes ist das Thema des heutigen Textes aus dem 2. Buch der Könige. Es geht um einen königlichen Feldhauptmann mit dem Namen Naaman, der eine hässliche Hautkrankheit hatte. Dieser Naaman begegnet dem Gott Israels mehrmals in dieser Geschichte: aber Naaman merkt nicht, dass er dem lebendigen Gott begegnet, weil er Gottesbilder im Kopf hat, die ihn in die falsche Richtung lenken. Dieser Naaman bildet sich ein, - wegen seiner Gottesbilder - dass er berechnen kann, wie Gott vorzugehen hat. Es fängt damit an, dass Naaman zu dem König von Israel geschickt wird, weil man davon ausgeht, dass nur ein König würdig ist, göttliche Heilungen durchzuführen. Dann wird Naaman doch zu dem Propheten Elisa geschickt, aber der Prophet reagiert nicht, wie der Kranke erwartet. Er erscheint nicht persönlich, sondern schickt einen Boten mit einer merkwürdigen Anweisung: Naaman sollte sieben mal im Jordan baden. Daraufhin sagt der Aussätzige:

Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand hin zum Heiligtum erheben und mich so von dem Aussatz befreien. Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, so dass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte?

'Elisha (right) Refusing Gifts from Naaman', 1630, Pieter De Grebber

Er hat genaue Vorstellungen, wie eine Begegnung mit Gott sich abzuspielen hat. Er ist verärgert, dass er es immer nur mit Knechten zu tun hat: drei mal in dieser Geschichte treten Knechte als Boten Gottes auf. Er ist verärgert, weil die Anweisungen des Propheten so banal sind. Er ist verärgert, weil er in dem schlammigen Jordan baden muss, wo es doch in seiner Heimat viel bessere Flüsse gibt. So hat er sich die Begegnung mit Gott nicht vorgestellt. Und er hätte beinahe die Heilung verpasst. Aber dann badet er doch in dem Jordan und wird geheilt. Und jetzt will er die Heilung durch eine großzügige Spende vergelten oder bezahlen. Aber auch hier erlebt er eine weitere Kränkung. Seine Spende wird nicht angenommen. Er muss es sich gefallen lassen, dass die Heilung als eine Gnade anzunehmen ist, die er weder bezahlen noch vergelten kann. Er muss lernen, dass der Gott Israels unbestechlich ist.

Diese Geschichte veranschaulicht, wie sich Gott klein macht. Die Vertreter Gottes sind nicht Könige, sondern Sklaven und Knechte. Der Ort der Begegnung mit dem Heil Gottes ist nicht ein Tempel oder eine Kathedrale, sondern ein kleiner, schlammiger Fluss. Und die Heilsbotschaft wird nicht mit eindrucksvollen Zeremonien oder Kulthandlungen begleitet, sondern scheint trivial zu sein. Und hinzu kommt, dass das Heil kostenlos ist. Was kostenlos ist, kann nicht viel wert sein – ist eine bekannte Denkweise.

Diese Geschichte mit Naaman veranschaulicht, wie die Begegnung mit Gott vor sich geht. Man muss sich frei machen von vorgefertigten Meinungen, wie Gott sich zu benehmen hat. Gott ist nicht unbedingt in dem Lauten und in dem Gewaltigen zu suchen, sondern in leisen Tönen und in kleinen Gesten. Es gibt z. B. eine Menge Kirchenmitglieder, die nicht glauben können, dass Gott in einer kleinen Hostie und in einem winzigen Schluck Wein erscheinen kann. Oder es wird immer wieder übersehen, dass eine kleine Geste der Barmherzigkeit eine Begegnung mit Gott sein kann.

Es gibt einen jungen Mann, der arbeitslos wurde. Daraufhin wurde er verzweifelt und suchte einen älteren Pfarrer auf, den er kannte. Er schüttete sein Herz aus und sagte schließlich: „Ich hatte zu Gott gebettelt und gebettelt, dass er irgendetwas sagt, was mir weiter hilft. Warum antwortet er nicht?“ Der Geistliche sagte etwas, was so leise war, dass der junge Mann es nicht verstehen konnte. Er rückte seinen Stuhl näher und fragte: „Was haben Sie gesagt?“ Die Aussage wurde wiederholt, aber wieder so leise, dass der junge Mann nichts verstehen konnte. Er kam noch näher und sagte: „Es tut mir Leid. Ich kann Sie nicht verstehen.“ Der Pfarrer wiederholte seine leise Mitteilung und diesmal konnte der junge Mann verstehen, was er sagte. Die Aussage lautete: „Manchmal flüstert Gott, damit wir seine Nähe aufsuchen, um ihn zu hören.“ Diese Begebenheit erinnert an den Propheten Elia, der den Berg Sinai aufsuchte als Ort, wo Gott sich offenbart hatte, und ihn dort als ein „stilles, sanftes Sausen“ erlebte.

Gott ist zwar überall, aber das heißt nicht, dass man ihm überall begegnet. Allerdings gibt es eine menschliche Neigung, Gott vorschreiben zu wollen, dass er überall und jederzeit zugänglich zu sein hat, gerade so wie wir ihn brauchen. Der egozentrische Mensch denkt: Gott hat für mich da zu sein: wie, wann und wo ich will. Denn so stellt man sich Gott vor, als ständig zur Verfügung stehenden Nothelfer. Aber der lebendige Gott schreibt vor, wie und wo und wann er uns aufsucht, und wir haben uns danach zu richten. Und es hat Gott gefallen, in der biblischen Geschichte, in den Sakramenten und in Diensten der selbstlosen Liebe anwesend zu sein.

Und wie der heutige Text veranschaulicht: Gott kann auch sogenannte kleine Leute als seine Boten einsetzen. Gott kann sein Heil so anbieten, dass Menschen mit der Nase rümpfen, weil die Form der Vermittelung zu einfach oder zu gewöhnlich erscheint. Gott macht sich gern klein, damit wir wirklich eine Entscheidungsmöglichkeit bekommen, ob wir uns auf ihn einlassen wollen oder nicht. Gott will uns nicht mit seiner Größe überwältigen, sondern er will unsere Willensentscheidungen in seine Pläne einbeziehen. Deshalb kommt er zu uns in kleinen Leuten, in kleinen Gesten, in kleinen Angeboten.

Wie Paulus in dem 2. Korintherbrief schreibt: „Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“

Das Kunstwerk 'Elisa verweigert die Annahme der Geschenke Naemans', 1637, Haarlem, Niederlande, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.
Das Gemälde 'Elisha (right) Refusing Gifts from Naaman', 1630, Pieter De Grebber, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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