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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 1. Mose 2, 4b – 9. 15 Wird das Leben im Himmel langweilig sein?

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15. Sonntag nach Trinitatis - 1. Mose 2, 4b – 9. 15 Wird das Leben im Himmel langweilig sein?

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 31.08.2008 in der Dreikönigskirche:

'Adam Delving' ('Adam grabend'), 12. Jhd., Fenster in Canturbury Cathedral

"Adam Delving" ('Adam grabend'), 12. Jhd., Fenster in Canturbury Cathedral

Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

Ehe ich Theologie studierte, hatte ich verschiedene Arbeitsstätten kennengelernt. Unter anderem hatte ich an einer meteorologischen Station gearbeitet: es ging darum, Wetterballons in die Atmosphäre zu schicken und Daten von ihnen zu registrieren. Es war eine Art Arbeit, wo es stundenlang nichts zu tun gab, aber wir waren verpflichtet, den ganzen Tag da zu sein, denn diese Station musste lückenlos betreut werden. Bei dieser Gelegenheit habe ich etwas gelernt, was ich nie vergessen habe, denn diese Erfahrung ist eindringlich in mein Gedächtnis eingezeichnet. Ich habe gelernt, dass stundenlanges Nichtstun fast das Schlimmste ist, was es gibt. Stundenlanges Nichtstun ist eine der größten seelischen Herausforderungen, die ich bisher erlebt habe.

Meine Erfahrung mit Nichtstun hat eine Relevanz, wenn es um Paradiesvorstellungen geht. Wenn Menschen sich Gedanken machen, wie es im Jenseits aussehen könnte, dann haben sie oft die Vorstellung, dass das Leben im Himmel ein ewiges Nichtstun ist. Im Koran wird das jenseitige Paradies so beschrieben:

In seidenen Gewändern ruhen die Seligen auf bräutlichen Lagern; von Sonne und durchdringender Kälte sollen sie nichts wissen; über ihnen wird Schatten sein, und die Früchte des Paradieses hängen tief über ihnen; silberne Gefäße und Pokale sollen ihnen dargereicht werden.

Das Paradies, das hier beschrieben wird, besteht offenbar darin, sich auszuruhen, sich bedienen zu lassen und sinnlichen Genuss zu konsumieren.

'Dante Alighieri's portrait', Sandro Botticelli', 1495

Dementsprechend gibt es eine Anekdote von einem Mann, der stirbt und ins Jenseits kommt. Dort erfährt er von einem Engel, dass er sich wünschen kann, was er will. Er kann alles essen, wozu er Lust hat, er kann sehen und erleben, was er möchte. Er befindet sich in einem Konsumparadies. Aber nach einer Weile stellt er fest, dass es langweilig ist, immer nur zu genießen. Es fehlt eine Herausforderung. Er sucht den Engel auf, der ihn in dieses Jenseitsland eingeführt hat und sagt: „Ich brauche eine Beschäftigung, die mich herausfordert. Wenn es hier im Himmel nur Genuss und Konsum gibt, ist das unerträglich; wenn ich immer nur das bekomme, was ich will, dann will ich lieber zu dem anderen Ort.“ Der Engel erwiderte: „Aber du bist schon an dem anderen Ort.“

Diese Anekdote entspricht der Höllenvorstellung von Dante Alighieri, dem großen Höllenexperten des 13. Jahrhunderts. Er fasste das Wesen der Hölle folgendermaßen zusammen:

Die Hölle besteht darin, den eigenen Willen für immer zu „genießen“.

Die biblische Vorstellung von Himmel ist etwas ganz Anderes als die Klischeevorstellungen. Die ersten Anhaltspunkte für Paradiesvorstellungen sind in der zweiten Schöpfungsgeschichte im ersten Buch Mose zu finden. In der biblischen Beschreibung des Paradiesgartens gibt es eine Aussage, die leicht zu übersehen ist, die aber unermesslich inhaltsreich ist. In dem letzten Vers des Textes, der für heute vorgesehen ist, heißt es:

Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

„Eden“ ist ein hebräisches Wort und bedeutet „Wonne“. Zu den Wonnen des Paradieses gehört Arbeit. Adam und Eva sollen nicht nur den ganzen Tag die verlockenden Obstbäume genießen. Sie haben eine Aufgabe, sie haben Arbeit, die ein Lebensinhalt ist. Sie sind von Gott beauftragt, den Garten zu pflegen, und das ist eine anspruchsvolle und kreative Aufgabe, wie jeder Gärtner weiß.

Und diese Aufgabe ist ein Segen, denn Arbeit macht das Leben interessant und Arbeit gehört zu der Würde eines Menschen. Arbeitslos zu sein, ist nicht nur aus finanziellen Gründen eine Belastung; ohne Arbeit zu sein ist auch quälend und entwürdigend.

In diesem Zusammenhang ist es auffallend, dass manche Menschen den Übergang von Berufstätigkeit zum Ruhestand nicht verkraften. Der Verlust des Arbeitsplatzes wegen des Erreichens des Ruhestandsalters löst in manchen Menschen eine schwere Krankheit aus. Denn sinnvolle Arbeit hat auch etwas mit Identität zu tun, und wer das verliert, steckt in einer Krise.

Dass Arbeit ein Segen und eine Würde ist, ist nicht selbstverständlich. In der antiken Welt galt schwere Arbeit als entwürdigend. Denn Arbeit war hauptsächlich für Sklaven vorgesehen, und Sklavenarbeit war Arbeit ohne Pause. Das hatten die Israeliten erlebt, als sie in Ägypten versklavt waren. Nachdem sie befreit wurden, bekamen sie am Berg Sinai ein Gebot, das lautet: „Sechs Tage sollst du arbeiten.“ Arbeit ist von Gott vorgesehen, aber bekommt eine Begrenzung: der Mensch soll nicht pausenlos arbeiten, denn dazu ist er von Gott auch nicht geschaffen.

Aber die beste Arbeit enthält auch eine Schattenseite. Abgesehen von unerfreulichen Dingen wie Stress, Mobbing und Unterbezahlung, gibt es ein grundsätzliches Problem, das in dem alttestamentlichen Buch Prediger Salomo aufgegriffen wird. Dort heißt es:

Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, die er hat unter der Sonne? Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh: wie dies stirbt, so stirbt auch er, und sie haben alle einen Odem, und der Mensch hat nichts voraus vor dem Vieh; denn es ist alles eitel. Es fährt alles an einen Ort. Es ist alles aus Staub geworden und wird wieder zu Staub.

Die Frage, die hier angesprochen wird, lautet: Was ist das Endergebnis eines arbeitsreichen Lebens? Wenn ein Mensch für Familie und Beruf gearbeitet hat, was hat er zuletzt davon? Denn am Ende ist alles „eitel“. Wortwörtlich bedeutet das hebräische Wort, das Luther als „eitel“ übersetzte „Hauch“ oder „Windstoß“. Und gemeint ist Nichtigkeit. Zuletzt gibt es scheinbar keine greifbaren Ergebnisse für ein Leben voller Arbeit. Denn scheinbar besteht das Endergebnis eines Lebens aus Staub und Asche.

Bei Beerdigungen habe ich es öfters erlebt, dass ehemalige Arbeitskollegen einer verstorbenen Person erscheinen und man hört immer wieder dieselben Redewendungen: „Wir werden ihm ein ehrenvolles Gedenken bewahren“. „Wir werden ihn nie vergessen“. Aber solche Redewendungen sind nicht unbedingt glaubwürdig.

Einmal nach einer Beerdigung habe ich aus Neugier die Website einer Firma aufgesucht. Es handelte sich um eine Firma, die eine gerade verstorbene Person in jahrzehntelanger Arbeit aufgebaut hatte. Diese Person hatte unermüdlich gearbeitet, und die Existenz und die wirtschaftliche Kraft dieser Firma hingen von seinen überdimensionalen Anstrengungen ab. Als er starb, war er nicht mehr bei dieser Firma aktiv, sondern seit einigen Jahren im Ruhestand gewesen. In der Selbstdarstellung dieser Firma im Internet war dieser Mann mit keinem Wort erwähnt. Es war, als ob er nie existiert hätte.

Das ist die Wirklichkeit dieser Welt, die Psalm 103 schildert:

Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.

Aber dennoch: die große Verheißung der Bibel lautet: Arbeit ist doch nicht umsonst, denn sie wird von Gott befohlen und steht deshalb unter seinem Segen. Die biblische Verheißung lautet: Was der Mensch sät, das wird er auch ernten. Alle Arbeit ist zuletzt Arbeit für Gott, und deshalb geht keine Arbeit verloren, denn in Gott lebt kein Mensch umsonst.

Die Schöpfungsgeschichte beschreibt, wie Gott den Menschen aus dem Staub formt und ihm das Leben einatmet – wie wir vorhin gehört haben. Diese Beschreibung der Erschaffung des Menschen ist nicht als naturwissenschaftliche Aussage gemeint. Es handelt sich hier um symbolische Sprache. Aber in einer Hinsicht sollen wir diese Geschichte wortwörtlich verstehen. Der Mensch kehrt zuletzt zu der Erde zurück, aus Menschen wird Staub. Und in Jesus wurde offenbart, dass Gott die Macht hat, aus menschlichem Staub unvergängliches Leben zu schaffen. Die Erschaffung des Adam aus Staub ist eine Vorschau, was Gott mit uns Menschen vorhat.

Und das Leben im Jenseits wird nicht langweilig sein, denn Gott versteht, was wir Menschen brauchen. Deshalb ist jede sinnvolle Arbeit, die Körper, Geist und Seele voll in Anspruch nimmt, eine Vorschau des Himmels. Ein Mensch, der in seiner Arbeit so aufgeht, dass er sich selbst vergisst, weil er so ergriffen ist von dem, was er tut, erlebt dadurch einen Vorgeschmack der ewigen Herrlichkeit, für die wir Menschen vorgesehen sind.

Wie Paulus in dem 1. Korintherbrief schreibt:

»Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! Darum seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.“

Lied nach der Predigt:

1. In Gottes Namen fang ich an,
was mir zu tun gebühret;
mit Gott wird alles wohlgetan
und glücklich ausgeführet.
Was man in Gottes Namen tut,
ist allenthalben recht und gut
und kann uns auch gedeihen.

4. Drum komm, Herr Jesu, stärke mich,
hilf mir in meinen Werken,
lass du mit deiner Gnade dich
bei meiner Arbeit merken;
gib dein Gedeihen selbst dazu,
dass ich in allem, was ich tu,
ererbe deinen Segen.

6. Nun, Jesu, komm und bleib bei mir.
Die Werke meiner Hände
befehl ich, liebster Heiland, dir;
hilf, dass ich sie vollende
zu deines Namens Herrlichkeit,
und gib, dass ich zur Abendzeit
erwünschten Lohn empfange.

Wir danken Canterbury Cathedral (www.canterbury-cathedral.org) für die Erlaubnis, das Fenster mit der Abbildung von Adam kostenlos zu zeigen.
Das Bild 'Dante Alighieri's portrait', Sandro Botticelli', 1495, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

PSch