Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Jesaja 35, 3 – 10 Die Wüste wird blühen

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'Dünen in Arakao, Sahara, Niger', 2004, Michael Martin

2. Sonnntag im Advent

Die Wüste wird blühen Jesaja 35, 3 – 10

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2006

Stärket die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! Saget den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.« Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande. Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen. Und es wird dort eine Bahn sein, die der heilige Weg heißen wird. Kein Unreiner darf ihn betreten; nur sie werden auf ihm gehen; auch die Toren dürfen nicht darauf umherirren. Es wird da kein Löwe sein und kein reißendes Tier darauf gehen; sie sind dort nicht zu finden, sondern die Erlösten werden dort gehen. Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. Jesaja 35, 3 – 10

Im Bundesstaat Tennessee in den USA gibt es einen Radiosender, in dem etwas Merkwürdiges passiert ist. Eines Tages war das Sendungsstudio unterbesetzt. Der Besitzer dieser Station ist selber eingesprungen und hat ausgeholfen, damit keine Lücke in der Sendezeit entsteht. Zwischendurch hatte er eine Pause und als er in dem Studio herumschaute, fiel ihm ein Knopf auf. Auf diesem Knopf standen die Worte: „Nicht berühren“. Als er das sah, war er von Neugier überwältigt und er drückte auf den Knopf. Sofort brach alles zusammen. Es gab keinen elektrischen Strom mehr, die Radiostation war ausgeschaltet, und unter den Mitarbeitern brach Panik aus. Sie mussten fieberhaft arbeiten, um den elektrischen Strom wiederherzustellen, damit die Sendung wieder laufen konnte. Durch diese Unterbrechung hat die Station viel Geld verloren.

Ein Mitarbeiter, der mit dem Eigentümer befreundet war, fragte ihn, was denn passiert war. Der erwiderte: „Ich hatte eine Pause – es gab nichts zu tun – und dann sah ich diesen Knopf mit der Überschrift „Nicht berühren“. Also drückte ich drauf. Der Mitarbeiter konnte nicht glauben, was er gerade gehört hatte. Er fragte zurück: „Habe ich das richtig verstanden: auf dem Knopf stand tatsächlich „Nicht berühren“: Warum hast Du dann draufgedrückt? Der Besitzer antwortete: „So bin ich halt. Wenn ich ein Schild sehe „Frisch gestrichen – nicht berühren“, dann werde ich garantiert meinen Finger drauf legen, um zu sehen, ob die Fläche schon trocken ist.“

Diese Haltung ist so alt wie Adam und Eva. Adam und Eva waren im Paradiesgarten und konnten von allen Bäumen essen – mit einer Ausnahme. Von einem Baum hieß es: „Hiervon darfst du nicht essen.“ Wenn eine Geschichte so anfängt, dann ist es klar, wie sie zu Ende geht: Auf die Dauer werden Menschen es nicht schaffen, einen verbotenen Baum in Ruhe zu lassen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die verbotene Frucht gegessen wird.

'Danger. Do not enter!', 2003, Pepin von Roojen

Und warum ist das so? Neugier spielt sicherlich eine Rolle, aber ausschlaggebend ist etwas Anderes. Was uns Menschen in verbotene Bereiche treibt, ist die Angst, etwas Wesentliches zu versäumen. Die Stimme des Versuchers in der Sündenfallgeschichte bringt zum Ausdruck, warum Menschen das Verbotene tun. Es geht um eine mögliche Lebenssteigerung, nach dem Motto: Es geht mir zwar gut, aber vielleicht könnte es mir noch viel besser gehen. Die Stimme der Versuchung sagt: Wenn ich eine verbotene Grenze überschreite, könnte ich vielleicht etwas unglaublich Aufregendes erleben, was eine völlig neue Dimension öffnet. Die Versuchung hier lautet: so zu sein wie Gott, d. h. total selbstbestimmend, völlig frei von Einschränkungen. Deswegen drückt man auf Knöpfe, die die Überschrift tragen: „Nicht berühren.“ Es geht darum, das so-zu-sein-wie-Gott auszuprobieren.

Und die Folgen sind berechenbar. Für Adam und Eva ist eine Wüste ausgebrochen. Es heißt in der Sündefallgeschichte, dass der Ackerboden um der Menschen willen verflucht wurde, und als sichtbares Zeichen dieser Verfluchung entstanden Dornen und Disteln. In der Bibel ist die Wüste dementsprechend eine ständige Erinnerung an den Sündenfall. Deswegen gehört es zu den Verheißungen der Bibel, dass ein Tag kommen wird, an dem die Wüste zum Blühen gebracht wird, d.h. die Verfluchung des Sündenfalls soll rückgängig gemacht und das Paradies soll wiederhergestellt werden. Dazu gehört der Text, der für heute vorgesehen ist.

In diesem Jesajatext wird ein Tag verkündet, an dem Gott öffentlich erscheint und Gerechtigkeit verwirklicht. Da heißt es:

Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande. Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein.

Und am Ende heißt es:

Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.

Hier ist eine Anspielung auf die Wiederherstellung des paradiesischen Zustandes. Denn der Paradiesgarten hieß „Eden“ und Eden ist ein hebräisches Wort, dessen Übersetzung lautet: „Wonne“. Wenn also „Freude und Wonne“ in Aussicht gestellt werden, so ist diese Verheißung ein Hinweis, dass wir Menschen für das Paradies vorgesehen sind.

Aber vorläufig leben wir mit Wüste. Und was heißt das konkret? Eine allgemeine Erfahrung, die immer wieder gemacht wird, ist, dass ein Mensch, der nach göttlicher Allmacht strebt, sich selbst zugrunde richtet und das eigene Leben öde macht – wie Adam und Eva.

Zum Beispiel: Sind Menschen, die maßlos reich sind, die sich so gut wie alles erlauben können, glückliche Menschen? Offenbar nicht. Fünf der reichsten Männer der Erde hatten sich folgendermaßen geäußert:

John Rockefeller sagte:

„Ich habe viele Millionen gemacht, aber sie haben mich nicht glücklich gemacht.

William Henry Vanderbilt:

„200 Millionen Dollar zu betreuen ist tödlich, diese Aufgabe würde jeden umbringen, sie ist keine Vergnügung.“

John Jakob Astor sagte:

„Ich bin der elendste Mann auf Erde.“

Henry Ford sagte:

„Ich war glücklicher, als ich ein einfacher Mechaniker war.“

'Ludwig van Beethoven in 1803', 1803, Christian Hornemann

Andrew Carnegie:

„Millionäre lächeln selten.“

Menschen, die Götter-Status erreichen, sind die elendesten dieser Erde. Denn gerade wenn alle Träume in Erfüllung gegangen sind, tritt eine innere Öde ein. Boris Becker, als er auf der Höhe seines Erfolges war, erlebte diese innere Leere und dachte an Selbstmord.

Aber die Wüsten des Lebens sind vielfältig. Zum Beispiel: es gab einmal eine Frau, die 7 Kinder zur Welt brachte; vier sind als Säuglinge oder als Kleinkinder gestorben. Die überlebenden drei Kinder hatten alle Pockennarben. Der Vater wurde Alkoholiker. Durch seine Sucht trieb er die Familie in die Armut. Die Frau musste ihre Kleider verkaufen, damit die Familie etwas zu essen hatte. Der Mann wurde dann arbeitslos und seinen Kindern gegenüber wurde er gewalttätig. Der älteste Sohn musste seinen Vater immer wieder von einer Ausnüchterungszelle nach Hause bringen. Dieser älteste Sohn hatte keine richtige Schulbildung. Er hat nicht einmal Rechnen gelernt. In früheren Jahren bekam er eine Geschlechtskrankheit. Als er 32 Jahre alt war, war er taub. Weil er chronische Depressionen hatte und unter Verfolgungswahn litt, hatte er kaum Freunde. Er hat nie geheiratet. Und seine Mutter starb an TB. Am Ende seines kurzen Lebens, starb er an Lungenentzündung und Herzversagen. Nach menschlichem Ermessen, war das Leben dieses Sohnes völlig überflüssig. Wozu sollte ein solches Leben gut sein? – fragt man sich unweigerlich. Aber dieser Sohn, dessen Leben scheinbar nicht lebenswert war, ist ein bekannter Mann. Er hieß Ludwig van Beethoven.

Wer die Musik von Beethoven kennt, wird kaum glauben können, dass sein Lebenshintergrund eine solche Wüste war. Aber seine Musik ist ein Gleichnis für die Verheißung, die Jesaja verkündete, als er schrieb:

Die Augen der Blinden werden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande. Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein.

Der Mensch schafft Wüste, aber Gott wird aus Wüste ein Paradies schaffen. Jeder von uns ist für ein unvorstellbares Aufblühen vorgesehen, so wie die Musik Beethovens ein unvorstellbares Aufblühen in der Einöde war.

'Judean Desert in bloom', 1978, Daviddarom

Judäische Wüste blüht

Diese Botschaft, dass die Wüsten dieser Erde für Verwandlung vorgesehen sind, sieht man in Darstellungen der Geburt Jesu. Jesus ist nach der Tradition im Winter auf die Welt gekommen. Im Winter sieht die Natur tot aus. Aber in vielen Weihnachtsbildern sieht man eine grüne Welt um den Stall herum: ein Sinnbild für die Botschaft, dass Gott in diese Welt gekommen ist, um ein Auferstehungswunder zu vollbringen: die öden, sterilen Orte dieser Erde sollen zum Blühen gebracht werden, aus dem Abgestorbenen soll Leben entstehen, aus Trauer und Depression soll Freude und Wonne entstehen. Gerade die Wüste ist deshalb ein Ort der Begegnung mit Gott. Eine Adventsbotschaft lautet: „In der Wüste bereitet den Weg des Herrn“. Dort, wo es wüst und leer ist, kann man Gott am ehesten begegnen.

Ein Theologe hat dazu folgendes geschrieben:

In der Weihnachtszeit entdecken manche von uns unsere Leere. Gott will zu uns kommen, um diese Leere zu füllen: durch ein Wort des Trostes, durch eine Versöhnung, durch die Wiederentdeckung einer verloren geglaubten Freundschaft, durch Wort und Sakrament. Das Problem ist, dass wir häufig versuchen, uns selbst zu füllen, so dass Gott keinen Platz hat, so wie es für ihn keinen Platz in der Herberge gab. Unsere Zeit und unser Leben sind gefüllt mit Einkaufen, mit Hin- und Her-Rennen, mit Planen, Schmücken, Sorgen und Erschöpfung. In dieser Betriebsamkeit ist kein Platz für Gott. Gott kann in die Fülle nicht einkehren, nur in die Leere.

Möge Gott uns helfen, ihn dort einzuladen, wo das Leben wüst und leer ist, denn trotz aller Öde, die es in dieser Welt gibt, sind wir zuletzt für Freude und Wonne vorgesehen.

Die Photographie 'Dünen in Arakao, Sahara, Niger', 2004, Michael Martin, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Die Abbildung 'Danger. Do not enter!', 2003, Pepin von Roojen, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license
Das Gemälde 'Ludwig van Beethoven in 1803', 1803, Christian Hornemann, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Die Photographie 'Judean Desert in bloom', 1978, Daviddarom, wurde von der Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication zur Vrefügung gestellt.

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