Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Feier der Osternacht: Sieg über den Teufel

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Feier der Osternacht: Sieg über den Teufel

Andacht - Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 23. April 2011 im Kirchsaal Süd
In der ursprünglichen Form gehörten Lieder und Lichtbilder zu dieser Andacht

'Курбиново, Македония, церковь святого Георгия', 1191

Tod, Teufel, Sünd’ und Hölle

Am Anfang des Jahres verbrachten wir meinen Urlaub in Leipzig. Wir wollten dort so oft wie möglich den Thomanerchor hören.

An Epiphanias wurde in der Thomaskirche der 6. Teil des Weihnachtsoratoriums in einem Gottesdienst aufgeführt. Dieser Abschlussteil des Weihnachtsoratoriums feiert den Sieg Gottes über alle menschenfeindlichen Mächte.

Am Anfang dieses 6. Teils heißt es:

Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben,
so gib, dass wir im festen Glauben
nach deiner Macht und Hilfe sehn!
Wir wollen dir allein vertrauen,
so können wir den scharfen Klauen
des Feindes unversehrt entgehn.

Diese Formulierung von den scharfen Klauen des Feindes könnte sich auf eine Stelle in dem 1. Petrusbrief berufen, wo es heißt: „Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“

Und am Ende des Oratoriums im Schlusschoral heißt es:

Nun seid ihr wohl gerochen (d. h. gerächt)
an eurer Feinde Schar,
denn Christus hat zerbrochen,
was euch zuwider war.
Tod, Teufel, Sünd und Hölle
sind ganz und gar geschwächt;
bei Gott hat seine Stelle
das menschliche Geschlecht.

Im Mittelpunkt ist Gott, nicht der Mensch

Diese Perspektive des Weihnachtsoratoriums ist auch die Betrachtungsweise der Bibel und der Urchristenheit. Im Mittelpunkt steht immer das, was Gott für die Menschen getan hat. Gott hat alles besiegt, was den Menschen erschüttern könnte. Gott hat „Tod, Teufel, Sünd und Hölle“ gebändigt. Es geht hier um Mächte, die eine versklavende, tödliche und überwältigende Wirkung haben: Mächte, die der Mensch nicht bändigen kann, egal, wie sehr er sich anstrengt.

Es gab allerdings eine Ungereimtheit in den Gottesdiensten in der Thomaskirche. Von der Kanzel wurde die Verantwortung des Menschen betont. Der Schwerpunkt der Verkündigung lautete – so wie sie bei mir angekommen ist -: es gibt viel Unheil in dieser Welt; wir tragen die Mitschuld, dass es so viel Habgier und Brutalität gibt, dass die Schöpfung so vergiftet ist. Wir müssen umkehren, wir müssen schwer an uns arbeiten, wir müssen verantwortlicher handeln, wir müssen bessere ethische Entscheidungen treffen.

Aber es wäre eine maßlose Selbstüberschätzung, zu meinen, dass der Mensch diese Welt heilen könnte, indem er sich bessert und optimale Entscheidungen trifft. Denn wir können Dinge wie „Tod, Teufel, Sünd und Hölle“ nicht in den Griff kriegen. Wir können uns nur darauf verlassen, dass Gott die Macht hat, das Böse und das Tödliche zu besiegen.

Deswegen liegt der Schwerpunkt der biblischen Verkündigung nicht bei Menschen - was der Mensch zu tun hat, - sondern der Schwerpunkt liegt immer bei Gott: was er getan hat und was er tun wird. Zuletzt können wir uns nicht auf unsere Kraft verlassen, wenn es um das Heil der Welt geht, sondern wir sind total auf die Kraft Gottes angewiesen.

Diese Art Glaube, die sich allein auf Gott verlässt, wird zuletzt die Welt heilsam verändern und unsere besten Kräfte freisetzen. Dies ist eine Kernbotschaft der Bibel.

Deswegen werden wir heute Abend einen Aspekt von Ostern betrachten, der in der heutigen Zeit in den Hintergrund geraten ist: nämlich: die Auferstehung Christi als der Sieg über den Teufel. Wir werden heute Abend die Fragen aufgreifen: Was bedeutet der Begriff „Teufel“? Wie hat Christus den Teufel besiegt? Was bedeutet der Ostersieg über den Teufel für uns?

Eingangsgebet:

Allmächtiger, ewiger Gott, in unserer Welt werden wir mit dem Bösen konfrontiert. Es kommt zum Vorschein in brutalen Terroranschlägen, in maßloser Habgier, in tödlicher Kaltblütigkeit. In Jesus bist Du dem Bösen begegnet und hast es überlistet. Hilf uns heute Abend zu begreifen, wie Du durch den Ostersieg Jesu Christi den Teufel in den Griff bekommen hast.
Amen

Was ist der Ursprung des Bösen?

'Gemälde 'Immaculata' Detail: Adam und Eva, um 1705–1715, Johann Michael Feichtmayr d. Ä. - Andreas Praefcke, 2008

Der Ausgangspunkt für unsere Betrachtung heute Abend ist die Frage: Was ist der Ursprung des Bösen? Es gibt zwei biblische Antworten auf diese Frage, aber die Christenheit neigt heute dazu, nur eine von diesen Antworten zu betonen. Beide Antworten befinden sich in dem 1. Buch Mose: im Kapitel 3 und im Kapitel 6.

Erste Erklärung

In 1. Mose 3 steht die Sündenfallgeschichte.
Adam und Eva; Kain und Abel sind die Vertreter der Menschheit, die vorführen, warum das Böse in die Welt gekommen ist. Nach der Sündenfallgeschichte hängt alles davon ab, dass der Mensch sich für das Böse entscheidet. Der Mensch entscheidet, dass er so sein will wie Gott. Er will autonom entscheiden, was gut und böse ist, als ob er Gott selber wäre.
Auch für Kain gab es einen Moment der Entscheidung, er stand nicht unter einem unwiderstehlichen Zwang, seinen Bruder zu töten – wie der biblische Text deutlich macht -, aber er entschied sich trotzdem für das Töten. Das Böse entsteht, weil der Mensch in seiner maßlosen Selbstüberschätzung entscheidet, dass er tun kann, was er will.

Diese Sündenfall-Erklärung für das Böse ist das, was wir alle kennen. Manche protestantische Prediger sind auf diese Erklärung fixiert. Es wird gepredigt:
Alles, was in der Welt schief geht, ist darauf zurückzuführen,

  • dass Menschen unethische Entscheidungen treffen,
  • dass sie egoistisch handeln, dass sie sich nicht beherrschen, sondern ihre Habgier ausleben.
Und weil der Mensch das Böse durch sein Fehlverhalten produziert, liegt es auch in seiner Hand, das Böse abzuschaffen, indem er
  • korrekte ethische Entscheidungen trifft,
  • Nächstenliebe praktiziert, sich zusammenreißt und
  • Bescheidenheit und Gottvertrauen lernt.

Im Focus steht der Mensch, der aufgefordert wird, umzukehren und Gutes zu tun.

Aber eigenartigerweise spielt die Adam und Eva - Geschichte kaum eine Rolle in der Bibel. Im Alten Testament wird die Sündenfallgeschichte am Anfang erwähnt und danach nie wieder. Im Neuen Testament wird die Sündenfallgeschichte nur von Paulus einmal aufgegriffen.
Jesus erwähnt Adam und Eva mit keinem Wort. Wenn die Sündenfallgeschichte eine Rolle spielt, dann so indirekt und so hintergründig, dass es kaum auffällt.

Zweite Erklärung

Es gibt in der Bibel aber eine zweite Erklärung dafür, warum es das Böse gibt. Diese Erklärung befindet sich im 1. Buch Mose im 6. Kapitel (1 – 4). Sie wird Ihnen überhaupt nicht gefallen! Aber diese Erklärung bildet den Hintergrund zu der Welt Jesu im Neuen Testament.

'The Fall of the Rebel Angels, 1562, Pieter Bruegel the Elder

Als aber die Menschen sich zu mehren begannen auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, da sahen die Gottessöhne (d. h. die Engel), wie schön die Töchter der Menschen waren, und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten...Zu der Zeit und auch später noch, als die Gottessöhne zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus die Riesen auf Erden. Als aber der HERR sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden.

Danach gab es die große Sintflut, die alles Leben auf Erden vernichtete, außer dem Leben, das sich auf der Arche Noahs befand.

Henoch

Diese Erklärung aus dem 1. Buch Mose ist rätselhaft und auch bruchstückhaft. Es geht hier um Mythologie: Engel vergreifen sich an Frauen und daraus entstehen Riesen. Dann heißt es plötzlich, dass

der Menschen Bosheit groß war, und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar.

Aber nach der Sintflut hatte sich nichts verändert. Die neue Menschheit, die aus der Familie Noah entstanden ist, ist genauso wie vorher, denn es heißt:

Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.

Hier fehlt etwas, hier ist eine Lücke.
Wer wissen will, was weggelassen wurde, kann die vollständige Geschichte in einem Buch finden, das nicht zur Bibel gehört, das aber die Bibel eindeutig geprägt hat. Das Buch heißt „Henoch“ – manchmal 1. Henoch - oder der „äthiopische Henoch“. Denn in Äthiopien war das Buch Henoch ein Teil der Bibel. In diesem Buch kann man die vollständige Fassung der Geschichte finden, die im 1. Mose 6 nur angedeutet wird.

In Henoch kann man nachlesen, dass die gefallenen Engel den Menschen Geheimwissen vermittelten und sie lehrten, Schwerter, Messer, Schilde und Brustpanzer aus Metall zu fertigen, so dass Kriege noch brutaler wurden. Aus den gefallenen Engeln sind Dämonen geworden, die dazu verurteilt wurden, 70 Generationen lang in den Tälern der Erden gefangen zu bleiben, bis zur Vernichtung in einem feurigen Endgericht.

Die Legende von den gefallenen Engeln vermittelt die Botschaft, dass wir Menschen unser Schicksal nicht mehr in der Hand haben. Wir sind nicht nur Gefangene unseres Herzens, sondern wir sind vor allem Gefangene von Mächten, die wir nicht begreifen und nicht beherrschen können.

Adam und Eva, Kain und Abel konnten sich noch entscheiden, ob sie sich Gott anvertrauen wollten oder nicht. Aber danach ist etwas Überdimensionales eingetreten, was alle Menschen versklavt. Die Erde ist ein großes Gefangenenlager geworden.

Spuren von den gefallenen Engeln im Neuen Testament

Das Neue Testament ist von dem Weltbild geprägt, das im ersten Buch Mose angedeutet wird. Zum Beispiel im Matthäusevangelium, Kapitel 8 heißt es:

'Jesus heilt den Besessenen von Gerasa (Mittelalterliche Buchillustration)

Und er kam ans andre Ufer in die Gegend der Gadarener. Da liefen ihm entgegen zwei Besessene; die kamen aus den Grabhöhlen und waren sehr gefährlich, so dass niemand diese Straße gehen konnte. Und siehe, sie schrien: Was willst du von uns, du Sohn Gottes? Bist du hergekommen, uns zu quälen, ehe es Zeit ist?

Es gibt in der Bibel keine Erklärung für solche Besessenheit und für die Formulierung „ehe es Zeit ist“. Warum gibt es auf einmal dämonische Besessenheit? Sie kommt im Alten Testament nicht vor – außer vielleicht beim König Saul.
Was bedeutet die Formulierung: „Ehe es Zeit ist“?

Gemeint ist die Zeit des Endgerichtes. Die bösen Geister sind für Vernichtung vorgesehen. Es wird vorausgesetzt, dass die Leser wissen, worum es geht, dass sie das Weltbild kennen, das z. B. in dem Buch Henoch genau beschrieben wird.

Auch in dem 1. Korintherbrief, Kapitel 11 (Vers 10), gibt es eine rätselhafte Stelle, die lautet: Die Frau soll eine „Macht“ tragen „um der Engel willen“. Gemeint ist offensichtlich ein Schleier oder eine Kopfbedeckung. Es gibt bis heute christliche Glaubensgemeinschaften, die auf einen Schleier für Frauen bestehen. Im Islam geht es darum, dass die Männer nicht durch die Schönheit einer Frau gereizt werden. Aber für Paulus ging es um die Engel, die in der Zeit vor der Sintflut von der Schönheit der Frauen so verführt wurden, dass sie Unheil anrichteten und aus der Erde eine Hölle machten.

Die deutlichste Stelle befindet sich in dem Buch Judas, dem zweitletzten Buch der Bibel:

Auch die Engel, die ihren himmlischen Rang nicht bewahrten, sondern ihre Behausung verließen, hat er für das Gericht des großen Tages festgehalten mit ewigen Banden in der Finsternis. (Judas 6)

Die Welt Jesu hat als Hintergrund die mythologische Erzählung von den gefallenen Engeln. Der Kampf Jesu gegen das Böse ist in erster Linie nicht ein Kampf gegen falsche menschliche Entscheidungen, sondern ein Kampf gegen den Teufel und gegen dämonische Besessenheit. Nach diesem Weltbild ist die ganze Erde ein Konzentrationslager. Der Teufel ist ein Sklavenhalter. Dass Jesus Gefangene befreit – indem er Dämonen austreibt, Kranke heilt und Glauben erweckt - ist nicht eine Antwort auf die Sündenfallgeschichte, sondern eine Antwort auf etwas Überwältigendes.

Eine Welt, die von dem Teufel und von Dämonen beherrscht ist

Die Welt, in der Jesus lebte, war eine Welt, die von Dämonen beherrscht war. Ein schottischer Bibelforscher, William Barclay, beschreibt diese antike Welt:

'Temptation of Christ (The Temptation on the Mount), Duccio

„Die Juden glaubten, wie alle Menschen der Antike an Dämonen und Teufel. Die ganze Welt und die sie umgebende Atmosphäre war von Teufeln erfüllt, die nicht nur den Götzendienst, sondern jede Lebensphase des Menschen regierten. Sie saßen auf Thronen, sie umschwebten die Wiegen. Die Erde war buchstäblich eine Hölle... Nach jüdischer Auffassung konnten die Dämonen essen, trinken und Kinder zeugen. Sie waren erschreckend zahlreich; es gab siebeneinhalb Millionen von ihnen, wie manche behaupteten. Sie lebten an unsauberen Orten wie Gräbern und Stellen, an denen es kein reinigendes Wasser gab. Sie lebten in der Wüste, wo man sie heulen hören konnte – daher der Ausdruck „heulende Wüste“. Eine besondere Gefahr stellten sie für einsame Wanderer dar, für Frauen während ihrer Niederkunft, für Braut und Bräutigam, für Kinder, die sich nach Einbruch der Dunkelheit im Freien aufhielten, und für alle, die nachts unterwegs waren... Alle Krankheiten wurden bösen Geistern zugeschrieben, und zwar machte man sie nicht nur für Krankheiten wie Epilepsie und Geistesgestörtheit, sondern auch für alle körperlichen Leiden verantwortlich.“

Dieses Weltbild können wir heute nicht ohne Weiteres übernehmen. In diesem Weltbild stecken Aberglauben und Unwissenheit. Aber trotzdem können wir den Begriff „dämonische Besessenheit“ nicht einfach als Aberglaube oder als Mythologie abtun. Denn hinter dieser scheinbar primitiven Ausdrucksform steckt eine Wahrheit, die wir wahrnehmen sollten, wenn wir verstehen wollen, was Gott in Jesus vollbracht hat.

Warum wir auf den Begriff „Teufel“ nicht verzichten können

Es geht in diesem Kontext um eine grundlegende Wahrheit. Es geht hier um die Frage:

  • Gehört das Böse zum Menschsein? Ist das Böse ein fester Bestandteil der Identität jedes Menschen?
  • Oder ist das Böse ein Fremdkörper? Ist das Böse etwas, was nur vorübergehend in Menschen haust?

Diese Frage ist keine abstrakte, theoretische Frage sondern eine der dringlichsten Fragen der Menschheitsgeschichte.

  • Denn warum gibt es Kriege und sogenannte heilige Kriege?
  • Warum gibt es die Todesstrafe?
  • Warum gab es Ketzer- und Hexenverbrennungen?
  • Warum bringen Terroristen Menschen um?
  • Warum gibt es Mord und Folter im Namen Gottes?
  • Warum gibt es durchschnittlich 150.000 christliche Märtyrer pro Jahr?

Menschen werden deswegen umgebracht, weil sie angeblich böse und deshalb nicht mehr menschlich und lebenswert sind. Seit Jahrtausenden werden Menschen ausgelöscht, weil es angeblich keine andere Lösung gibt, das Böse aus der Welt zu schaffen. Die Rechnung lautet: wenn alle bösen Menschen vernichtet wären, gäbe es nur noch gute Menschen.
Obwohl es klar ist, dass diese Rechnung nicht aufgehen kann, gibt es Menschen, die trotzdem daran glauben und entsprechend handeln.

'Christus heilt in der Synagoge von Capernaum einen Besessenen', 11. Jahrhundert, Scan aus: Rudolf Lehr

Christus heilt in der Synagoge von Capernaum einen Besessenen. Zwei Männergruppen betrachten das Geschehen, die zwölf Personen links sind wahrscheinlich die zwölf Apostel.

Zur Zeit Jesu haben Juden auf einen Messias gewartet, der die Feinde Israels vernichten sollte. Der Messias sollte in einem Heiligen Krieg die Feinde Gottes auslöschen oder austreiben – und zur Zeit Jesu waren das die Römer. Jesus hat aber keine Gewalt eingesetzt und wurde deshalb als Messias vom Judentum nicht allgemein anerkannt.

Aber Jesus hat doch vorgeführt, dass er der Messias war, indem er die Dämonen austrieb, einmal sogar hat er eine ganze Legion von Dämonen ausgetrieben.
Jesus hat keinen einzigen Menschen getötet, sondern er hat das Böse aus den Menschen ausgetrieben.

  • Er hat damit demonstriert, dass jeder Mensch ein Abbild Gottes ist, und dass alles, was Gott geschaffen hat, immer noch gut ist.
  • Er hat damit demonstriert, dass das Böse nicht organisch zum Menschsein gehört, sondern ein Schmutzkörper ist, den Gott entfernen kann und entfernen wird.

Das Wort Teufel ist deswegen so wichtig, weil es zum Ausdruck bringt, dass das Böse nicht naturgemäß zu dem Menschsein gehört, sondern ein Fremdkörper ist, den Gott überwältigen und hinauswerfen kann.

Besessenheit

Es gibt einen zweiten Grund, weshalb wir auf den Begriff „Teufel“ nicht verzichten können. Dieser Begriff bringt zum Ausdruck, dass die Gottesferne eine Besessenheit ist, von der ein Mensch sich nicht durch Entscheidungen befreien kann. Nach dem Markusevangelium ist der Unglaube der Menschheit eine Besessenheit. Alle Menschen sind wegen dieser Besessenheit gelähmt, krank, blind, taub und unfähig, das Werk Gottes zu erkennen.

Deswegen gab es bei Jesus so viele Dämonenaustreibungen.
Diese Dämonenaustreibungen sind Urbilder für das, was Jesus an jedem Menschen vollziehen will. Bei keiner Dämonenaustreibung hat Jesus vorher gefragt: „Willst du befreit werden?“ Das wäre, als ob er einen Toten gefragt hätte: „Willst du wieder leben?“ Befreiung von Besessenheit ist eine reine Gnade.

Die ersten Christen haben die Dämonenaustreibungen Jesu fortgesetzt. Es gab einmal die Sitte, dass Taufkandidaten einen Exorzismus über sich ergehen lassen mussten. Denn wer nicht zu Christus gehörte, galt als Gefangener des Teufels. Taufkandidaten mussten dementsprechend eine Absage an den Teufel aussprechen, die lautete:

„Ich widersage dir, Satan, deiner Pracht, deinem Dienst und deinen Werken.“

Die Gefangenschaft des Willens

Martin Luther hat anschaulich die Gefangenschaft erläutert, von der ein Mensch sich selbst nicht befreien kann. Er hat einen lateinischen Aufsatz geschrieben, der übersetzt heißen könnte „Die Gefangenschaft des Willens“. In diesem Aufsatz verkündet er, dass jeder Mensch entweder zu dem Reich Gottes gehört oder zu dem Reich Satans. Es gibt auf dieser Erde keinen neutralen Boden: Ein Mensch gehört entweder Gott oder er gehört dem Teufel.

'Martin Luther', 2003, CTSWyneken

Und wem er gehört hängt nicht von seiner Willensstärke ab. Luther schreibt:

„So ist der menschliche Wille in der Mitte hingestellt (zwischen Gott und Satan) wie ein Lasttier; wenn Gott darauf sitzt, will er und geht, wohin Gott will, wie der Psalm sagt: „Ich bin wie ein Lasttier geworden, und ich bin immer bei dir.“ Wenn der Satan darauf sitzt, will er und geht, wohin Satan will. Und es liegt nicht in seiner freien Wahl, zu einem von beiden Reitern zu laufen und ihn zu suchen, sondern die Reiter selbst kämpfen darum, ihn festzuhalten und in Besitz zu nehmen.“

In diesem Aufsatz zum Thema Gefangenschaft des Willens erwähnt Luther immer wieder ein Gleichnis Jesu, das für ihn eine Schlüsselrolle spielt. Jesus verglich das Reich des Satans mit einem Haus, das von dem Hausherrn bewacht wird. Aber jemand ist in sein Haus eingebrochen, der stärker ist als er. Dieser Eindringling hat den Satan überwältigt und gefesselt und ist jetzt dabei sein Haus zu plündern, d. h. die Sklaven zu befreien, die zu ihm gehört hatten.

Jesus ist dieser Eindringling, der den Satan überwältigt hat und dabei ist, seine Gefangenen freizusetzen.

Luther beschreibt eindringlich die Situation eines Menschen, der zu dem Teufel gehört: er ist verblendet und taub, er kann sich nicht für Gott entscheiden. Ein Mensch kann intelligent, anständig, moralisch eifrig und gebildet sein, aber wenn er von dem Geist Gottes nicht erleuchtet worden ist, kann er nichts ausrichten, was dauerhaft heilsam ist. Alles, was nicht durch die Gnade Gottes zustande kommt, ist nichtig. Alles, was versucht, selbständig von Gott zu leben, ist nichtig. Nur durch Gnade können wir dauerhaft mit Gott leben und mit Zuversicht zu Gott beten.

Was ist mit dem Begriff „Teufel“ gemeint?

An dieser Stelle sollten wir die Frage klären, wie der Begriff „Teufel“ zu verstehen ist?

'Temptation of Christ', XII c., anonimus

Ist der Teufel ein gefallener Engel, eine lebendige Persönlichkeit, unsichtbar, aber mächtig; der jede Person jederzeit angreifen kann?
Diese Definition von Teufel möchte ich zunächst ausklammern, denn sie gehört zum Bereich der Mythologie und nicht unbedingt zum christlichen Glauben. Ein Christ ist nicht dazu verpflichtet zu glauben, dass der Teufel ein übernatürliches Wesen ist.
In dem Apostolischen und in dem Nizänischen Glaubensbekenntnis wird der Teufel nicht erwähnt. Die Existenz des Teufels ist kein verbindlicher Glaubensinhalt. Man könnte sogar sagen: was den Teufel ausmacht, ist, dass er nicht existiert.
Denn der Teufel ist etwas rein Negatives. Der Teufel ist die Abwesenheit Gottes. Der Teufel ist die Gnadenlosigkeit. Der Teufel ist Finsternis. Der Teufel ist Nichtigkeit. Der Teufel ist Illusion.

Wie sieht der Teufel aus?

Das heißt: Wie sieht es aus, wenn ein Mensch ohne Gnade existiert? Ich möchte versuchen, diesen teuflischen Zustand zu beschreiben.

  • Wer ohne Gnade lebt - d.h. wer zum Teufel gehört - , hat keine Ahnung, warum Christen den Gottesdienst feiern. Er begreift nicht, was in einem Gottesdienst passiert. Er hat keine Vorstellung, was Anbetung ist. Er kann treuen Gottesdienstbesuch nur als Heuchelei oder als Fanatismus abqualifizieren. Sein Motto lautet: „Die wahren Christen sind nicht diejenigen, die jeden Sonntag in die Kirche rennen.“

  • Der Teufel kann treue Zugehörigkeit zu einer christlichen Gemeinde nicht begreifen. Wer so etwas praktiziert ist für ihn ein unmündiges Schäflein, das noch nicht gelernt hat, eigenständig zu denken. Sein Motto lautet: „Ich bin kritisch. Ich komme allein zurecht.“

  • Satan bedeutet wortwörtlich der Ankläger, der Verleumder. Die Spezialität des Teufels ist Anklage, Verleumdung, Rufmord. Weil der Teufel unfähig ist, kreativ zu sein, kann er nur destruktiv vorgehen. Er bildet sich ein, dass Gnadenlosigkeit stärker als Gnade ist, Meckern stärker als Lob, Zynismus stärker als Glaube, Gewalt stärker als Friedfertigkeit. Der Teufel kann sich nur auf Kosten anderer aufbauen, denn er ist ein Nichts. Sein Motto lautet: „Ich werde wohl meine Meinung sagen dürfen!“

  • 'Lucifer, au revers de la chaire', 2009, Vassil
  • Der Teufel ist erlebnissüchtig. Er will etwas geboten bekommen. Das, was nicht öffentlichkeitswirksam ist, existiert für ihn nicht. Er hat keine Geduld mit Inhalten oder mit Personen, die unauffällig und hintergründig sind. Er will Power sehen. Er will Superstars sehen. Wenn die Kirche keine Events zu bieten hat, ist sie für ihn irrelevant.

  • Der Gnadenlose kann christlichen Glauben nur als Aberglauben abtun. Für den Teufel ist Glaube nur möglich, wenn man den Verstand ausschaltet. Er kann es nicht begreifen, wenn gläubige Menschen behaupten, dass christlicher Glaube den Verstand aufblühen lässt.

  • Wer ohne Gnade lebt, kann Unversöhnlichkeit verstehen, aber nicht grenzenlose Vergebungsbereitschaft. Der Teufel kennt nur zwei Formen der Gerechtigkeit: Rache und Vergeltung. Die höhere Gerechtigkeit Gottes, die aus Güte besteht, ist für den Teufel ein unergründliches Rätsel. Das Motto des Teufels lautet: „Strafe muss sein! Man darf sich nicht alles gefallen lassen!“

  • Wer gnadenlos ist, ist von Macht beeindruckt, besonders von der Macht zu töten. Er kann verwundbare Liebe überhaupt nicht einordnen. Das Motto des Teufels im Bezug auf Liebe lautet: „Man darf sich nicht ausnutzen lassen!“

  • Im Reich des Teufels gibt es keine Geschenke. Hinter jedem Geschenk sieht der Gnadenlose einen Hintergedanken oder einen Bestechungsversuch. Diese Betrachtungsweise lautet: Wer ein Geschenk annimmt, ist zu einer Gegenleistung verpflichtet, denn man darf ein Geschenk nicht auf sich sitzen lassen. Das Motto des Teufels lautet: „Alles hat seinen Preis.“

  • Wer ohne Gnade lebt, beurteilt alles nach Nützlichkeitserwägungen. Auch Gottesglaube muss pragmatisch etwas bringen, sonst ist er wertlos. Die Kirche ist nach der Betrachtungsweise des Teufels nur dann eine nützliche Einrichtung, wenn sie soziale Dienste für die Gesellschaft leistet. Ob Glaubensinhalte dahinter stecken, spielt für den Gnadenlosen keine Rolle. Das Motto des Teufels lautet: „Existenzberechtigung muss man vorweisen: tue Gutes und rede davon!“

  • Der Teufel kennt keine Bescheidenheit. Er bildet sich ein, dass er alles durchschauen kann. Es gibt auf dieser Erde 3,8 Milliarden Menschen, die in Abraham ihren Stammvater im Glauben sehen, d.h. Juden, Muslime und Christen. Der gnadenlose Mensch glaubt genau zu wissen, was in jedem Herzen dieser 3.8 Milliarden Menschen vorkommt, nämlich, Fanatismus, Verblendung, und Verlogenheit. Ein Satz, den der Teufel nie sagen würde, lautet: „Eigentlich weiß ich zu wenig, um mir ein Urteil zu erlauben.“

  • Für den Teufel gibt es keine Schuld, sondern nur subjektive Schuldgefühle, die man selbständig verarbeiten kann. Für den Teufel gibt es in Glaubensdingen keine Wahrheit, sondern nur unverbindliche Meinungen, die alle gleichberechtigt sind. Glaubensgewissheit kann er nur als Selbsttäuschung ansehen. Es gibt ein Gebet, das der Teufel nie sprechen würde, denn wenn er dieses Gebet aussprechen würde, wäre er ein für allemal erledigt. Das Gebet lautet: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“

  • Für den Teufel gibt es keinen Himmel und keine Hölle. Er hat keine Vorstellung, was Himmel sein könnte, weil er die innige Gemeinschaft mit Gott nicht kennt. Der gnadenlose Mensch will nicht in den Himmel, denn er hat keine Ahnung, wie Gott wirklich ist. Er merkt nicht, dass er hoffnungslos von Gott entfremdet ist und sich deshalb schon jetzt in der Hölle befindet.

Was ist der Teufel? Der Teufel sitzt möglicherweise in jedem von uns. Der Teufel ist eine Dimension in uns, die Gott nicht kennt und nicht kennen will. Der Teufel ist die Gnadenlosigkeit, die tief in der Seele sitzt und das ganze Wesen eines Menschen vergiften kann. Der Teufel ist eine unerkannte Besessenheit, die das Leben einengt und erstickt. Der Teufel ist eine Stimme, die uns einredet: „Du bist eigenständig, du bist anständig, du brauchst dich nicht zu ändern, du tust schon dein Bestes, man kann dir nichts vorwerfen; es sind die Anderen, die sich ändern müssen.“

Und nicht zu vergessen: der Teufel sieht harmlos aus. Der Teufel sieht aus wie normale Alltäglichkeit.

Der Teufel hat keine Zeit

Wenn es um den Teufel geht, sind wir Menschen total auf die Kraft und Gnade Gottes angewiesen. Wenn es eine Befreiung geben sollte, kann sie nur durch den Geist Gottes bewirkt werden. Die Dämonenaustreibungen Jesu haben gezeigt, dass Gott in diese Welt eingebrochen ist, um den Teufel zu vernichten. Für Gott zählt jeder einzelne Mensch. Jesus war keine „Massenvernichtungswaffe“, denn es gab bei Jesus keine Massenaustreibungen – sondern der Kampf um die Herrschaft Gottes wurde von Mensch zu Mensch ausgetragen.
Denn in jedem einzelnen Menschen spielt sich der Kampf zwischen Gott und Satan ab. Gott wird keine Ruhe geben, bis er in jedem einzelnen Menschen seine Gnade verwirklicht hat.

Alle Menschen sind für Gnade vorgesehen. Gott will eine Lebensgemeinschaft mit jedem Menschen herstellen.

Aber dann ergibt sich die Frage: Warum gibt es Menschen, die seine Gnade noch nicht angenommen haben? Warum ist der Teufel noch nicht restlos vernichtet worden?

Dieses „noch nicht“ hängt damit zusammen, dass Gott sanft, geduldig und feinfühlig ist. Er will das Herz und den Verstand eines Menschen nicht einfach ausschalten oder übergehen. Wie Johannes bezeugte: Jesus Christus ist das Licht des Lebens, das alle Menschen erleuchtet, aber nicht alle Menschen haben dieses Licht begriffen. Manche brauchen mehr Zeit als andere, um Licht und Finsternis zu unterscheiden. Gott hat Zeit und Gott gönnt uns Zeit. „Der Teufel hat keine Zeit“, wie es heißt. Er weiß, dass die Zeit nicht für ihn arbeitet. Denn er hat keinen ewigen Bestand.

Die Überlistung des Teufels

'Temptation of Christ in the Wilderness', XVI c., Juan de Flandes

Der Kampf gegen den Teufel begann in der Wüste.
Es heißt im Matthäusevangelium – lustigerweise finde ich – „Und da er vierzig Tage und Nächte gefastet hatte, hungerte ihn“. Was denn sonst?! Jesus war also in einem geschwächten Zustand, als er von dem Teufel angesprochen wurde. Der Teufel wollte diesen geschwächten Jesus in eine Falle locken, aber der Teufel wurde von Jesus in eine Falle gelockt.

Noch einmal sollten wir uns die Frage stellen: Was ist der Teufel? Wie schon erwähnt: der Teufel ist eine Dynamik in uns Menschen, die uns versklavt und verblendet.

Aber diese Dynamik ist tödlich. Jesus sagte: „Der Teufel ist ein Mörder“. Was das Böse auf jeden Fall ausmacht, ist, dass es das Leben tötet. Denn der Teufel gehört schon zum Tod und will möglichst viele mit sich in den Abgrund reißen.

Satan sucht den Superstar

In der Wüste erlebte Jesus diese tödliche Dynamik, die „Teufel“ heißt. Der Satan wollte Jesus dazu bringen, todbringende Macht einzusetzen.

  • Jesus sollte Steine in Brot verwandeln: damit könnte er den Hunger der Welt abschaffen und Anhänger gewinnen, die zu ihm stehen, weil sie satt geworden sind. Wie Bertolt Brecht sagte: „Zuerst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“. Aber dieser Weg ist trügerisch. Wenn Gott allen sehnsüchtigen Hunger der Menschen auf Kommando sättigen würde, würde er die tödliche Entfremdung verstärken, die zwischen ihm und uns besteht. Gott kommt zu uns Menschen zuerst durch sein Wort, nicht zuerst durch Sättigung. Wenn der Bauch an die Stelle Gottes tritt, ist das todbringend.

  • Jesus sollte von einer hohen Stelle herunterspringen und sich von Engeln auffangen lassen. Durch ein solches Event würde er sich als Superstar erweisen und Anhänger gewinnen, die durch seine Wunderkraft überwältigt wären. Aber auch hier gilt: die tödliche Entfremdung zwischen Gott und Mensch kann nicht durch Wunder überbrückt werden. Der Mensch muss lernen, ohne Wunder an Gott zu glauben. Wundersucht ist für die Beziehung zu Gott tödlich. Deswegen bietet Gott in Jesus keine Machtdemonstrationen auf Kommando an.

  • 'Versuchung auf dem Berge', Hans Thoma (self scanned from book)
  • Bei der dritten Versuchung gab der Teufel an, Verfügungsgewalt über die Weltreiche und ihre Herrlichkeit zu haben. Immerhin wird Satan im Neuen Testament „Der Fürst dieser Welt“ und „Der Gott dieser Weltzeit“ genannt. Ihm gehörte auch das römische Weltreich. Es geht hier um eine pragmatische Taktik. Warum nicht dieses römische Weltreich anerkennen? Immerhin hatte es eine relativ friedliche und gesetzlich geregelte Weltordnung hergestellt. Diese friedliche Weltordnung war zwar auf Sklavenarbeit und auf brutaler Gewalt aufgebaut und es gab eine Menge Leichen im Keller, aber im großen und ganzen kann man mit einem solchen Weltreich gut leben. Es gibt nur einen Haken: dieses Weltreich duldet es nicht, grundsätzlich in Frage gestellt zu werden. Jesus müsste schon pragmatische Zugeständnisse machen und sich dem römischen Kaiser unterordnen und seine Göttlichkeit anerkennen. Wenn Jesus das tun würde, dann würden die Römer ihn in Ruhe lassen, so dass er viel erreichen könnte. Wenn er aber den Kampf mit Rom aufnimmt, dann wird er vernichtet. So könnte die dritte Versuchung verstanden werden.
    Aber wenn irgendetwas außer Gott angebetet wird, ist das absolut tödlich.

Die Stimme der Versuchung redete auf Jesus ein und sagte: Du brauchst nicht zu sterben; du kannst am Leben bleiben und viel Gutes tun. Du brauchst nur die Göttlichkeit des römischen Kaisers formal anzuerkennen. In deinem Herzen kannst du Gott anbeten; du brauchst nur einen kleinen Kniefall vor dem Kaiser zu leisten - eine kleine Äußerlichkeit -, und dann ist alles möglich.

Jesus aber hat sich geweigert, irgendetwas zu tun, was die tödliche Entfremdung zwischen Gott und Mensch festigen würde.

Die Versuchungen des Teufels entsprechen den Erwartungen, die Menschen an Gott stellen: Menschen verlangen von Gott:

  • erfülle unsere Bedürfnisse, dann lieben wir dich
  • zeige uns deine Allmacht, dann glauben wir an dich
  • stell dich auf unsere Welt ein und mache pragmatische Zugeständnisse an die vorgegebenen Machtverhältnisse, dann werden wir merken, dass du nicht weltfremd bist.

Und das ist die Sünde, dass wir Menschen die Bedingungen stellen wollen, die Gott zu erfüllen hat, wenn er für uns Gott sein will. Das ist der Weg von Adam und Eva, die Gott gleich sein wollten und die Gott vorschreiben wollten, was gut und böse ist. Das ist der Weg der gefallenen Engel, für die Gier und Machtgelüste wichtiger als Anbetung und Gehorsam waren.

Jesus widerstand diesen Versuchungen und wählte den Weg der Ohnmacht, denn nur so konnte er eine Gemeinschaft mit uns herstellen, die wir ohnmächtig sind.

Der Teufel wurde nicht durch rohe Macht besiegt, sondern durch Verwundbarkeit. Jesus nahm die Hilflosigkeit der Menschen auf sich. Wer auf Jesus schaut in seiner Schwachheit, der ist bei Gott und Gott ist bei ihm.

Jesus als Köder: das Eigentor des Teufels

Es ist offensichtlich, dass der Teufel bei seinem Wüstenkampf mit Jesus nicht in der Lage war, Jesus zu überlisten, weil er Jesus eigentlich nicht verstehen konnte. Aber etwas versteht der Teufel; er versteht das Töten. Denn das ist sein Geschäft. „Der Teufel ist ein Mörder.“

'Judas Receiving Payment for his Betrayal', Giotto di Bondone (1267-1337)

Der Teufel hat den Tod Jesu eingeleitet. Aber das war ein Fehler. Indem Satan den Tod Jesu inszenierte, schoss er ein Eigentor.

Es heißt in dem Lukasevangelium (22, 3. 4):

Es fuhr aber der Satan in Judas, genannt Iskariot, der zur Zahl der Zwölf gehörte. Und er ging hin und redete mit den Hohenpriestern und mit den Hauptleuten darüber, wie er ihn an sie verraten könnte.

Im Johannesevangelium heißt es (13, 2):

Und beim Abendessen, als schon der Teufel dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten...

Diese beiden Bibelstellen vermitteln zwei wichtige Botschaften.

Erstens: es war nicht Gott, der den Tod Jesu inszenierte. Wenn es um die Frage geht, warum Jesus am Kreuz gestorben ist, darf man nicht behaupten, dass Gott den Tod Jesu wollte. Gott tötet nicht. Der Teufel tötet. Jesus musste zwar sterben - deswegen hatte er unsere Sterblichkeit auf sich genommen -, und sein Sterben brachte Heil, aber er wurde umgebracht von Menschen, die von teuflischer Macht besessen waren.

Eine zweite wichtige Botschaft lautet: Indem der Teufel den Tod Jesu einleitete, hat er eine Kampfansage an Gott erteilt. Und deshalb ist die Auferstehung Christi auch ein Sieg über den Teufel. Der Teufel hat seine Trumpfkarte gespielt – nämlich seine raffinierte Fähigkeit zu töten – und er hat in seinem wichtigsten Spiel verloren.

In dem Kolosserbrief (2, 15) steht eine Aussage, die voller Hintergründigkeit ist

'Christ on the Cross with a Praying Carthusian Monk', 1390-95, Jean de Beaumetz

Er (Jesus) hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet. Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.

Hier wird etwas angedeutet, was erst nachträglich in außerbiblischer Literatur noch deutlicher wurde, nämlich die Vorstellung, dass Jesus eine Art Köder war. Der Teufel wurde dazu überlistet, Jesus zu töten, aber hat damit seinen eigenen Untergang eingeleitet.

Gregor von Nyssa (330 - 395) sagt in seinen katechetischen Orationen:

"Gott, um sicher zu gehen, dass das Lösegeld für uns vom Teufel, der es verlangte, problemlos akzeptiert würde, verbarg sich unter dem Schleier unserer Natur, damit, wie bei einem Raubfisch, der Angelhaken der Gottheit zusammen mit dem Köder des Fleisches heruntergeschluckt werde und so das Leben in das Haus des Todes kommt."

Als Jesus am Kreuz hing, wurde er vorher entkleidet und am Kreuz öffentlich zur Schau gestellt. Er hing am Kreuz nackt und ohnmächtig. Aber nach dem Kolosserbrief war es nicht Christus der am Kreuz öffentlich zur Schau gestellt wurde, sondern die finsteren Mächte und Gewalten.
Nicht Christus, sondern der Satan wurde entblößt und als ohnmächtig hingestellt, weil er diesen Ostersieg nicht aufhalten konnte und weil er zu dem Sieg Christi beigetragen hatte – ohne zu merken, was er tut. Der Teufel ist geködert und überlistet worden. Der Teufel ist hereingelegt worden.

Es gibt Texte, die nach der Entstehungszeit des Neuen Testamentes geschrieben wurden, die dieses Motiv von Jesus als Köder veranschaulichen, das im Neuen Testament nur angedeutet wird.

Es gibt eine christliche Schrift, die offenbar im 4. Jahrhundert geschrieben wurde, die aus drei Teilen besteht. Diese Schrift heißt: „Nikodemusevangelium, Pilatusakten und Höllenfahrt Christi.“
In diesem Text geht es darum zu erläutern, was die Auferstehung Christi bedeutet.

In der Höllenfahrt Christi heißt es:

Da nun alle in solcher Freude waren, kam Satan, der Erbe der Finsternis, und sprach zu Hades: Unersättlicher, Allesverschlinger, höre meine Worte! Da gibt es einen aus dem Judenvolk, der Jesus heißt und sich Gottes Sohn nennt. Er ist (aber nur) ein Mensch, und auf mein Betreiben hin haben ihn die Juden gekreuzigt. Und da er jetzt tot ist, so sei in Bereitschaft, damit wir ihn hier einsperren. Denn ich weiß, dass er (nur) ein Mensch ist, und ich habe ihn klagen hören: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod“.

'Höllenfahrt Christi', um 1437-1446, Fra Angelico

Höllenfahrt Christi, Erlösung alttestamentarischer Personen (Adam)

Er hat mir viel Böses in der Welt droben angetan, als er mit den Sterblichen zusammenlebte. Denn wo er immer meine Diener fand, trieb er sie aus, und alle die Menschen, welche ich bucklig, blind, lahm, aussätzig und dergleichen mehr gemacht hatte, die heilte er durch bloßes Wort, und viele, die ich reif gemacht hatte, begraben zu werden, auch die machte er durch bloßes Wort wieder lebendig.

Ich hatte keine Angst vor ihm, sondern wirkte auf die Juden ein, und diese kreuzigten ihn. Mache dich also bereit, ihn, wenn er kommt, fest in deine Gewalt zu kriegen.

Hades antwortete: Erbe der Finsternis, Sohn des Verderbens, Teufel, soeben hast du mir gesagt, er habe viele, die du zum Begrabenwerden reif machtest, durch bloßes Wort wieder ins Leben zurückgerufen.
Wenn er also andere vom Grab befreite, wie und mit welcher Macht wird er da von uns überwältigt werden können? Wenn wir nun jenen hier aufnehmen, dann setzen wir, fürchte ich, auch die übrigen aufs Spiel. Denn, schau, ich sehe, wie alle, die ich von Weltbeginn an verschlang, in Unruhe geraten. Ich habe Bauchgrimmen. Deshalb beschwöre ich dich bei allem, was dir und mir wert ist, bring ihn nicht her! Denn ich glaube, er kommt mit der Absicht hierher, alle Toten aufzuwecken. Und das sage ich dir: Wahrlich bei dem Dunkel, das uns umgibt, bringst du ihn her, wird mir keiner der Toten übrigbleiben.

Aber Jesus bricht in das Totenreich ein und es heißt:

Und zugleich mit diesem Bescheid wurden die ehernen Tore zerschlagen und die eisernen Querbalken zerbrochen und die gefesselten Toten alle von ihren Banden gelöst und wir mit ihnen. Und es zog ein der König der Herrlichkeit wie ein Mensch, und alle dunklen Winkel des Hades wurden licht.

Da packte der König der Herrlichkeit den Satan am Kopfe und übergab ihn den Engeln mit den Worten: Mit Eisenketten fesselt ihm Hände und Füße, Hals und Mund! Dann übergab er ihn Hades und sprach: Nimm ihn und halte ihn fest bis zu meiner zweiten Ankunft!

Johannes Chrisostomos verkündete in einer Predigt

„So wie man eine Speise, die man nicht verdauen kann, wieder ausstößt und außer den Unbekömmlichkeiten auch alles andere erbricht, so ist es auch dem Tod geschehen: Nachdem er jenen Leib zu sich genommen hatte, den er nicht verdauen konnte, hat er ihn wieder ausgestoßen und mit ihm alle, die in ihm waren.“

Wenn wir von dem Teufel sprechen, reden wir so, als ob er eine lebendige Persönlichkeit, als ob er ein eigenständiges Wesen wäre. Aber der Teufel ist eigentlich nichts. Der Teufel ist die Abwesenheit Gottes. Gott ist alles, und außerhalb Gott gibt es nur Nichtigkeit und Illusion. Nur wer zu Gott gehört, kann ewig leben. Der Teufel ist ein Ausdruck für alle Verhaltensweisen, die versuchen, ohne Gott zu existieren. Sie sind nichtig. Zuletzt wird alles verschwinden, was gegen Gott und gegen das Leben kämpft. Gott wird zuletzt „alles in allem sein“ (1. Kor. 15, 28)

Gebet als Waffe

'Descent into limbo', 1491, Benvenuto di Giovanni

Und wir haben Anteil an seiner Macht. Jesus wurde einmal von seinen Jüngern gefragt, wie sie Dämonen austreiben könnten. Jesus antwortete: durch Gebet. Mit Gebet können wir dazu beitragen, dass Menschen, die von dem Teufel gefangen sind, die in Gnadenlosigkeit verhaftet sind, befreit werden und Gemeinschaft mit Gott finden.

Dementsprechend schließen wir diese Andacht mit Gebet:

Allmächtiger, barmherziger Gott,
in Bethlehem hast du unsere Sterblichkeit angenommen, denn wir sind Sklaven der Vergänglichkeit.
In Jesus von Nazareth hast du unter uns gewohnt und hast dich den Versuchungen des Teufels ausgesetzt, damit wir diese Versuchungen in uns selbst erkennen.
Du hast dich in Jesus töten lassen, damit wir unsere tödlichen Neigungen erkennen, die gegen dich kämpfen.
Du bist in den Tod gegangen, damit alle, die zu dem Tod gehören, endgültig befreit werden. Wenn wir auf Jesus schauen, wie er starb und wie er auferstanden ist, sehen wir deine Gnade und werden in den Himmel versetzt.
Wir danken dir, dass wir zu dir gehören dürfen in Ewigkeit.
Hilf uns, den Begriff „Teufel“ richtig einzuordnen.
Hilf uns, dass wir keinen Menschen und keine Gruppierungen verteufeln, sondern die teuflischen Denkweisen sehen, die in uns lauern.
Hilf uns, dass die Dynamik des Tötens in uns keinen Raum findet, sondern durch den Geist Jesu restlos ausgetrieben wird.
Hilf uns, Zeugen deiner Gnade zu sein, damit andere Menschen in uns die Herrlichkeit sehen, für die sie vorgesehen sind.
Hilf uns, die uneigennützige Liebe zu verkörpern, die in Jesus zu sehen war.
Hilf uns, die grenzenlose Vergebungsbereitschaft zu praktizieren, die in dieser Welt noch ein Fremdkörper ist.
Hilf uns, Fürbitte einzusetzen, die Menschen von der Gefangenschaft des Teufels befreit.
Hilf uns, das wir dich mit reinen Herzen anbeten und dir mit unserem ganzen Verstand dienen,
der du lebst und für uns da bist. Heute und für immer.
Amen.

'Курбиново, Македония, церковь святого Георгия', 1191, ist im public domain in der Republik Macedoniens, weil sein copyright abgelaufen ist oder es für copyright nicht in Frage kommt.
Das Gemälde 'Gemälde 'Immaculata' Detail: Adam und Eva, um 1705–1715, Johann Michael Feichtmayr d. Ä. - Andreas Praefcke, 2008 wurde von seinem copyright holder dem public domain zur Verfügung gestellt.
'The Fall of the Rebel Angels, 1562, Pieter Bruegel the Elder, ist lizensiert unter der is Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 France license.
Folgende Abbildungen gehören zum "Public Domain", weil ihr Copyright abgelaufen ist:
'Jesus heilt den Besessenen von Gerasa (Mittelalterliche Buchillustration)
'Temptation of Christ (The Temptation on the Mount), Duccio
'Christus heilt in der Synagoge von Capernaum einen Besessenen', 11. Jahrhundert, Scan aus: Rudolf Lehr
'Temptation of Christ', XII c., anonimus
'Temptation of Christ in the Wilderness', XVI c., Juan de Flandes
'Versuchung auf dem Berge', Hans Thoma (self scanned from book)
'Judas Receiving Payment for his Betrayal', Giotto di Bondone (1267-1337)
'Christ on the Cross with a Praying Carthusian Monk', 1390-95, Jean de Beaumetz
'Descent into limbo', 1491, Benvenuto di Giovanni
Die Abbildung 'Lucifer, au revers de la chaire', 2009, Vassil, wurde von seinem copyright holder dem public domain zur Verfügung gestellt.
Das Fresco 'Höllenfahrt Christi', um 1437-1446, Fra Angelico, und dessen Reproduktion gehört weltweit zum "public domain". Das Bild ist Teil einer Reproduktions-Sammlung, die von The Yorck Project zusammengestellt wurde. Das copyright dieser Zusammenstellung liegt bei der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH und ist unter GNU Free Documentation lizensiert.

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