Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigt von Pfarrer Phil Schmidt: Johannes 21, 1 – 14 Das Osterfrühstück am Seeufer

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'Tiberias Sea of Galilee', 2009, Matic18

Quasimodogeniti - Erster Sonntag in der Osterzeit

Das Osterfrühstück am Seeufer Johannes 21, 1 – 14

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 01.05.2011 in der Dreikönigskirche

Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so: Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. Da spricht der Jünger, den Jesus liebhatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht. Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch die Fische. Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war. Johannes 21, 1 – 14

'Bombeta de Llum', 2006, 1997

Es gibt einen Bericht, der allerdings nicht verifiziert worden ist, von einem Richter in dem ehemaligen Jugoslawien, der ein bizarres Erlebnis hatte. Er wollte ein Bad nehmen und hatte sich teilweise ausgezogen, als die Lichtbirne im Bad kaputt ging. Er wechselte die Lichtbirne aus, aber ungeschickterweise stand er mit nackten Füßen auf nassem Boden. Er bekam einen elektrischen Schock und starb – mindestens sah es so aus. Ein Notarzt wurde gerufen und der Richter wurde für tot erklärt. Er wurde zu einem Friedhof transportiert, wo er in einer Leichenhalle aufgebahrt wurde. Er war allerdings nur scheintot und kam mitten in der Nacht wieder zum Bewusstsein. Er schaute sich um und versuchte herauszubekommen, wo er sich befand. Er sah, dass es am Ende der Halle einen beleuchteten Raum gab, wo ein Wächter hinter einer Fensterscheibe saß. Er klopfte an das Fenster. Der Wächter bekam den Schock seines Lebens und rannte in Panik weg. Er kam irgendwann zurück mit einem Freund und nachdem sie feststellten, dass der Wiedererwachte kein Gespenst war, wurde er freigelassen. Er wollte so schnell wie möglich seine Frau benachrichtigen und rief sie an, aber als seine Frau seine Stimme hörte, fiel sie in Ohnmacht. Jetzt hat er gemerkt, dass er einen Fehler gemacht hatte. Sicherlich hat sie gedacht, dass jemand einen brutalen Scherz mit ihr spielte. Er merkte, dass er seine Frau auf die Begegnung mit ihm vorbereiten musste. Er rief einige Freunde an, aber sie wussten alle, dass er tot war und konnten nicht glauben, dass der Mann am Telefon der Richter war. Schließlich kam er auf die Idee, Bekannte in einer anderen Stadt anzurufen, die noch nicht erfahren hatten, was geschehen war. Über diese Freunde konnte er seine Wiederkehr zum Leben vorbereiten.

Diese Begebenheit veranschaulicht, wie schockierend es ist, wenn ein Toter zum Leben zurückkehrt. Die Wiederkehr eines Toten ist so erschreckend, dass Entsetzen und Verwirrung entstehen. Bei den Auferstehungserscheinungen Jesu kann man in den Evangelien dieselbe Reaktionen sehen, die der jugoslawische Richter ausgelöst hatte, nämlich Erschrecken, Entsetzen, Zweifel, Unsicherheit, ob man ein Gespenst sieht.

Diese Begebenheit mit dem Richter veranschaulicht etwas Überraschendes, nämlich, dass die Wiederkehr eines Toten nicht automatisch etwas Erbauliches oder Tröstliches ist. Im Gegenteil: sie ist eher aufwühlend und beängstigend. Wenn es nur darum gehen würde, dass Jesus wieder zum Leben zurückgekehrt wäre, würden wir heute nicht Ostern feiern. Bei der Auferstehung Christi geht es nicht nur darum, dass ein Toter zum Leben zurückgekehrt ist, sondern es geht um etwas viel Größeres, um etwas Monumentales, das atemberaubend und ein unermessliches Geheimnis ist.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man das unermessliche Geheimnis der Auferstehung Christi verkündigen kann: entweder feierlich, bombastisch, mit Pauken und Tompeten, oder auf eine indirekte, hintergründige Weise – was eine tiefere Wirkung hat. Die Spezialität des Johannesevangeliums ist die Hintergründigkeit. Der Text, der für heute vorgesehen ist, enthält anspruchsvolle Doppeldeutigkeiten, die der Leser entdecken sollte, indem er auf Feinheiten der Sprache achtet.

Es gibt hier mindestens 6 unauffällige Motive, die zu entdecken und zu entziffern sind. Jedes Wort, das in dem Johannesevangelium vorkommt, ist nicht zufällig da, sondern will auf etwas hinweisen.

    'Der Wunderbare Fischzug', 1444, Konrad Witz
  • Motiv 1: das Seeufer

    Warum berichtet Johannes, dass der Auferstandene am Ufer eines Sees stand? Das Wort „Ufer“ hat eine doppelte Bedeutung. Das Urbild der Auferstehung ist der Durchzug Israels durch das Schilfmeer. Israel zog durch das Schilfmeer und erreichte ein jenseitiges Ufer. Das Erreichen des jenseitigen Ufers bedeutete die endgültige Befreiung von der Knechtschaft. Es gab danach keine Rückkehr nach Ägypten. So ist auch Jesus aus der Knechtschaft der Vergänglichkeit gezogen – er ist durch die Tiefe des Todes hindurchgezogen – und hat auch ein jenseitiges Ufer erreicht, nämlich die Herrlichkeit Gottes. Das Erreichen dieses jenseitigen Ufers bedeutet die endgültige Befreiung von Vergänglichkeit. Es gibt keine Rückkehr in die Verweslichkeit. Auferstehung ist also keine Wiederbelebung, keine Rückkehr zu diesem vergänglichen Leben – wie bei dem jugoslawischen Richter.

  • Motiv 2: Jesus ist nicht wieder zu erkennen

    Warum wurde Jesus nicht erkannt? Es heißt:

    Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.

    Und auch später, als die Jünger in seiner Nähe waren, als seine Identität schon geklärt war, gab es trotzdem weiterhin Unsicherheit. Denn es heißt:

    Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.

    Jesus ist deswegen nicht sofort erkennbar, weil er nicht bloß wiederbelebt wurde, sondern auferstanden ist. Auferstehung bedeutet Verwandlung. Auferstehung bedeutet, dass er nicht mehr zu dieser vergehenden Welt gehört, und deswegen kann er nicht mehr ohne Weiteres eingeordnet werden.

  • Motiv 3: der Auferstandene wird von den Jüngern „Herr“ genannt

    Das älteste Bekenntnis der Christenheit lautet: „Jesus ist der Herr (Kyrios)“. Mit dieser Anrede wurde Jesus mit dem Gott Israels gleichgesetzt. Denn in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, die zur Zeit Jesu als gültige Übersetzung galt und verbreitet war, wurde der heilige Name Gottes mit dem griechischen Wort Kyrios umschrieben, was auf Deutsch als „Herr“ übersetzt wird. Wenn der Auferstandene „Herr“ genannt wird, dann bedeutet das: die Auferstehung Jesu Christi definiert, wer Gott ist, nämlich, Gott ist derjenige, der den Tod besiegt hat. Nicht der Tod ist der Herr dieser Welt, sondern der Auferstandene. Der Auferstandene ist die Verkörperung der Gegenwart Gottes.

  • Motiv 4: Petrus will nicht nackt vor dem Herrn erscheinen

    Es heißt:

    Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser.

    Normalerweise, wenn man ins Wasser springt, zieht man die Kleider aus. Dass Petrus eine Scheu hatte, vor dem Auferstandenen nackt zu erscheinen, erinnert an Adam und Eva im Garten Eden. Nach dem Sündenfall merkten sie zum ersten Mal, dass sie nackt waren und versteckten sich vor Gott. Petrus - durch seine Körpersprache - bestätigt die Wahrheit, dass der Auferstandene „der Herr“ ist, die Verkörperung der Anwesenheit Gottes.

  • 'A coal and fire', 2006, snty-tact
  • Motiv 5: das Osterfrühstück

    In der Lutherübersetzung dieses Textes wird berichtet, dass Jesus eine Mahlzeit bereitete, die aus Brot und Fische bestand. Aber im Urtext gibt es eine Differenzierung. Es wird ein Wort verwendet, das zwar Fisch bedeuten kann, aber genauso gut als Fleisch oder als Beilage übersetzt werden könnte. Wenn es aber darum geht, das zu beschreiben, was in den Netzen gefangen wurde, verwendet Johannes das griechische Wort Ichthys, das eindeutig als Fisch zu übersetzen ist. Die Fische im Netz werden zu der Ostermahlzeit gebracht, aber kommen nicht auf das Kohlenfeuer, um gegessen zu werden. Das, was auf dem Kohlenfeuer gebraten wird, wird nicht näher definiert, aber es wird angedeutet, dass es aus dem See kommt.

    Es ist möglich, dass das Osterfrühstück auf eine jüdische Endzeiterwartung hinweisen soll. In dem Buch Hiob und in einem Psalm wird ein Seeungeheuer beschrieben, das Leviathan heißt. Leviathan ist ein Symbol für alle chaotischen, menschenfeindlichen Mächte dieser Welt. Es heißt: der Mensch kann Leviathan nicht fangen. Das bedeutet: der Mensch kann die chaotische Zerstörungsgewalt dieser Erde nicht in den Griff bekommen. Das kann nur Gott.

    Es gibt einen außerbiblischen Text des Judentums, in dem es heißt: „Der Heilige, gesegnet sei Er, wird in der kommenden Zeit ein Festmahl für die Gerechten aus dem Fleisch des Leviathan bereiten.“ Es kann gut sein, dass das Osterfrühstück Jesu ein versteckter Hinweis auf dieses endzeitliche Festmahl ist, das aus dem Fleisch des Leviathan bestehen sollte, das Gott selber bereiten wird. Die Auferstehung Christi ist also ein Sieg Gottes über alle menschfeindliche Mächte dieser Erde. Aus dem Bösen wird etwas geschaffen, was als Nahrung für eine neue Schöpfung dienen wird.

  • Motiv 6: die Zahl 153

    Es gibt 153 große Fische in dem Netz, aber die Netze zerreißen nicht, und diese Fische werden zum Ufer gebracht. Eine der ältesten Auslegungen dieser Zahl 153 stammte von dem Kirchenvater Hieronymus, der behauptet hatte, dass es insgesamt 153 verschiedene Meeresfische gäbe. Die Zahl 153 steht für die Gesamtheit aller Völker, die alle zusammen in einem Netz untergebracht werden sollten und zum „Ufer“ zu bringen sind. Das heißt: alle Völker sind für die Herrlichkeit der Auferstehung vorgesehen. Auferstehung betrifft nicht nur Jesus, sondern er ist der Erstling einer allgemeinen Auferstehung der Toten.

'Cape ofGoodHopeRSA', 2008, Mircea Rares

Westlich der Südspitze von Afrika gibt es das Kap der guten Hoffnung. Ursprünglich hieß es „Kap der Stürme“. An dieser Stelle liegen mindestens 23 Schiffe am Meeresboden, weil diese Stelle gefährlich und heimtückisch ist. Es hieß einmal: Jedes mal wenn ein Schiff es gewagt hatte, um die südliche Spitze Afrikas herum zu segeln, gab es keine Wiederkehr. Niemand wusste, was östlich dieser Stelle lag, denn niemand kam jemals zurück. Im 16. Jahrhundert gelang es den Portugiesen Vasco De Gama als Erster durch dieses stürmische Meer hindurchzukommen und zurückzukehren. Jenseits dieser gefährlichen Stelle gab es ein friedliches Meer.

Diese Begebenheit veranschaulicht, was Jesus tat. Niemand ist von den Toten zurückgekehrt. Der Tod galt als der große Schrecken der Menschheit. Aber Jesus ist als erster durch den Tod gegangen; er hat als erster das jenseitige Ufer erreicht, und er kam zurück um uns zu sagen: „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ Aus stürmischer Angst ist gute Hoffnung geworden. Aus Leviathan ist eine Mahlzeit geworden. Aus allen Völkern ist eine Einheit geworden, die zuletzt nicht zu zerreißen ist. Die Auferstehung Christi soll uns nicht erschrecken, sondern ewig trösten.

Die Photographie 'Tiberias Sea of Galilee', 2009, Matic18, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license
Die Photographie 'Bombeta de Llum', 2006, 1997, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.
Die Photographie 'A coal and fire', 2006, snty-tact, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license
Das Gemälde 'Der Wunderbare Fischzug' (Petrusaltar, Fragment eines Altares der Petrus-Kathedrale in Genf, linker Flügel außen), 1444, Konrad Witz, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.
Die Photographie 'Cape ofGoodHopeRSA', 2008, Mircea Rares, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.5 Generic license

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