Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Jeremia 23, 5 – 8 Was wahre Sicherheit ausmacht

« Predigten Home

'Der Stamm Isais', PSch

1. Sonnntag im Advent

Was wahre Sicherheit ausmacht Jeremia 23, 5 – 8

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2004

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der HERR unsere Gerechtigkeit«. Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der HERR, dass man nicht mehr sagen wird: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!«, sondern: »So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel herausgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.« Und sie sollen in ihrem Lande wohnen. Jeremia 23, 5 – 8

Es gibt einen Mann, der in einem Eisenbahnabteil zwischen zwei Frauen saß. Diese zwei Frauen gerieten in einen Streit, ob das Fenster geöffnet werden oder geschlossen bleiben sollte. Die Frau, die am weitesten von dem Fenster entfernt saß, behauptete, dass sie an einem Hitzschlag sterben würde, wenn das Fenster zu bliebe. Die Frau, die neben dem Fenster saß, behauptete, dass sie an einer Lungenentzündung sterben würde, wenn das Fenster geöffnet würde. Der Schaffner kam, um die Karten zu kontrollieren, und die zwei Frauen forderten ihn sofort auf, als Schiedsrichter einzutreten und zu bestimmen, ob das Fenster offen oder zu bleiben sollte. Er sah, wie hitzig diese Diskussion war, und wagte es nicht, ein Urteil zu sprechen. Der Mann, der zwischen diesen zwei Frauen saß, hatte bis jetzt kein Wort gesagt. Jetzt platzte eine Lösungsmöglichkeit aus ihm heraus. Er sagte zu dem Schaffner: „Öffnen Sie bitte das Fenster; das wird die eine Frau umbringen. Schließen Sie danach das Fenster; das wird die andere umbringen. Dann haben wir Ruhe und Frieden.“

Das Konzept von Ruhe und Frieden, das dieser Mann vertrat, ist leider weitverbreitet. Unsere Welt kennt scheinbar keinen Weg zum Frieden außer durch todbringende Zwangsmittel, nach dem Motto: wenn die Ruhestörer ausgeschaltet sind, dann haben wir Frieden.

Auch von Gott wird manchmal erwartet, dass er mit roher Gewalt eingreifen sollte, um Frieden herzustellen. Diese Erwartung kam zum Ausdruck als Messiaserwartung zur Zeit Jesu. Es gab die Erwartung, dass der Messias mit Gewalttätigkeit eingreifen würde, um die Feinde Israels zu vernichten. Zum Beispiel gab es einen Messiaskandidaten am Anfang des 2. Jahrhunderts, ein Simon Bar Kochba, der einen gewalttätigen Aufstand einleitete, der für das Judentum in einer Katastrophe endete.

Die Grundlage für solche rabiaten Messiaserwartungen sind im Alten Testament zu finden. Zum Beispiel der Jeremiatext, der für heute vorgesehen ist, gilt als Messiasverheißung. Da heißt es:

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen.

Dieser Text beschreibt nicht die Mittel, die der Messias einsetzen wird, um Sicherheit für Israel zu schaffen, aber für uns Menschen bedeutet Sicherheit unweigerlich die Anwendung von roher Macht. Ohne polizeiliche, politische, ökonomische oder militärische Macht, gibt es scheinbar keine Sicherheit. Wie der Mann im Zug veranschaulicht: es gibt nach menschlichem Ermessen keinen Weg zum Frieden, der nicht darin besteht, die Unruhestifter rechts und links zu beseitigen.

Es heißt in diesem Jeremiatext, dass Israel in seinem Lande sicher wohnen würde. Wie wir alle wissen, ist diese Erwartung noch nicht verwirklicht worden, und deshalb warten die Juden immer noch auf den Messias. Wenn der Messias kommt, - lautet die Verheißung - wird es eine endgültige Ruhe geben. Ruhe und Sicherheit gehören zusammen.

Wenn man die Messiaserwartung des Alten Testaments betrachtet, fällt das Wort Ruhe auf, besonders bei dem Propheten Jesaja. Da wird die messianische Zeit mit den folgenden Sätzen beschrieben:

'Jesus with his disciples on the Sea of Galilee', 1967, Ernst Georg Bartsch
  • Zu der Zeit wird dir der HERR Ruhe geben von deinem Jammer und Leid und von dem harten Dienst, in dem du gewesen bist.
  • Nun hat Ruhe und Frieden alle Welt und jubelt fröhlich.
  • Die Geringen werden auf meiner Aue weiden und die Armen sicher ruhen.
  • Und das Recht wird in der Wüste wohnen und Gerechtigkeit im fruchtbaren Lande. Und der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit wird ewige Stille und Sicherheit sein, dass mein Volk in friedlichen Auen wohnen wird, in sicheren Wohnungen und in stolzer Ruhe.

Die Jesusanhänger haben in Jesus den erwarteten Messias gesehen. In dem Evangelium zum ersten Advent haben wir gehört, wie Jesus in Jerusalem einzog und dabei öffentlich als Messias gepriesen wurde. Denn er brachte tatsächlich eine Ruhe in die Welt hinein, aber nicht eine Friedhofsruhe, die durch tödliche Gewalt verwirklicht wird, sondern eine ganze andere Art Ruhe.

Jesus veranschaulichte diese Ruhe, als er während eines Sturmes in einem Boot schlief. Das Boot auf dem See Genezareth drohte unterzugehen. Die Jünger Jesu hatten Todesangst und weckten Jesus auf, damit er etwas unternehme. Jesus zeigte kein Verständnis für ihre Angst, sondern tadelte ihren Kleinglauben. Hier offenbarte sich eine Wahrheit. Wie ein christlicher Zeuge diese Wahrheit ausdrückte: „Sicherheit besteht nicht in der Abwesenheit von Gefahr, sondern in der Anwesenheit Gottes.“ Jesus tadelte die Jünger, weil sie immer noch nicht erkannt hatten, mit wem sie es zu tun hatten. Als sie in der Nähe Jesu waren, waren sie in der unmittelbaren Nähe Gottes. Als Jesus mit ihnen war, war Gott mit ihnen. Und wenn Gott anwesend ist, sind alle Gefahren dieser Welt nebensächlich. Wahre Sicherheit besteht in der Anwesenheit Gottes.

Dementsprechend nennt Jeremia den Messias: „Der HERR unsere Gerechtigkeit.“ Luther schrieb das Wort HERR an dieser Stelle mit vier großen Buchstaben, damit der Leser merkt, dass es sich hier um den heiligen Namen Gottes handelt, der vermutlich Jahwe ausgesprochen wurde. Dieser heilige Name Gottes wurde auf Jesus übertragen. Denn manche alttestamentlichen Texte, die von Gott dem HERRN sprechen – d.h. Jahwe - wurden auf Jesus übertragen. Jesus wurde mit dem Gott Israels gleichgesetzt. Dementsprechend wurde Jesus angebetet. Bis heute können Juden und Muslime nicht nachvollziehen, wieso wir Christen es wagen, Jesus anzubeten. Aber diese Anbetung Jesu ist ein Herzstück unseres Glaubens. Weil Gott in Jesus mit uns ist – besonders wenn wir Abendmahl feiern – haben wir einen Frieden, den die Welt nicht kennt, der größer ist als alle Gewalt dieser Erde.

'Nicholas Ridley', unknown date, but donated to NPG before 1939, National Portrait Gallery, London: NPG 296

Diese Art Frieden wird auch in manchen Christusanhängern sichtbar. Zum Beispiel im 16. Jahrhundert in England gab es einen Reformator mit dem Namen Nicholas Ridley. Im Jahre 1554 kam er in Konflikt mit der damals herrschenden katholischen Königin Mary. Und er weigerte sich, seine Glaubensinhalte zu leugnen und wurde daraufhin zu Tode verurteilt. An dem Abend vor seiner Hinrichtung wurde Ridley von seinem Bruder besucht. Der Bruder wollte mit ihm in seiner Gefängniszelle bleiben und ihm in den letzten Stunden seines Lebens Beistand leisten. Ridley lehnte dieses Angebot ab. Er wollte schlafen gehen – so als ob es eine ganz gewöhnliche Nacht wäre. Und er schlief so ruhig wie immer. Und sein ruhiger Schlaf war sein letztes Glaubenszeugnis. Er hat damit bezeugt, dass Gott mit ihm war. Und weil Gott mit ihm war, brauchte er keine Angst zu haben, egal was der kommende Tag bringen würde.

Diese Art Frieden hat Christus in die Welt gebracht. Wie vorhin gesagt: „Sicherheit besteht nicht in der Abwesenheit von Gefahr, sondern in der Anwesenheit Gottes.“ Jesus verkörperte die Anwesenheit Gottes. Und die Anwesenheit Gottes ist verheißungsvoll. Denn wenn Gott anwesend ist in Krankheit, Gefahr und Tod, wird er diese Dinge zuletzt verwandeln.

Es gibt z. B. eine jüngere Frau, die Osteoporose hatte. Sie musste regelmäßig ein Krankenhaus aufsuchen. Als sie eines Tages nach einem Krankenhausbesuch nach Hause gebracht wurde, wurde sie auf einer Bahre in das Haus getragen. An der Eingangstür ist einer der Träger gestolpert. Diese kleine Erschütterung löste unerträgliche Schmerzen aus. Die Frau war momentan völlig außer sich; sie konnte nicht aufhören, zu schreien. Sie hatte in diesem Moment das Gefühl, dass sie nicht mehr zu dieser Welt gehörte, dass sie von allen Menschen abgeschnitten war, dass kein Mensch sie erreichen könnte – auch ihr Ehemann nicht. Aber dann entdeckte sie plötzlich, dass sie nicht allein war. Hinterher beschrieb sie diese Erfahrung mit den folgenden Worten: „In diesem Moment, als ich völlig unerreichbar war und nicht aufhören konnte zu schreien, merkte ich plötzlich die Anwesenheit des Gekreuzigten. Er hat diesen Moment nicht ausgeblendet oder gelindert, aber er war innerhalb meiner Schmerzen.“ Hier sehen wir, warum Jesus der Messias ist. Er ist der Messias, weil er „Gott mit uns“ ist. Und wenn Gott mit uns ist, haben wir einen Frieden, eine Ruhe und eine Gerechtigkeit, die zuletzt die ganze Welt erfassen werden. Auch deswegen ist Jesus der Messias, weil er am Ende der Zeit in Macht und Herrlichkeit erscheinen wird, um diese Welt zu vollenden.

Diese Botschaft ist es, was wir am 1. Advent feiern. Amen.

Das Gemälde 'Jesus with his disciples on the Sea of Galilee', 1967, Ernst Georg Bartsch, ist lizensiert unter der is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Für das Bild 'Nicholas Ridley', unknown date, but donated to NPG before 1939, National Portrait Gallery, London: NPG 296, gilt:
While Commons policy accepts the use of this media, one or more third parties have made copyright claims against Wikimedia Commons in relation to the work from which this is sourced or a purely mechanical reproduction thereof. This may be due to recognition of the "sweat of the brow" doctrine, allowing works to be eligible for protection through skill and labour, and not purely by originality as is the case in the United States (where this website is hosted). These claims may or may not be valid in all jurisdictions. As such, use of this image in the jurisdiction of the claimant or other countries may be regarded as copyright infringement.

^ Zum Seitenanfang

PSch