Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: 1. Petrus 4, 7 - 11 Es gibt keine "niedrigen" Dienste

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Gottes Gaben

9. Sonntag nach Trinitatis

Es gibt keine "niedrigen" Dienste 1. Petrus 4, 7 - 11

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 20. Juli 2008 in der Bergkirche und im Kirchsaal Süd:

Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge«. Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: wenn jemand predigt, dass er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, dass er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. 1. Petrus 4, 7 - 11

Es gibt einen Mann mit dem Namen Jacques Lusseyran, der blind ist. Während des Krieges war er in verschiedenen Nazi-Konzentrationslagern inhaftiert und hat sie überlebt. Nach dem Krieg wurde er Universitätsprofessor. Durch seine Blindheit kam er in Kontakt mit anderen, die auch blind sind. Und er hat dabei eine Entdeckung gemacht: „Es gibt etwas, was mich seit Langem erstaunt. Wenn blinde Menschen unter sich sind, erzählen sie einander, was sie „sehen“, das heißt, was sie wahrnehmen. (Denn Blinde registrieren Dinge, die normal Sehende nicht merken). Aber wenn Blinde unter Menschen sind, die physisch sehen können, reden sie nicht von ihren Wahrnehmungen. Warum schweigen sie? Ich glaube, dass es eine einfache Antwort dazu gibt. Sie schweigen über das, was sie als Blinde „sehen“, weil dieses Schweigen von ihnen erwartet wird. Das Leben in einer Gesellschaft erfordert Anpassung. Wenn ein Blinder unter Sehenden ist, fühlt er sich genötigt, die Rolle eines Nicht-Sehenden zu spielen, damit er akzeptiert wird. Ich weiß, wovon ich rede, denn es ist mir auch so ergangen.“

Diese Begebenheit veranschaulicht, dass der Druck zur Anpassung möglicherweise viel stärker ist, als wir wahrnehmen. Als Christen haben wir eine ähnliche Schwierigkeit wie die Blinden. Denn durch die Gnade Jesu Christi sehen wir Dinge, die andere Menschen nicht sehen. Durch die Bibel, durch Gebet, durch Gottesdienst, durch christliche Gemeinschaft bekommen wir eine Perspektive, die für nichtkirchliche Menschen fremdartig ist. Wenn gleichgesinnte Christen unter sich sind, dann gibt es eine vertraute Atmosphäre, in der es möglich ist, sich auszutauschen. Aber in einem Kreis von Menschen, die nicht kirchenorientiert sind, ist es viel schwieriger über das zu sprechen, was wir durch das Licht Jesu Christi sehen.

Die Frage, die sich in diesem Kontext ergibt, lautet: Wie können wir es ermöglichen, dass wir offen mit Menschen reden, die nicht zu unserer Glaubenswelt gehören? Wie gesagt: Man darf nicht unterschätzen, wie schwierig es ist, aufrichtig über Glaubenserfahrungen zu sprechen in einer Gesellschaft, die solche Dinge nicht ohne Weiteres akzeptiert. Ein Mensch, der ungeniert über seinen Glauben spricht, wird sehr schnell in bestimmte Kategorien eingeteilt: z. B. „Fanatiker“ oder „Weltfremder“ oder „jemand, der auf einem religiösen Trip ist“. Es gibt Worte, die harmlos klingen, aber abwertend gemeint sind. Wenn z. B. ein Pfarrer gefragt wird, wie viele „Schäfchen“ er in seiner Gemeinde hat. Durch solche ironischen Begriffe wie „Schäfchen“, werden Christen kategorisiert als brave Herdentiere, die eine gewisse Unselbständigkeit haben und deswegen die Kirche brauchen – im Gegensatz zu den Menschen, die kirchenfrei leben, die angeblich mündiger und kritischer sind als die braven Schäflein. Solche unterschwelligen Einstellungen strahlen einen enormen Anpassungsdruck aus, und sie machen es schwer, offen zu reden.

Was kann man dagegen tun? Etwas, was die Christenheit gelernt hat, ist, dass Handlungen der Liebe eine Atmosphäre der Gesprächsoffenheit aufschließen können.

Zum Beispiel: in dem amerikanischen Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert gab es einen Pfarrer, der unter verwundeten Soldaten war und versuchte, sie zu trösten. Bei einem Verwundeten sagte er: „Möchten Sie, dass ich Ihnen etwas aus der Bibel vorlese?“ Der Verwundete sagte: „Nein, ich habe Durst, ich möchte lieber etwas Wasser haben.“ Der Geistliche gab ihm Wasser und wiederholte sein Angebot. Der Soldat erwiderte: „Nein danke, aber könnten Sie etwas unter meinen Kopf legen.“ Er bekam eine gefaltete Decke, die als Kopfkissen dienen konnte. Und wieder fragte der Geistliche, ob er ihm etwas vorlesen sollte. Die Antwort lautete: „Nein, mir ist kalt. Könnten Sie etwas finden, was mich zudeckt?“ Der Pfarrer zog seinen Mantel aus und deckte den Mann zu. Dann stand er auf und wollte weggehen, denn er hatte jetzt das Gefühl, es wäre zu aufdringlich, schon wieder zu fragen, ob er ihm etwas aus der Bibel vorlesen sollte. Aber der Verwundete sagte: „Hören Sie, wenn es etwas in Ihrem Buch gibt, das eine Person dazu bringt, für andere zu tun, was Sie für mich getan haben, dann möchte ich es hören.“ Liebesdienste können also eine Gesprächsatmosphäre schaffen, in der es eine Aufnahmebereitschaft für Glaubensinhalte gibt.

In dem Text, der für heute vorgesehen ist, heißt es: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.“ Dieser Text verkündet, dass jeder von uns Gaben hat, die einsetzbar sind. Es können ganz einfache Dinge sein. Gerade die einfachsten Tätigkeiten sind wirkungsvoll.

2007, Husond

Zum Beispiel: es gibt in manchen Großstädten Stände, in denen es möglich ist, die Schuhe putzen und polieren zu lassen. Es gab einen Geschäftsmann, der regelmäßig einen solchen Stand aufsuchte, der von einem Jugendlichen betreut wurde, der außergewöhnlich fleißig und gewissenhaft war. Der Jugendliche machte diese Schuhputzarbeit mit so viel Begeisterung, dass der Geschäftsmann neugierig wurde und ihn direkt fragte: „Warum bist Du so eifrig, wenn du Schuhe polierst?“ Der Schuhputzer erwiderte: „Ich bin ein Christ, und ich versuche, jedes Paar Schuhe so zu polieren, als ob sie Jesus Christus gehören.“ Der Kunde merkte, dass diese Aussage vollkommen aufrichtig war. Dieses Glaubenszeugnis hat einen solchen Eindruck auf ihn gemacht, dass er anfing, in der Bibel zu lesen. Im Laufe der Zeit engagierte er sich in einer Kirchengemeinde. Er sagte, dass die Begegnung mit dem Schuhputzer einen Wendepunkt in seinem Leben eingeleitet hatte.

Ich kann gut nachvollziehen, was hier geschehen ist. Ich erinnere mich an eine junge Frau, die in der Küche einer kirchlichen Einrichtung arbeitete. Sie hat den Küchenboden so enthusiastisch geputzt, dass es auffällig war. Sie hat die Küche geputzt, als ob sie sich bestimmte Bibelstellen zu Herzen genommen hätte – z. B. die Stelle in dem 1. Korintherbrief, wo es heißt: „Ob ihr nun esst oder trinkt oder was ihr auch tut, das tut alles zu Gottes Ehre“ Oder im Kolosserbrief heißt es: „Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen, Ihr dient dem Herrn Christus!“. Es wäre keine Übertreibung zu sagen: Man konnte in dieser Küchenarbehit etwas von der Herrlichkeit Gottes sehen.

Jeder von uns hat Gaben und Aufgaben. Es ist tatsächlich möglich, die eigene Glaubenseinstellung zu bezeugen durch die Art und Weise, wie wir unsere Gaben einsetzen und wie wir unsere Aufgaben erfüllen. Es ist möglich, Gott zu verherrlichen durch Putzarbeit. Es war Luther, der diese Wahrheit erneut entdeckt hatte. Er sprach von dem Bauer mit seiner Mistgabel, der Gott durch seine Arbeit verherrlicht – mindestens genauso gut wie ein Chorsänger, wenn nicht sogar viel mehr.

2007, carol

Es gibt einen Mann, der arbeitslos wurde. Die einzige Arbeit, die er bekommen konnte, war als Müllmann. Er hat es angenommen, obwohl er sich zuerst schämte, eine solche schmutzige, unangesehene Arbeit zu tun, und obwohl er als Sozialhilfeempfänger mehr Geld bekam, als er durch seine Arbeit bekommt. Aber er hat sich entschieden, seine Arbeit mit Leidenschaft zu tun. Seine Frau ist stolz auf ihn und meint, er sei der beste Müllsammler in der ganzen Stadt. Er kann mehr Müll in einen Müllwagen unterbringen als jeder andere. Deswegen muss weniger gefahren werden und die Stadt spart viel Geld durch seinen Fleiß. Warum hat er eine solche Einstellung? Die erste Anregung dazu bekam er durch ein Zitat von Martin Luther King. Diese Aussage wurde eingerahmt und sie hängt an der Wand in seiner Wohnung. Sie lautet: „Wenn ein Mensch dazu berufen ist, ein Straßenkehrer zu sein, dann sollte er die Straßen kehren so wie Michelangelo malte, so wie Beethoven Musik komponierte, oder so wie Shakespeare gedichtet hat. Er sollte die Straßen so gut kehren, dass alle himmlische Heerscharen anhalten und sagen: „Hier ist ein großartiger Straßenkehrer, der seine Arbeit gut macht.“

Es gibt innerhalb und außerhalb einer Kirchengemeinde Hunderte von Möglichkeiten, große und kleine Dienste zu tun. Für jeden von uns gibt es Gelegenheiten, Gott und einander zu dienen, indem wir Aufgaben ehrenamtlich übernehmen. Und es kommt darauf an, wie wir diese Aufgaben ausfüllen. Es gibt keine sogenannten niedrigen Dienste. Jede kleine Tätigkeit - egal ob innerhalb oder außerhalb einer Gemeinde - bietet eine Gelegenheit, Gott zu verherrlichen.

Wie es in dem Petrusbrieftext heißt: “Wenn jemand dient, dass er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“

Die Photographie eines Putzeimers von 2007, Husond, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Die Photographie eines Müllautos, 2007, carol, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

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