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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Röm. 8, 32 Das größte Weihnachtsgeschenk aller Zeiten

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Christfest, 2. Feiertag

Das größte Weihnachtsgeschenk aller Zeiten Röm. 8, 32

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 24. Dezember 2008 im Kirchsaal Süd

'Geburt Christi', Geertgen tot Sint Jans, um 1490

'Geburt Christi', Geertgen tot Sint Jans, um 1490

Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? (Röm. 8, 32)

Vor 29 Jahren hat ein Soziologe mit dem Namen Theodor Caplow Weihnachten untersucht und fand heraus, dass Weihnachtsgeschenke strengen Regeln unterworfen sind. Ich nenne Ihnen einige Regeln, damit Sie überprüfen können, ob Sie in diesem Jahr korrekt geschenkt haben.

Regel 1: Von jedem Erwachsenen wird erwartet, dass er ein Weihnachtsgeschenk an Ehepartner, Kinder, Enkel, Eltern und Großeltern gibt - außerdem an alle Geschwister und deren Ehepartner, sofern mit ihnen persönlicher Kontakt besteht. Die angeheiratete Verwandtschaft ist wie die eigene zu behandeln.

Regel 2: Kinder dürfen erwarten, dass sie von den Eltern wesentlich mehr geschenkt bekommen, als umgekehrt. Geschenke für kleinere Kinder hinterlässt offiziell das Christkind oder der Weihnachtsmann. Aber sobald ein Kind alt genug ist, um zu erkennen, dass die Eltern dahinterstecken, ist es zu Gegengeschenken angehalten.

Regel 3: Geschenke sollen erwidert werden, aber sie müssen nicht im gleichen Wert erwidert werden. Wo der Wert aber ungleich ist, gibt es dafür Regeln: Männer schenken Frauen, Ältere schenken Jüngeren teurere Dinge – nicht umgekehrt. Auch die Ausnahmen von der Gegenseitigkeits-Regel sind geregelt: Haushaltshilfen, Pflegerinnen, Krankengymnasten, regelmäßige Lieferanten erhalten Geschenke ohne Gegengeschenke.

Regel 4: Geldgeschenke sind innerhalb der Verwandtschaft zulässig – aber nur von der älteren zur jüngeren Generation, also von Großeltern zu Enkeln, Tanten zu Nichten und so weiter.

Auf jeden Fall soll das Geschenk den Gefühlswert der Beziehung zwischen Geber und Nehmer widerspiegeln – und das genau abgestimmt auf den Gefühlswert anderer Beziehungen, die ebenfalls zu Weihnachten präsent sind. Und jetzt wird es kompliziert. Zum Beispiel: das Geschenk für einen Neffen darf nicht größer sein als das für den eigenen Sohn oder die Schwiegertochter. Abweichungen von den Regeln sind entweder auf besondere, in der Beziehung selbst liegende Umstände zurückzuführen – zum Beispiel wenn der Neffe den Onkel pflegt – oder durch minderwertige Geschenke werden Entfremdungen oder Beziehungskrisen angezeigt.

Diese Regeln zeigen, dass Weihnachtsgeschenke alles andere als Geschenke sind. Weihnachtsgeschenke sind Beziehungs-Pflicht, oder sie sind Vergeltung, oder sie sind Bezahlung für Dienste oder sie sind Anerkennungen. Natürlich gibt es innerhalb der Gesetzmäßigkeiten so etwas wie Freude am Schenken. Natürlich gibt es Geschenke, die aus dem Herzen kommen. Aber wenn Sie einen Menschen in große Verlegenheit bringen möchten, dann geben Sie ihm ein Weihnachtsgeschenk, ohne dass es eine Begründung dafür gibt. Ein Weihnachtsgeschenk zu empfangen, das einem nicht zusteht, weil man nicht zu dem Verwandten-, Dienstleistungs- oder Freundeskreis gehört, ist peinlich. Ein Weihnachtsgeschenk zu empfangen, das einem nicht zusteht – und das man ohne Gegengeschenk mit leeren Händen empfangen muss – das grenzt an Demütigung. Aber noch verheerender wäre es, ein Geschenk nicht anzunehmen. Ein Geschenk nicht anzunehmen, ist absolut undenkbar. Ein Weihnachtsgeschenk abzulehnen, ist fast die größte Beleidigung, die es gibt. Es gibt ein Sprichwort aus Nigeria, das lautet: „Man liebt den andern nicht, wenn man sich nichts von ihm schenken lassen will.“

Und das bringt uns zu dem Weihnachtsgeschenk Nummer eins. Das größte Weihnachtsgeschenk aller Zeiten wird in einem Weihnachtslied verkündet, wo es heißt:
„Lobt Gott, ihr Christen alle gleich, in seinem höchsten Thron, der heut schleußt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn, und schenkt uns seinen Sohn.“

Dieses Geschenk passt überhaupt nicht in die Gesetzmäßigkeiten der Weihnachtsgeschenke. Denn vor diesem Geschenk gab es keine Beziehung zwischen Geber und Empfangenden. Es gibt deshalb keine Begründung für dieses Geschenk. Vor diesem Geschenk gab es sogar Entfremdung zwischen Geber und Empfangenden. Normalerweise ist Entfremdung ein Grund, Geschenke zu verweigern oder durch minderwertige Geschenke die gestörte Beziehung zu dokumentieren. Aber so etwas tut Gott nicht.

Und dieses Geschenk des Sohnes lässt sich nicht mit einem Gegengeschenk ausgleichen. Dieses Geschenk ist einfach zu groß, es ist unermesslich. Keine menschliche Gegenleistung könnte diese Gabe ausreichend würdigen. Im Gegenteil: wenn jemand versuchen würde, dieses Geschenk durch eine Opfergabe auszugleichen, würde er es riskieren, dieses Geschenk zu entwürdigen.

Es grenzt an Demütigung, was wir von Gott empfangen. Er schenkt uns seinen Sohn und schenkt uns damit sich selbst. Er schenkt uns sein ganzes Herz. Er schenkt uns unzerstörbare Gemeinschaft mit ihm in Ewigkeit. Er schenkt uns die Antwort auf die tiefste Sehnsucht des Herzens. Er schenkt uns Leben, das nicht im Grab endet.

Es besteht auch die Möglichkeit, dieses Geschenk nicht anzunehmen. Das machen viele. Normalerweise darf man ein Weihnachtsgeschenk nicht ablehnen. Aber Gott wird uns nicht dazu zwingen, sein Weihnachtsgeschenk anzunehmen. Er lässt es sich gefallen, dass Millionen von Menschen sein Geschenk nicht annehmen.

Aber Gott hat uns auch eine Möglichkeit gegeben, wie wir sein Geschenk annehmen und ihm danken können. Das gehört auch nicht zu den Spielregeln eines Weihnachtsgeschenkes. Normalerweise darf der Gebende keine Vorschläge machen, wie die Danksagung aussehen könnte. Aber Gott hat unsere Danksagung selber eingerichtet. Sie heißt Eucharistie/Abendmahl.

Und jetzt wird es wirklich eigenartig. Unsere Danksagung an Gott besteht darin, dass wir sein Weihnachtsgeschenk immer wieder empfangen. Wir danken Gott, indem wir zum Altar gehen und die Opfergabe seines Sohnes immer wieder als Geschenk annehmen. In dem Römerbrief steht geschrieben:

Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?

Es ist paradox, dass wir Gott danken, indem wir das Weihnachts- und Ostergeschenk immer wieder mit Brot und Kelch empfangen und durch diese Handlung alles annehmen, was Gott uns zu schenken hat.

Aber es gibt eine letzte Eigentümlichkeit bei diesem Weihnachtsgeschenk Gottes. Der Kirchenvater Hieronymus hat sich mit dieser Geschenk-Thematik befasst. Hieronymus verbrachte das Ende seines Lebens Anfang des 5. Jahrhunderts in Bethlehem (+ 419).
(Als er Bischof werden sollte, nahm er das Amt nicht an – mit der Begründung: „Man bringt mich nicht vom Kripplein Christi, mir ist nirgends besser. Eben an dem Ort, da mir Gott Seinen Sohn vom Himmel gegeben hat, da will ich meine Seele hinauf in den Himmel schicken.“)

Er wohnte in der Nähe der Geburtsstätte Jesu, die er öfters besuchte; und in seinem Herzen führte er Gespräche mit dem Kind in der Krippe. Gegen Ende seines Lebens schrieb er ein solches Gespräch auf. Er sagte zu dem Kind: „Ach Herr Jesus, wie zitterst Du, wie hart liegst Du um meiner Seligkeit willen! Wie soll ich dies vergelten?“ Das Kind antwortete: „Ich wünsche mir nichts, außer dass du singst „Ehre sei Gott in der Höhe“. Hieronymus erwiderte: „Liebes Jesulein, ich muss Dir etwas geben. Ich will Dir all mein Geld geben.“ Das Kind antwortete: „Himmel und Erde gehören mir. Ich brauche dein Geld nicht. Gibt’s den Armen“. Hieronymus sagte: „Ich will’s gern tun. Aber ich will dir etwas Persönliches geben.“ Das Kind antwortete: „Lieber Hieronymus, weil du so grußzügig bist, will ich dir sagen, was du mir geben sollst: Gib her deine Sünde, dein böses Gewissen und deine Verdammnis.“ Der alte Mann fragte: „Was willst du damit machen?“ Die Antwort lautete: „Ich will’s auf meine Schultern nehmen, das soll meine Herrschaft und herrliche Tat sein, wie Jesaja vorzeiten geredet hat, dass ich deine Sünde tragen und wegtragen will“. Hieronymus war tief gerührt, fing an zu weinen und sagte: „Ich dachte, du wolltest was Gutes haben, aber du willst alles haben, was bei mir böse ist. Nimm hin, was mein ist! Gib mir was Dein ist! So bin ich der Sünde los und des ewigen Lebens gewiss“.

Es gibt deswegen Sündenbekenntnisse in Abendmahlsgottesdiensten, damit wir Gott das Bösartige schenken können, das in uns steckt. Wir vertrauen Gott unsere Verlorenheit, unsere Entfremdung, unsere Sündhaftigkeit an, und er gibt uns Leben. Das ist ein Geschenkaustausch, der alles andere als ausgewogen ist.

Möge Gott uns helfen, dass wir mit ihm einen Weihnachtsgeschenkaustausch machen, so wie von ihm vorgesehen, damit wir leben, damit wir ihn in Ewigkeit loben und verherrlichen..

Das Kunstwerk 'Geburt Christi', Geertgen tot Sint Jans, um 1490, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.

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