Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt:

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Altjahrsabend

Nicht Erfolg, sondern Treue Lukas 12, 35 – 40

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 31. Dezember 2008 im Kirchsaal Süd

Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun. Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen. Und wenn er kommt in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und findet's so: selig sind sie. Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen. Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint. (12, 35 – 40)

Am 19. Mai 1780 gab es in der nordamerikanischen Stadt Hartford eine Versammlung des Repräsentantenhauses des Bundesstaates Connecticut. Es gab an diesem Tag ein Unwetter. Am Vormittag schien die Sonne, um Mittag war der Himmel grau und am Nachmittag war der Himmel so schwarz, dass es unheimlich wurde. Der Himmel war so außerordentlich dunkel, dass er ehrfurchterregend aussah. Heutzutage würden Politiker in einer solchen Situation an die globale Erwärmung der Atmosphäre und an die verheerenden Folgen für das Wetter denken. Aber damals dachten die Politiker in biblischen Kategorien. Für viele war dieser schwarze Himmel die mögliche Ankündigung eines Weltuntergangs und des jüngsten Gerichts. Einige Mitglieder des Repräsentantenhauses fielen auf die Knie und beteten um ihr Seelenheil. Einige flehten um einen letzten Segen vor dem Weltende. Andere forderten eine sofortige Auflösung der Versammlung. Der Leiter der Versammlung, ein ehemaliger Offizier mit dem Namen Davenport, stand auf, forderte die Versammlung dazu auf, still zu sein, und sagte folgendes: „Der Tag des jüngsten Gerichts ist entweder nahe herbei gekommen oder auch nicht. Wenn das Weltende nicht bevorsteht, gibt es keinen Grund, diese Versammlung aufzulösen. Aber wenn der jüngste Tag herannaht, dann möchte ich, dass Gott mich so vorfindet, dass ich dabei bin, meine Pflichten zu erfüllen. Ich bitte darum, dass Kerzen angezündet werden (, damit wir weiter machen können).“

Diese Begebenheit entspricht der Botschaft des Lukastextes, der für heute Abend vorgesehen ist. Auf der einen Seite geht es um die Ankündigung, dass Gott jederzeit die bisherige Menschheitsgeschichte mit einem Tag der Rechenschaft abschließen könnte. Die Bereitschaft, jederzeit mit einem sogenannten „Tag des Herrn“ zu rechnen, ist ein fester Bestandteil des biblischen Glaubens.

Ein „Tag des Herrn“ wurde von alttestamentlichen Propheten vorausgesagt. Propheten wie Amos und Joel schrieben: es wird einen Tag der Abrechnung geben, an dem sich Gott öffentlich offenbart; er würde an diesem Tag die bisherige Weltordnung auflösen. Es wurde erwartet, dass dieser Tag des Herrn finster sein sollte; am Mittag würde die Sonne sich verfinstern, hieß es. Der Tag des Herrn bedeutet die Auflösung der alten und die Einführung einer neuen Schöpfung. Was das alles bedeutet, lässt sich im Voraus nicht genau sagen. Erst wenn der Tag des Herrn eintritt, werden wir wissen, wie die prophetischen Worte zu verstehen sind.

Jesus verglich diesen Tag des Herrn mit einem Hochzeitsfest. Im Vordergrund steht nicht das Bedrohliche, sondern die unermessliche Freude, die ein Hochzeitsfest in der damaligen Zeit beinhaltete. Es gab damals Hochzeitssitten, die uns in Europa nicht bekannt sind. Zu diesen Sitten gehörte es, in einer bestimmten Phase des Festablaufs auf den Bräutigam zu warten, der zu einem unberechenbaren Zeitpunkt erscheinen konnte. Die Wartezeit konnte sich so lange hinziehen, dass die Wartenden schläfrig wurden, und wenn sie nicht aufpassten, würden ihre Öllampen ausgehen. Und in diesem Zusammenhang sagt Jesus:

Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun. Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet.

Und dann kommt ein zweites Gleichnis dazu, das Gleichnis eines Diebstahl-Einbruchs:

Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen. Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint.

Jesus fordert uns dazu auf, wachend, wartend, aufbruchbereit zu sein. Aber was ist genau damit gemeint?

Ein Beispiel dafür, was es bedeutet, wachend, wartend und aufbruchbereit zu sein, gab es in den 50er Jahren in dem Bundesstaat Georgia in dem Süden der USA. Es gab dort einen Mann mit dem Namen Clarence Jordan. Er hatte zwei Doktortitel: in Landwirtschaft und in den biblischen Sprachen, griechisch und hebräisch. In den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts gründete er eine Landwirtschaftsgemeinschaft, an der arme Landarbeiter beteiligt waren, schwarze und weiße zusammen. Dieses Projekt hieß Koinonia, das biblisch-griechische Wort für Gemeinschaft. Es gab von Rassisten Widerstand gegen dieses Projekt, weil sie nicht damit einverstanden waren, dass weiße und schwarze gleichberechtigt zusammenarbeiteten. Es wurde Druck ausgeübt: z. B. die landwirtschaftlichen Erzeugnisse dieses Projektes wurden boykottiert, oder Reifen von den Lastwagen der Projektarbeiter wurden aufgeschlitzt. Aber der Höhepunkt kam 1954, als maskierte Männer versuchten, das Projekt mit roher Gewalt auszulöschen. Eines Nachts kamen sie mit Gewehren und Fackeln. Sie zündeten die Felder und alle Häuser an – außer einem, und mit Gewehrschüssen vertrieben sie alle Arbeiter. Nur der Projektleiter und eine einzige schwarze Familie ließen sich nicht vertreiben.

Am nächsten Tag kam ein Journalist von der lokalen Zeitung, um einen Bericht zu schreiben. Er fand den Leiter des Projekts, Clarence Jordan, auf einem Feld; er war dabei, das Feld mit einer Hacke zu bearbeiten und neue Samen zu säen. Dieser Journalist gehörte zu der Horde, die das Projekt in der Nacht vorher verwüstet hatte, und er wollte Schadenfreude genießen, indem er spitze Fragen stellte. Aber der Projektleiter blieb ruhig und ließ sich von der Arbeit nicht abbringen. Schließlich stellte der Journalist eine provozierende Frage: Also Dr. Jordan, Sie haben zwei Doktortitel und Sie haben 14 Jahre lang an diesem Projekt gearbeitet, aber es ist nichts übrig geblieben. Meinen Sie, dass Sie erfolgreich waren?” Der Angesprochene hörte momentan auf zu arbeiten, schaute seinen Fragesteller direkt an und sagte: „Dieses Projekt war so erfolgreich wie das Kreuz Jesu. Mein Herr, Sie verstehen uns nicht. Unser Anliegen ist nicht Erfolg, sondern Treue. Wir bleiben.“ Das Projekt wurde wieder aufgebaut und existiert bis heute.

Der Begriff „Treue“ in diesem Zusammenhang beinhaltet verschiedene Dinge: Pflichterfüllung, Beständigkeit, Ausdauer, Liebe zu Gott. Auf jeden Fall ist dieser Projektleiter ein Beispiel dafür, was Jesus meinte, als er davon sprach, wachend, wartend, aufbruchbereit zu bleiben, die Lenden gegürtet, die Lichter dauerhaft angezündet. Denn zuletzt ist jede Arbeit für Gott nicht umsonst, egal wie klein oder scheinbar erfolglos diese Arbeit ist.

In dem vergangenen Jahr haben wir erlebt, wie unsicher das Leben in dieser Welt und in der Kirche sein kann. Dieses Jahr hat gezeigt, wie schnell vermeintliche Sicherheitsgrundlagen zusammenbrechen können. Ein prominentes Thema für die Kirche in Frankfurt und für unsere Gemeinde war die Notwendigkeit, Gebäudeflächen preiszugeben. Als Kirchengemeinde müssen wir immer wieder damit rechnen, dass Einiges, was uns vertraut ist, preisgegeben werden muss. Aber das ist kein neues Thema für uns als Kirche. Jeder, der mit einer Kirchengemeinde lebt, weiß, dass es immer Wandel und Verlust gibt. Keine Tradition, keine Person, keine Gruppe, keine Veranstaltung ist absolut dauerhaft, sondern Wandel, Verlust und Misserfolg gehören zu der Tagesordnung einer Kirchengemeinde.

Und es gibt Menschen, die Veränderung, Verlust und scheinbaren Misserfolg nicht verkraften. Wenn sie etwas verlieren, was ihnen liebgeworden war, wenn sie merken, es läuft nicht so, wie sie sich das vorgestellt haben, dann steigen sie aus. Oder sie bleiben formell dabei, aber sind innerlich unmotiviert oder verbittert.

Als Gemeinde leben wir von den Menschen, die trotz Verlust, Misserfolg und Veränderung dem Anliegen Christi treu bleiben. Oder um es mit der Sprache des Lukastextes auszudrücken, wir leben von den Menschen, die wach bleiben, die auf Christus aktiv warten, die aufbruchbereit sind, die ihre Lichter nicht ausgehen lassen, die in dem Bewusstsein leben, dass Jesus Christus die Menschheitsgeschichte zu einer Vollendung bringen wird, wenn er - so unerwartet wie ein Dieb in der Nacht - in Macht und Herrlichkeit erscheint. Wer auf diese Vollendung wartet, bekommt dadurch die Motivation um auszuharren, um nicht aufzugeben, um wach und aufmerksam zu bleiben und mit Treue die kleinen Pflichten zu erfüllen, die vorgesehen sind.

Eine weitere Botschaft des Lukastextes lautet: Der sogenannte Erfolg liegt zuletzt in den Händen Gottes. Gott wird bestimmen, was Erfolg ausmacht, an einem Tag, den er allein zu bestimmen hat. Das Kreuz war scheinbar eine Niederlage, aber Gott hat daraus ein Siegeszeichen gemacht.

In diesem Zusammenhang gibt es eine Parallelität zwischen Mutter Theresa und dem Projektleiter, der vorhin erwähnt wurde. Ein Journalist hat die Projekte in Indien angesehen, die Mutter Theresa geleitet hatte: vor allem die Betreuung der Sterbenden. Er hat sie gefragt, ob sie ihre Arbeit als Erfolg ansieht. Sie schaute den Journalisten an, als ob sie seine Frage nicht verstanden hätte. Sie antwortete: „Es ist mir nicht bekannt, dass ich dazu beauftragt bin, erfolgreich zu sein. Ich bin beauftragt, treu zu bleiben.“

Und das ist auch unser Auftrag als Kirchengemeinde. Im neuen Jahr können wir damit rechnen, dass wir nach menschlichem Ermessen nicht immer erfolgreich sein werden. Wir müssen damit rechnen, dass wir Verluste und Verunsicherungen erleiden werden. Aber unser Auftrag lautet:

Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun. Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen. Und wenn er kommt in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und findet's so: selig sind sie...
Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint.

Das Bild wurde ursprünglich von dhondusaxena bei http://flickr.com/photos/36669145@N00/187469545 zu Flickr gesendet. Es wurde am 11 December 2007 (UTC) um 09.49 Uhr vom FlickreviewR robot erfasst und seine Lizensierung unter den Bedingungen der cc-by-sa-2.0 bestätigt. Dieses Bild ist lizensiert unter Creative Commons Attribution ShareAlike 2.0 License.

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