Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 1. Mose 18, 20 – 21. 22b – 33 Das Böse zerstört sich selbst

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23. Sonntag nach Trinitatis: 1. Mose 18, 20 – 21. 22b – 33 Das Böse zerstört sich selbst

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2008 in der Bergkirche

'Zwiesprache', 1977 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Zwiesprache', 1977 - Walter Habdank.
© Galerie Habdank

Und der HERR sprach: Es ist ein großes Geschrei über Sodom und Gomorra, dass ihre Sünden sehr schwer sind. Darum will ich hinabfahren und sehen, ob sie alles getan haben nach dem Geschrei, das vor mich gekommen ist, oder ob's nicht so sei, damit ich's wisse. Aber Abraham blieb stehen vor dem HERRN und trat zu ihm und sprach: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; wolltest du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um fünfzig Gerechter willen, die darin wären? Das sei ferne von dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, so dass der Gerechte wäre gleich wie der Gottlose! Das sei ferne von dir! Sollte der Richter aller Welt nicht gerecht richten? Der HERR sprach: Finde ich fünfzig Gerechte zu Sodom in der Stadt, so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben. Abraham antwortete und sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin. Es könnten vielleicht fünf weniger als fünfzig Gerechte darin sein; wolltest du denn die ganze Stadt verderben um der fünf willen? Er sprach: Finde ich darin fünfundvierzig, so will ich sie nicht verderben. Und er fuhr fort mit ihm zu reden und sprach: Man könnte vielleicht vierzig darin finden. Er aber sprach: Ich will ihnen nichts tun um der vierzig willen. Abraham sprach: Zürne nicht, Herr, dass ich noch mehr rede. Man könnte vielleicht dreißig darin finden. Er aber sprach: Finde ich dreißig darin, so will ich ihnen nichts tun. Und er sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, mit dem Herrn zu reden. Man könnte vielleicht zwanzig darin finden. Er antwortete: Ich will sie nicht verderben um der zwanzig willen. Und er sprach: Ach, zürne nicht, Herr, dass ich nur noch einmal rede. Man könnte vielleicht zehn darin finden. Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen. Und der HERR ging weg, nachdem er aufgehört hatte, mit Abraham zu reden; und Abraham kehrte wieder um an seinen Ort.

1. Mose 18, 20 – 21. 22b – 33

Es wird oft behauptet, dass es in dieser Welt keine Gerechtigkeit gibt, denn die Mächtigen, die Brutalen und die Reichen können machen, was sie wollen und werden oft nicht zur Rechenschaft gezogen. In Tageszeitungen kann man z. B. immer wieder von sogenannten „Topmanagern“ lesen, die durch hemmungslose Raffgier oder durch Inkompetenz eine Firma oder eine Bank fast ruinieren und als Belohnung dafür mit einer millionenschweren Rente in den Ruhestand geschickt werden.

Aber auch bei den sogenannten kleinen Leuten fragt man sich: wo bleibt die Gerechtigkeit? Es gibt Autofahrer, die zu viel trinken und dann so sehr rasen, dass jemand dabei umkommt: aber sie bleiben am Leben. Oder gerade in der letzten Woche wurde von einem 18-jährigen Jugendlichen berichtet, der wegen gekränkter Eitelkeit einen anderen Jugendlichen mit einem Messer angegriffen hat, so dass sein Opfer fast gestorben ist, und bekam dafür als Strafe zwei Jahre Jugendgefängnis, die aber zur Bewährung ausgesetzt wurden. Ist dieser Täter ungeschoren davon gekommen? Ist diese Welt so eingerichtet, dass die Rücksichtslosen zuletzt mehr für sich herausholen können als die Anständigen?

Es gibt Antworten auf solche Fragen. Es gibt heutzutage kein Thema, das nicht empirisch untersucht worden ist. Sogar das Thema Gerechtigkeit ist wissenschaftlich erforscht worden. Es gibt Soziologen, Gesellschafts- und Gehirnforscher, die versucht haben, herauszufinden: Was ist das Schicksal von sogenannten bösen Menschen? Genauer gefragt: was passiert, wenn ein Mensch hemmungslos vorgeht, wenn er kaltblütig über Leichen geht, wenn er seine Macht über andere Menschen aggressiv ausbaut und ausnutzt – und dafür Reichtum und Einfluss gewinnt? Sind solche Menschen glücklich und zufrieden? Ist es tatsächlich möglich, durch hemmungslosen Egoismus ein erfolgreiches Leben aufzubauen?

Es gab zum Beispiel an der Stanford-Universität in Kalifornien eine Untersuchung zu der Frage: wie entsteht Sadismus und was sind die langfristigen Folgen? Und das Ergebnis solcher Untersuchungen wurde folgendermaßen zusammengefasst:

„Machtgier, Unehrlichkeit, Unterdrückung und Rücksichtslosigkeit erscheinen erfolgversprechend zu sein. Doch irgendwann setzt sich die ureigene treibende Kraft des Bösen durch: die Selbstzerstörung. Denn seine dunkle Energie ist nicht schöpferisch, sondern destruktiv. Es ist der Faktor Zeit, der dem Bösen den Bankrott erklärt. Am Ende, ganz egal, wie lange es dauert, zerstört es sich selbst – das betrifft Beziehungen, Staatsformen, Diktatoren, Hochstapler oder habgierige Manager.“ Wie ein Soziologe feststellt: „Früher oder später implodiert das System, es tilgt sich selbst. Der Preis kann sehr hoch sein, da lässt sich nichts beschönigen – aber das Böse verliert die Schlacht“.

Wissenschaftler haben erforscht, wie es Menschen geht, die einen anderen getötet haben. Sie untersuchten die seelische Stabilität von Personen mit langen kriminellen Karieren. Das Ergebnis lautet: Selbstmordrisiko, Suchtgefahr und Depressionen sind bei „bösen“ Menschen bis zu 500 Prozent größer als im Durchschnitt – auch dann, wenn die Täter nie bestraft wurden, nie im Gefängnis saßen. Wie ein Forscher schreibt: „Es gibt so etwas wie eine Halbwertzeit des Bösen. Oft kommt es verlockend daher, verspricht schnellen Gewinn. Sein schwaches, weil destruktives Fundament versteckt sich unter dem Mantel der schnellen Bereicherung.“ „Aber irgendwann wird der Prozess der Selbstauflösung unübersehbar.“

Diese empirischen Ergebnisse bestätigen uralte biblische Wahrheit. Denn die Bibel verkündet - von Anfang bis zum Ende -: Gott hat das Leben so geschaffen, dass das Böse sich selbst zerstört. Wenn man die Bibel vordergründig liest, kann der Eindruck entstehen, dass Gott direkt eingreifen muss, um Gottlosigkeit zu bestrafen. Aber zwischen den Zeilen steckt eine andere Botschaft. Gott muss nicht eingreifen, um Selbstherrlichkeit oder Brutalität zu bestrafen, denn solche Verhaltensweisen enthalten ihre eigene Selbst-Bestrafung. Die hebräische Sprache bezeugt diese Dynamik der Selbstzerstörung, denn es gibt ein hebräisches Wort, das gleichzeitig zwei Bedeutungen hat: ein einziges Wort bedeutet die Sündhaftigkeit und gleichzeitig die zerstörerischen Folgen der Sündhaftigkeit. Es gibt alttestamentliche Geschichten, die bezeugen, dass heimtückische Bosheit ihre eigene Vergeltung erzeugt, ohne dass Gott in Erscheinung treten muss: z. B. die Erzählung von Jakob und Esau oder die Josephsgeschichte.

Der Apostel Paulus hat in dem Römerbrief diese Dynamik am deutlichsten geschildert. Er stellt fest, dass die sogenannte Bestrafung Gottes darin besteht, dass Gott einen Menschen sich selbst überlässt, so dass er tun kann, was er will, so dass er sich selbst durch seine eigene Hemmungslosigkeit zugrunde richtet.

In diesem Rahmen muss die Fürbitte Abrahams für Sodom gesehen werden. Vordergründig sieht es so aus, als ob die Bewohner der Städte Sodom und Gomorra so hoffnungslos verdorben sind, dass Gott mit Feuer und Schwefel eingreifen muss, um diese Städte auszulöschen. Und wiederum sieht es vordergründig so aus, als ob Abraham sich mehr Sorge um das Schicksal der Unschuldigen macht als Gott selber. Es sieht so aus, als ob Abraham einen feineren Sinn für Gerechtigkeit hat als Gott, als ob Gott auf die Ermahnungen von Abraham angewiesen wäre. Denn Abraham sagt zu Gott:

Das sei ferne von dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, so dass der Gerechte wäre gleich wie der Gottlose! Das sei ferne von dir! Sollte der Richter aller Welt nicht gerecht richten?

In seinem Gespräch mit Gott fragt Abraham immer wieder: Ist es gerecht, wenn die kleine Minderheit der Unschuldigen untergeht, weil die Mehrheit verdorben ist?

Hier muss man unterscheiden zwischen der Erzählung und der hintergründigen Botschaft dieser Erzählung. Die eigentliche Botschaft ist in der Erzählung verdeckt. Und die eigentliche Botschaft lautet: Gott will Sodom nicht zerstören. Gott muss nicht eingreifen, um ein Strafgericht herbeizuführen, denn die Bewohner Sodoms sind dabei, sich selbst zu verwüsten.

Das einzige Anliegen Gottes ist es, zu retten, was zu retten ist. Wenn es unschuldige Gerechte dort gäbe, würde Gott um ihretwillen die Stadt schonen. Gott braucht die Ermahnungen Abrahams nicht, um zu wissen, wie Gerechtigkeit aussieht, denn Gott allein definiert Gerechtigkeit. Aber durch die Fürsprache Abrahams für Sodom wird veranschaulicht, wie die Gerechtigkeit Gottes aussieht und diese Gerechtigkeit hat die kleine Zahl der Unschuldigen im Auge.

Und es gibt hier eine weitere Feinheit. Noch einmal, wenn man dieses Gespräch vordergründig betrachtet, könnte man denken, dass Abraham deswegen Sodom retten will, weil er Verwandte in dieser Stadt hat - nämlich seinen Neffen Lot und dessen Familie. Aber wenn es nur um diese Verwandten ginge, hätte Abraham Gott gebeten, sie vor der Zerstörung herauszuführen – was Gott auch tat. Aber Abraham will - aus irgendeinem Grund - die ganze Stadt retten. Und in dieser Rettungssehnsucht Abrahams offenbart sich das Herz Gottes. In dem Herzen Abrahams zeigt sich das Herz Gottes. Gott ist derjenige, der die Stadt retten will und der sie retten würde, wenn er könnte.

In diesem Zusammenhang ergibt sich die Frage: Warum hat Abraham bei 10 aufgehört? Warum ist er nicht auf 5 heruntergegangen? Oder noch interessanter wäre die Frage: Hätte ein einziger Gerechter genügt, um die Stadt vor der Zerstörung zu bewahren? Solche Fragen bleiben offen.

Aber die Frage, ob ein einziger Gerechter eine Menschen-Gemeinschaft retten kann, wurde später beantwortet. Denn Jesus war der eine Gerechte, der die ganze Menschheit vor dem Verderben bewahrte.

Das Judentum hat als Schlussfolgerung dieser Geschichte eine Vorschrift entstehen lassen: In einer Synagoge müssen mindestens zehn jüdische Männer anwesend sein, sonst kann das Gebet nicht stattfinden. Denn 10 Menschen, die durch Gebet in Gemeinschaft mit Gott stehen und deshalb als „gerecht“ gelten, könnten eine Stadt vor dem Verderben bewahren, so lautet die Hoffnung.

Aber für uns Christen gilt eine andere Zahl: wo zwei oder drei im Namen Jesu versammelt sind, ist Jesus selbst anwesend. Zwei oder drei Betende können im Namen Jesu Christi viel Heilsames bewirken.

Und es ist unsere Aufgabe als Christen besonders für diejenigen zu beten, die durch Boshaftigkeit sich selbst zugrunde richten. Wir sind dazu beauftragt, auch für kaltblütige Kriminelle, für korrupte Beamte, für rachsüchtige Terroristen, für raffgierige Topmanager zu beten – denn sie brauchen unsere Gebete und die Welt braucht unsere Fürbitten. Abraham ist hier unser Vorbild: er betete für eine verdorbene Stadt, die ihn eigentlich nichts anging. Aber das Herz Gottes umfasst die ganze Menschheit. Das Herz der Christenheit sollte genauso umfassend sein. Wie es in dem 1. Timotheusbrief heißt:

So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit,...Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist EIN Gott und EIN Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.

Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat.
© Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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