Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Jesaja 43, 1 – 7 Ist Gott wirklich unermesslich oder ist er begrenzt?

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'Vor dem Aufbruch', 1990 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Vor dem Aufbruch', 1990
Walter Habdank. © Galerie Habdank

6. Sonntag nach Trinitatis

Ist Gott wirklich unermesslich oder ist er begrenzt? Jesaja 43, 1 – 7

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 15. Juli 2007 in der Bergkirche und im Kirchsaal Süd

Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe. Jesaja 43, 1 – 7

Es gibt eine jüdische Anekdote von einem Rabbi Goldmann, der so außergewöhnlich fromm und gerecht war, dass er Besuch von einem Engel bekam. Der Engel sagte: Rabbi Goldmann, der Ewige, gelobt sei er, hat mich zu dir geschickt, weil er weiß, wie treu du ihm dienst. Er will dir deshalb einen Herzenswunsch erfüllen. Du kannst dir wünschen, was du willst.“ Der Rabbi dachte nach: Was will ich? Gesundheit, Erfolg, Wohlstand? Nein, ich möchte am liebsten etwas für die Menschheit und für Israel tun. Er sagte zu dem Engel: „Mein größter Wunsch ist es, dass in Israel Frieden einkehrt und dass die arabischen Nachbarn Israel anerkennen und dass alle miteinander in Harmonie leben können.“ Der Engel erwiderte: „Hast du eine Landkarte vom Nahen Osten?“ Der Rabbi holte eine Karte und der Engel nahm die Karte mit. Er reiste durch Israel und seine Nachbarländer und trug auf der Landkarte alle relevanten Informationen ein: Munitionslager, Terroristenversteckte, Stacheldrahtlinien, die Orte, wo Selbstmordattentäter, Rachsüchtige und Hassprediger wohnten, die Ausrüstungen der verschiedenen Armeen. Dann nahm er die Karte mit in den Himmel. Eine Woche später kam er mit der Landkarte zurück und sagte zu dem Rabbi: „Es tut mir leid, aber selbst der Allmächtige, gelobt sei er, kann deinem Wunsch nach Frieden nicht erfüllen. Er lässt fragen, ob du sonst einen Herzenswunsch hast.“ Rabbi Goldmann war enttäuscht und dachte nach. Er griff in sein Portemonnaie und holte das Foto seiner Frau Rifka hervor. Er sagte: Gut, hier hast du ein Bild meiner Frau Rifka, mach sie bitte schön!“ Der Engel konnte sein Entsetzen kaum verbergen, denn die Frau war hässlich wie eine Kröte – und zwar eine schlecht gelaunte Kröte. Der Engel drehte das Photo um, in der Hoffnung, dass vielleicht das richtige Bild auf der Rückseite wäre, aber die Rückseite war leer. Er verschwand mit dem Bild, aber schon nach einer Stunde war er wieder da und gab das Bild zurück. Der Engel sagte: „Der Heilige, gelobt sei er, lässt fragen, ob er die Landkarte wieder anschauen könnte.“

Der Humor dieser Anekdote hängt mit der Vorstellung zusammen, dass es Probleme gibt, die so groß sind, dass sogar Gott sie nicht bewältigen kann. Denn Gott soll allmächtig und allwissend sein. Kein Problem dürfte für Gott zu groß sein. Aber ist Gott wirklich allmächtig? Kann er sich wirklich durchsetzen, wenn er will? Wenn man bedenkt, wie viel Unfrieden es in der Welt gibt – besonders in dem sogenannten Heiligen Land – könnte man auf die Idee kommen, dass Gott nicht sonderlich göttlich ist. Ist Gott wirklich unermesslich oder ist er begrenzt? Das ist die Frage, die aus der Anekdote von Rabbi Goldmann hervorgeht.

Der Text aus dem Buch des Propheten Jesajas, der für heute vorgesehen ist, ist eine Antwort auf diese Frage. Der Hintergrund für diesen Text ist die babylonische Gefangenschaft des Volkes Israel. Diese Gefangenen waren ohnmächtig und ihr Leben war inhaltslos. Es gab keine Aussicht, dass sie jemals ihre Heimat wiedersehen würden. Außerdem war Jerusalem ein Trümmerhaufen. Israel als Volk Gottes war so gut wie erledigt. Der Prophet Jesaja bezeichnete Israel als „Würmlein“. Es heißt: „Fürchte dich nicht, du Würmlein Jakob, du armer Haufe Israel. Ich helfe dir, spricht der HERR.“

'Kyrus II', Jean Fouquet, um 1470

Die Großmächte der damaligen Zeit: die Babylonier, die Perser, die Assyrer wurden mit Raubtieren verglichen. Welche Chance hat ein Würmlein gegen Raubtiere? Israel stand kurz davor, endgültig ausgerottet zu werden. Nach menschlichem Ermessen war es nur noch eine Frage der Zeit, bis eine der Großmächte wie ein wildes Tier auf den Wurm Israel tritt und das Leben dieses Volkes auslöscht.
Aber Jesaja hat vorausgesehen, dass der Tag bevorsteht, an dem Israel heimkehrt, neu anfängt und sogar ein Licht der Völker wird. Der Prophet Jesaja verkündete, dass Gott allein Gott ist, denn er wird an Israel unmögliche Dinge tun, die nur Gott tun kann.

Diese Befreiung war nichts abstrakt Geistiges, sondern wurde eingeleitet durch konkrete historische Ereignisse, die Jesaja nennt. Die Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft wurde durch einen persischen Herrscher mit dem Namen Kyrus eingeleitet. Der Prophet schrieb dazu folgendes:

So spricht der HERR zu seinem Gesalbten, zu Kyrus, den ich bei seiner rechten Hand ergriff, dass ich Völker vor ihm unterwerfe und Königen das Schwert abgürte, damit vor ihm Türen geöffnet werden und Tore nicht verschlossen bleiben: Ich will vor dir hergehen und das Bergland eben machen, ich will die ehernen Türen zerschlagen und die eisernen Riegel zerbrechen und will dir heimliche Schätze geben und verborgene Kleinode, damit du erkennst, dass ich der HERR bin, der dich beim Namen ruft, der Gott Israels. Um Jakobs, meines Knechts, und um Israels, meines Auserwählten, willen rief ich dich bei deinem Namen und gab dir Ehrennamen, obgleich du mich nicht kanntest. Ich bin der HERR, und sonst keiner mehr, kein Gott ist außer mir. Ich habe dich gerüstet, obgleich du mich nicht kanntest, damit man erfahre in Ost und West, dass außer mir nichts ist. Ich bin der HERR, und sonst keiner mehr, der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe Unheil. Ich bin der HERR, der dies alles tut.

Was Jesaja hier schildert ist atemberaubend. Jesaja offenbart einen Gott, der innerhalb der Weltgeschichte seine Ziele verwirklicht. Der neutrale Beobachter sieht nur die gewöhnlichen Machtkämpfe unter Großmächten. Aber Jesaja sieht, wie Gott im Verborgenen handelt. Gott ist im Hintergrund der Bestimmende. Außerdem ist die ganze Menschheit einbezogen in das, was Gott vorhat. Das ist es, was ihn allein als den wahren Gott auszeichnet. Und das sichtbare Zeichen des Wirken Gottes war die Entstehung der Herrschaft des Kyrus über Babylonien.

Dieser Kyrus war außergewöhnlich gütig und human, besonders im Vergleich zu den kaltblütigen Despoten damals. Er hat seine besiegten Feinde nicht nur verschont, sondern hat darauf geachtet, dass sie etwas von ihrer Würde bewahrten. Es wird berichtet, dass er Sklavenarbeit abgeschafft hatte. Er hat Schätze und Tempel intakt gelassen, anstatt sie zu plündern. Er respektierte die religiösen Gefühle seiner Unterworfenen. Denn er ließ zerstörte Heiligtümer wiederherstellen; sakrale Gegenstände, die gestohlen wurden, wurden dorthin zurückgebracht, wo sie hingehörten. Und er ließ deportierte Gefangene heimkehren.
Die Heimkehr der verschleppten Gefangenen Israels ist das Thema im Kapitel 43. Der Weg nach Hause war nicht ungefährlich. Deswegen verspricht Gott seinen besonderen Beistand. Wie es heißt:

'Durchzug durch das Schilfmeer', PSch

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.

Aber es geht Gott nicht nur um Israel, es geht um das Ganze; Gott hat etwas mit allen Völkern vor:

Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.

Es heißt:

„Alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.“ Damit sind auch wir gemeint, die wir getauft sind.

Was Gott sich hier vornimmt, ist nach menschlichem Ermessen unmöglich. Aber Gott definiert sich selbst als Gott, indem er das Unmögliche verwirklicht. Das damalige Würmlein ist heute – 2600 Jahre später – immer noch am Leben; die Großmächte der damaligen Zeiten leben nur noch in der Archäologie und in Geschichtsbüchern.

'Benjamin Disraeli', 19. Jhd.

Königin Viktoria von England hatte einen jüdischen Premierminister, Benjamin Disraeli. Sie fragte ihn einmal, ob es Beweise gibt, dass die Bibel wahr ist. Er erwiderte: „Eure Majestät. Ich kann Ihnen einen Hinweis nennen: die Juden.“ Er meinte, die Tatsache, dass die Juden immer noch existieren und dass ihre Identität bewahrt geblieben ist, das wäre ein Hinweis für die Wahrheit der Bibel.

Nicht alles ist in Erfüllung gegangen, was Jesaja vorausgesagt hat, einiges ist noch offen geblieben. Aber genug ist erfüllt worden, um deutlich zu machen, dass Gott allein der lebendige, allmächtige Gott ist und dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis alles in Erfüllung gehen wird, was Gott will.

In der Anekdote um Rabbi Goldmann ging es um eine Karikatur Gottes. Dieser Karikatur-Gott ist ein Schwächling: er ist nicht in der Lage, Weltfrieden zu schaffen oder eine hässliche Person schön zu machen. Und leider haben viele Menschen die Vorstellung, dass Gott ein Schwächling ist.

Aber in Babylon im 6. Jahrhundert vor Christus hat Gott ein für allemal demonstriert, was er tun kann. Er kann innerhalb der Weltgeschichte seine Ziele verwirklichen. Und in Jesus hat Gott demonstriert, wie unermesslich seine Macht ist. Denn ein Gott, der die Toten erwecken kann, kann alles. Gott ist deshalb stärker als alle Armeen, alle Selbstmordattentäter, alle Bomben, alle Stacheldrahtgrenzen, alle Hassprediger, alle Rachsüchtigen, und alle Macht des Bösen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Macht und Herrlichkeit Gottes allumfassend und endgültig offenbart werden. Wie der Prophet Jesaja schrieb: „Die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden,, und alles Fleisch miteinander wird es sehen.“

Die Abbildungen 'Kyrus II', Jean Fouquet, um 1470, sowie 'Benjamin Disraeli', 19. Jhd. sind im public domain, weil ihr copyright abgelaufen ist.
Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de

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