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Predigt von Pfarrer Phil Schmidt: Kantatengottesdienst am 29. Mai 2011: Lukas 11, 5 – 13 Es ist alles gut

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'The Importunate Neighbour', 1895, William Holman Hunt

Rogate - Kantatengottesdienst:

Es ist alles gut Lukas 11, 5 – 13

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 29. Mai 2011 im Kirchsaal Süd

Und er sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen, und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf. Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete? oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wieviel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten! Lukas 11, 5 – 13

Es gibt eine Erzählung aus China. Es geht um einen Bauern, der ein unfruchtbares Land zu beackern hatte. Er hatte einen Sohn und ein Pferd zum Pflügen. Eines Tages lief ihm das Pferd davon. Die Nachbarn kamen und bedauerten den Bauer; sie sprachen von einem bösen Unglück. Er blieb ruhig und sagte: „Woher wisst ihr, dass es ein böses Unglück ist?“ In der nächsten Woche kam das Pferd zurück und brachte zehn Wildpferde mit. Die Nachbarn kamen wieder und gratulierten ihm zu seinem Glück. Wieder blieb der Bauer gelassen und sagte: „Woher wisst ihr, dass es gut ist?“ Eine Woche später ritt sein Sohn auf einem der wilden Pferde und brach sich ein Bein. Nun hatte der Bauer keine Hilfe mehr und musste die Arbeit allein machen. Die Nachbarn kamen und bedauerten, dass er böses Pech hatte. Wieder blieb der Bauer gelassen und sagte. „Woher wisst ihr, dass es böse ist?“ In den folgenden Tagen brach ein Krieg aus, und Soldaten kamen zum Bauernhof, um den Sohn für den Militärdienst abzuholen. Aber er durfte zu Hause bleiben, weil er ein gebrochenes Bein hatte.

'Sündenfall', 1375-1383, Meister Bertram von Minden

Diese Erzählung veranschaulicht eine biblische Wahrheit. Nämlich, dass wir Menschen nicht wissen, was zuletzt gut oder böse für uns ist. Diese Wahrheit wird gleich am Anfang der Bibel durch die Sündenfallgeschichte veranschaulicht. Adam und Eva aßen von einem Baum, der den Namen trug: „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“. Sie sollten nicht von diesem Baum essen, denn dieser Baum war todbringend. Es klingt so, als ob Gott eine Aufklärung verhindern will. Aber es geht hier um etwas ganz Anderes. Der Sündenfall bestand nämlich darin, dass Adam und Eva sich eingebildet hatten, dass sie unabhängig von Gott feststellen konnten, was gut und böse ist.

Es handelt sich hier um eine Vertrauenskrise. In der Schöpfungsgeschichte wurde erklärt, dass alles, was Gott gemacht hatte, gut ist. Die Menschen aber, vertreten durch Adam und Eva, sagten: das glauben wir nicht, dass die Beschaffenheit des Lebens gut ist. Denn wir sehen viel Böses in dieser Welt. Wenn Gott wirklich gut wäre, würde er das Böse verhindern oder abschaffen. Gott ist also nicht zu trauen.

In diesem Zusammenhang muss ich an eine 80-jährige Frau denken, die ich in den 70er Jahren kennenlernte, die früher in der Geleitsstraße gewohnt hatte. Sie stammte aus Ostpreussen und hatte dort die entsetzlichen Gefahren der Kriegsjahren erlebt. Sie ist mit ihrer Tochter auf gefahrvolle Weise nach Westen geflohen. Sie konnte nicht über diese Zeit reden, ohne in Tränen auszubrechen, denn sie hatte ihre Heimat und manche Familienangehörige auf gewaltsame Weise verloren. Aber einmal sagte sie völlig unvermittelt: „Es war alles gut. Es ist alles gut.“ Sie hat nicht erklärt, warum sie so etwas sagte. Aber das war ihr persönliches Glaubensbekenntnis: es war alles gut, es ist alles gut.

In dem Lukastext, der für heute vorgesehen ist, geht es um diese Frage, ob wirklich alles gut ist, d. h. ob Gott zu trauen ist, dass er es gut mit uns meint.

In dem Gleichnis geht es um einen Mann, der in eine Notsituation geraten ist. in orientalischen Ländern ist Gastfreundschaft das oberste Gebote. Wenn ein Gast nicht großzügig bewirtet wird, so ist das eine große Schande für einen Gastgeber. Ob ein Gast um Mitternacht oder mitten am Tag ankommt, spielt keine Rolle: der Gastgeber muss ihm ein großzügiges Essen anbieten, sonst ist er gedemütigt. Deswegen ist der Gastgeber in dem Gleichnis bereit, einen guten Freund zu einer unmöglichen Zeit zu belästigen – und sogar energisch zu belästigen. Der gute Freund wird das geforderte Brot auch liefern – vielleicht widerwillig, vielleicht zähneknirschend – aber das Endergebnis steht fest. Der Gastgeber wird bekommen, was er braucht.

Und Jesus sagt: wenn Menschen in der Lage sind, einander Gutes zu tun – wenn auch widerwillig – um wie viel mehr wird Gott seinen Kindern Gutes tun – aber nicht widerwillig, sondern freiwillig und freigiebig.

Der Schlusssatz des Lukastext lautet:

Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete? oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete?

Am Ende dieses Textes kommt eine überraschende Wendung. Es müsste heißen:

Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wieviel mehr wird der Vater im Himmel euch gute Gaben geben.

Aber der Text endet anders:

Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wieviel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!

Diese Formulierung klingt ausweichend, als ob Gott nur spirituell denkt und sich nicht um materiell Dinge kümmern will. Aber der Begriff „heiliger Geist“ bringt zum Ausdruck, dass Gott mit uns ist und mit uns bleibt, egal was eintreten mag. Das ist das höchste Gut, das Gott zu bieten hat: seinen persönlichen und dauerhaften Beistand. Wenn wir das haben, haben wir alles, was wir brauchen.

Gott verspricht z. B.: auch wenn du schwer krank wirst oder auch wenn du Opfer eines Gewaltverbrechens wirst, werde ich dich nie allein lassen, deswegen wird alles gut ausgehen. Für die meisten Menschen wird diese Verheißung zu wenig sein. Menschen erwarten mehr von Gott. Sie erwaten, dass Gott Krankheit und Verbrechen verhindert. Das wäre was Gutes – wird gesagt. Aber Gott sagt: Ich allein kann bestimmen, was für dich gut ist. Du sollst vertrauen, dass es gut für dich ist, dass das Leben so abläuft, wie es abläuft. Es wird alles gut, und deshalb ist alles gut.

In der Kantate, die wir vorhin gehört haben, geht es um die Himmelfahrt Christi. Bei der Himmelfahrt ging Jesus scheinbar weg, aber in Wirklichkeit war er danach noch gegenwärtiger als vorher. Wie es in der Kantate heißt: „den Geist will ich dir geben, der dich in Trübsal trösten soll und lehren mich erkennen wohl und in der Wahrheit leiten.“ Der Geist, der tröstet und zur Wahrheit leitet, ist Jesus Christus selber, der Immanuel heißt „Gott mit uns“. Das ist die Verheißung, die das Leben tröstlich und gut macht. Gott ist immer mit uns.

'Eric Clapton at the Tsunami Relief concert in Cardiff's Millennium Stadium', 2005, Yummifruitbat

Am 20. März 1991 in der Stadt New York passierte ein entsetzliches Unglück: ein 4-jähiger Junge fiel aus einer Wohnung im 53- Stockwerk. Er war der Sohn des legendären Gitarrenspielers Eric Clapton. 9 Monate lang konnte der Musiker nicht auftreten. Als er wieder spielte, trat er mit einem Lied auf, das er in seiner Trauerzeit ausgearbeitet hatte. Das Lied heißt:„Tränen im Himmel“ ("Tears in Heaven"). Dieses Lied war sein Versuch, die Erschütterung zu verarbeiten. In diesem Lied bringt er seine stechende Trauer zum Ausdruck, aber auch seine Hoffnung. Er stellt sich vor, wie es wäre, wenn er seinen Sohn im Himmel sehen würde: Würden sie sich gegenseitig erkennen? Könnten sie einander die Hand reichen? Würde der Sohn dem Vater helfen können aufrecht zu stehen? Aber dann stellt er fest, dass er noch nicht zum Himmel gehört und deshalb in Geduld ausharren und seinen weiteren Weg gehen muss. Er stellt fest, dass sein Herz gebrochen und dass er wie ein Bettler geworden ist, auf Gnade angewiesen. Das Lied endet mit den hoffnungsvollen Worten: „Jenseits der Tür gibt es sicherlich Frieden und ich weiß, dass es im Himmel keine Tränen mehr geben wird.“

Dieses Lied veranschaulicht, dass es keine Hoffnung für uns Menschen gibt außer der Schöpferkraft Gottes, der aus den bösesten Situationen etwas Gutes schaffen kann. Wie der Predigttext verkündet: er ist wie ein Vater, der seinen Kindern nur Gutes geben will. Das, was uns böse erscheint, ist nur etwas Vorläufiges. Zuletzt wird es keine Tränen mehr geben. Zuletzt wird alles gut werden und deshalb ist schon jetzt alles gut.

Denn Gott ist mit uns und wird uns nie verlassen. Und wo Gott ist, da ist der Himmel.

Die Abbildung 'Sündenfall', 1375-1383, Meister Bertram von Minden und deren Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.
Das Bild 'The Importunate Neighbour', 1895, William Holman Hunt, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Die Photographie 'Eric Clapton at the Tsunami Relief concert in Cardiff's Millennium Stadium', 2005, Yummifruitbat, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic license.

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