Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Matthäus 18, 19 – 20 Explosive Kraft

« Predigten Home

'Manhattan', Matthew Spolin, 2006

22. Sonntag nach Trinitatis

Explosive Kraft Matthäus 18, 19 – 20

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2005

Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Matthäus 18, 19 – 20

Es gibt eine Insel an der Ostküste der USA, wo Holländer im Jahre 1613 ansiedelten. 12 Jahre später wurde eine Kolonie gegründet, die Neu Amsterdam genannt wurde. Nach der Überlieferung wurde das Land für diese Kolonie von dem Stamm der Manahatta für Tauschwaren im Wert von 60 Gulden gekauft. Später hieß diese Siedlung Neu Orange. Im Jahre 1674 übernahm England diese Kolonie und gab ihr einen neuen Namen.

Als es darum ging, einen Stadtplan für diese Siedlung zu gestalten, gab es damals 6 oder 7 Straßen und jede Straße bekam eine Nummer – die Straßen hießen also „Erste Straße“, „Zweite Straße“, „Dritte Straße“ u. s. w. Die Stadtplaner hatten damit gerechnet, dass die Stadt wachsen würde und sie planten eine künftige Stadt mit 19 Straßen. Sie hatten allerdings angenommen, dass ihre Planung viel zu optimistisch war und dass die Stadt niemals alle 19 geplanten Straßen erfassen würde. Sie nannten die 19. Straße deshalb „Grenzstraße“, aber gleichzeitig waren sie sicher, dass die Stadt diese geplante Grenzstraße niemals erreichen würde.

'New Amsterdam: The Oldest Picture of New York', 1886

Es stellte sich heraus, dass die Stadtväter die Sache maßlos unterschätzt hatten. Denn diese Stadt hat nicht nur die 19. Straße erreicht, sondern hat heute eine 248. Straße. Es handelt sich nämlich um die Stadt New York.

Diese historische Begebenheit kann für uns als Gleichnis dienen. Es gibt auch in der Christenheit eine Neigung, so kleingläubig zu sein wie die Stadtväter von New York. Die Holländer und die Engländer damals hatten keine Ahnung, wie wertvoll der Boden unter ihren Füßen war. Sie konnten nicht voraussehen, was für eine explosive Wachstumskraft die strategische Lage der Insel der Manahatta – was heute Manhattan heißt - in sich barg.

Und wir Christen sind in einer ähnlichen Lage wie diese holländischen, englischen Kolonisten damals. Wir haben unter uns eine Kraft, die noch größer ist als die Kräfte, die aus einer Kolonie eine Weltstadt machten - und wir merken es nicht. Wir haben unter uns eine Kraft, die nicht zu überbieten ist, denn es geht um alle Macht im Himmel und auf Erden, die hier unter uns gegenwärtig ist. Es handelt sich nämlich um Jesus Christus, der präsent ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, und der sagte:

„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“

Die explosive Kraft, die in Jesus Christus verkörpert ist, wurde nach seiner Kreuzigung demonstriert. Als Jesus am Kreuz hing, bestand seine Anhängerschaft aus einigen Frauen und einem Jünger. Alle anderen sind geflohen und waren hoffnungslos verzweifelt. Aber aus diesem unscheinbaren Anfang ist eine Weltreligion geworden, mit ca. 2 Milliarden Anhängern. Diese explosive Ausdehnungskraft des Christentums ist immer wieder im Laufe der Kirchengeschichte demonstriert worden.

'John Wesley (1703-1791), founder of Methodism', John Faber, between 1730 and 1756

Ein Beispiel ist die Entstehung der methodistischen Kirche. John Wesley war der Gründer dieser Kirche. Wesley war ein Wanderprediger, der versucht hatte, die Kirche in England zu erneuern. Wenn man sein Tagebuch liest, stellt man fest, wie viel Widerstand und Misserfolg er aushalten musste. Denn in seinem Tagebuch gibt es beispielsweise folgende Einträge:

Sonntag, 5. Mai, vormittags, predigte in Sankt Anne: bekam Kanzelverbot.
Sonntag, 5. Mai, nachmittags, predigte in Sankt Johannes: Gemeindevertreter sagten: „Gehen Sie weg und bleiben Sie weg.“
Sonntag, 12. Mai, predigte in Sankt Judas: Ich darf dorthin auch nicht zurückkehren.
Sonntag, 19 Mai, predigte vormittags in irgendeiner Kirche. Gemeindevertreter riefen eine Sondersitzung zusammen und teilten mir mit, dass ich nicht zurückkehren darf.
Sonntag, 19 Mai nachmittags: predigte auf der Straße. Wurde von der Straße gewaltsam entfernt.
Sonntag, 26. Mai: predigte auf einer Wiese. Ein Bulle wurde auf uns gehetzt und wir mussten fliehen.
Sonntag, 2. Juni, vormittags, predigte am Rande einer Stadt, wurde von der Landstraße gewaltsam entfernt.

Wer so etwas liest, müsste denken: aus dieser Erneuerungsbewegung ist nichts geworden, denn es gab offenbar nur Ablehnung und Misserfolg. Aber aus diesem Misserfolg ist eine geachtete Weltkirche entstanden mit ca. 50 Millionen Anhängern, die aus 100 Ländern kommen.

Mit anderen Worten: wer die Christenheit beurteilen will, darf nicht davon ausgehen, wie die Situation äußerlich aussieht. Eine Kirchengemeinde kann schwach aussehen. Aber wenn zwei oder drei im Namen Jesu Christi versammelt sind, ist buchstäblich alles möglich.

In dem Text, der für heute vorgesehen ist, sagt Jesus:

„Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel.“

Diese Aussage ist ein Hinweis, wie sich eine christliche Gemeinschaft die Kraft Jesu Christi aneignet. Es geht hier nicht nur um Gebet, sondern es geht hier um eine Grundhaltung.

Diese Grundhaltung hat ein Straßenevangelist in Kalifornien bezeugt. Es gibt in diesem Bundesstaat eine Menge Straßenprediger – und die meisten sind Spinner. Aber es gibt auch zurechnungsfähige Straßenevangelisten. Einer davon berichtet, dass ein Prediger auf der Straße mit Unterbrechungen rechnen muss. Und eine Unterbrechung, die regelmäßig vorkommt, besteht aus einer Frage, die immer wieder von Menschen auf der Straße gestellt wird. Diese Frage lautet: „Es gibt Hunderte von Religionen, und die Anhänger jeder Religion glauben, dass ihr Glaube der richtige ist. Wie sollen wir unter diesen Umständen feststellen können, welcher Glaube der richtige ist?“ Und dieser Evangelist erwidert folgendermaßen: „Sie behaupten, es gibt Hunderte von Religionen, aber ich kenne nur zwei: die eine besteht aus Menschen, die das Heil finden wollen, indem sie etwas tun; die andere besteht aus Menschen, die das Heil geschenkt bekommen, weil etwas für sie getan wurde.“

Und hier ist die Grundhaltung, von der alles abhängt – nämlich die Anerkennung, dass absolut alles von der Gnade und Macht Gottes abhängt, die in Jesus ein für allemal demonstriert wurde. Selbstverständlich braucht die Kirche Menschen, die tatkräftig und fleißig sind. Aber Erfolg oder Misserfolg der Sache Jesu Christi hängt zuletzt nicht von menschlicher Leistungsfähigkeit, sondern allein von der Macht Jesu Christi ab. Und diese Macht kommt am ehesten in Menschen zur Geltung, die wissen, wie sehr sie auf Gott angewiesen sind.

Mutter Theresa hat diese Wahrheit bezeugt, als sie gefragt wurde, was das Geheimnis ihres Erfolges war. Sie war erfolgreich in dem Sinne, dass sie z. B. in Kalkutta ein Essensprogramm eingeleitet hatte, das 9000 Menschen täglich speist; außerdem hatte sie einen Friedensnobelpreis gewonnen. Mutter Theresa aber hat die Frage nach ihrem sogenannten Erfolg nicht verstanden, oder mindestens tat sie so, als ob sie die Frage nicht verstanden hatte. Denn sie erwiderte: „Es ist mir nicht bekannt, dass Gott uns dazu beauftragt hat, erfolgreich zu sein. Er hat uns zur Treue beauftragt. Was man unter Erfolg versteht, liegt allein in seinen Händen."

Diese Grundhaltung bezeugt, dass Gott allein zuletzt Erfolg und Misserfolg definiert. Von Gott allein hängt es ab, ob eine christliche Gemeinschaft lebt oder nicht lebt, und Gott definiert, was Leben ist. Diese Grundhaltung setzt Jesus voraus, wenn er sagt:

„Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“

'Ostermorgen', PSch

Es ist klar, dass diese Worte kein Freibrief sind für Aberglaube oder Nachlässigkeit. Auf der einen Seite bedeutet diese Verheißung nicht, dass wir im Gebet alle Wünsche erfüllt bekommen – vorausgesetzt, dass zwei oder drei Personen sich über Gebetsinhalte einigen. Das wäre Aberglaube, denn Aberglaube meint, Verfügungsgewalt über göttliche Kraft zu bekommen, indem man vorgeschriebene Verhaltensregeln einhält. Aber christliches Gebet bedeutet das Gegenteil, dass der Betende alle Wünsche der Verfügungsgewalt Gottes anvertraut – in dem Bewusstsein, dass Gott allein weiß, was geschehen sollte. Diese Bereitschaft, sich Gott völlig unterzuordnen, ist die Voraussetzung dafür, dass Gebete wirksam sind.

Und die Tatsache, dass Jesus Christus alle Macht im Himmel und auf Erden besitzt und dass alles zuletzt von ihm abhängt, ist keine Rechtfertigung für Nachlässigkeit oder Faulheit. Aber Faulheit ist kein Problem für Menschen, die wissen, wie sehr sie auf Gott angewiesen sind. Martin Luther und der Apostel Paulus waren die vornehmsten Zeugen der Wahrheit, dass absolut alles von der Gnade Gottes abhängt. Und diese beiden Zeugen waren „Workaholiker“ (Arbeitssüchtige), denn Gnade setzt unermesslich viel Kraft und Energie frei.

Und dazu ist der Gottesdienst da, dass wir uns im Namen Jesu Christi versammeln und wahrnehmen, dass Jesus Christus unter uns ist - mit seiner ganzen Kraft und Herrlichkeit, und dass wir an dieser Kraft und Herrlichkeit Anteil bekommen, wenn wir beten, wenn wir Gott loben und danken, wenn wir das Evangelium hören und die Sakramente feiern. Und weil Jesus Christus mit seinem Volk anwesend ist, wird zuletzt alles gut ausgehen.

Wie Gott durch den Propheten Jeremia sprach:

Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet. (Wörtlich: dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung)

Möge Gott uns helfen, in dieser Verheißung Trost und Kraft zu empfangen.

Die Photographie 'Manhattan', Matthew Spolin, 2006, ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 2.0 Lizenz.
Die Abbildung 'New Amsterdam: The Oldest Picture of New York', 1886, ist im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.
Die Abbildung 'John Wesley (1703-1791), founder of Methodism', John Faber, between 1730 and 1756, ist im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.

^ Zum Seitenanfang

PSch