Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Oculi: Eph. 5, 1 – 8 Die Gemeinde als Facebook Jesu Christi

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Oculi

Die Gemeinde als Facebook Jesu Christi Eph. 5, 1 – 8

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt 2010

'A Toyota car dealership at the Fremont Auto Mall in Fremont, California', 2005, Coolcaesar

So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts; Eph. 5, 1 – 8

Seit einem Jahr fahre ich einen Toyota. Deswegen habe ich aufgehorcht, als ich vor einigen Wochen hörte, dass es technische Schwierigkeiten mit diesem Autotyp gab. Toyota hat weltweit mehr als 8,5 Mio Pkw wegen klemmender Gaspedale, rutschender Fußmatten und defekter Bremsen zurückgerufen. Es wurde von Todesfällen berichtet. Diese Probleme führten dazu, dass der Präsident von Toyota, der Akio Toyota heißt, im Fernsehen und vor dem US-Kongress eine öffentliche Entschuldigung lieferte. Ein Kommentator sagte, dass der Auftritt im Fernsehen nicht bloß eine Taktik war, um Kunden zu besänftigen, sondern dass es vielmehr darum ging, das Gesicht zu wahren. Der jetzige Präsident von Toyota ist der Enkel des Gründers der Firma. Es ging ihm nicht nur darum, sein eigenes Gesicht zu wahren, sondern das Gesicht seiner ganzen Familie - einschließlich früherer und künftiger Generationen seiner Familie. Denn wie er sagte: „Mein Name steht auf jedem Auto“.

'The Facebook Man', 2008, Maxo

Der Begriff „Gesicht“ hat in Asien eine besondere Größenordnung. „Gesicht“ bedeutet nicht bloß das, was oberhalb des Halses zu sehen ist, sondern beinhaltet Ansehen, Würde, Haltung, Glaubwürdigkeit, Transparenz. In Asien soll es 98 verschiedene Begriffe geben, die „Gesicht“ beschreiben. Das Schlimmste, was es geben könnte, ist das „Gesicht“ zu verlieren. Gesicht zu wahren ist manchmal wichtiger als Leben und Tod.

Der Begriff „Gesicht“ hat auch eine internationale Dimension bekommen. Vielleicht haben Sie von „Facebook“ gehört. Facebook heißt übersetzt Gesichtsbuch. Facebook ist eine Website zur Bildung und Unterhaltung sozialer Netzwerke. Weltweit sind über 400 Millionen Menschen bei dieser Website registriert. In Deutschland gibt es 4 Millionen, die dazu gehören – darunter Angela Merkel. Wer sich registriert, kann sich selbst darstellen - mit einem Bild und einer Selbstbeschreibung. Man kann sich selbst so präsentieren, wie man gesehen werden will. Auf diese Weise hat man ein „Gesicht“, das weltweit angeschaut werden kann. Aber es kann auch vorkommen, dass unerwünschte Informationen in das eigene „Gesichtsbuch“ eingetragen werden. Es soll öfters vorgekommen sein, dass Jugendliche sogar Selbstmord begingen, nachdem gehässige, schändliche Behauptungen in ein Facebook eingetragen wurden. Diese Website veranschaulicht, dass unsere westliche Welt sensibel geworden ist für den Begriff „Gesicht“.

'Margot Käßmann', 2007, Noebse

Auch die Kirche hat ein Gesicht, bzw. Gesichter. Margot Käßmann, als sie zur Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche Deutschlands gewählt wurde, sollte das Vorzeigegesicht der evangelischen Kirche werden. Nach dem unseligen Vorfall am Abend des 20. Februars hat sie tagelang ihr Gesicht in der Öffentlichkeit nicht gezeigt. Aber - wie der Präsident von Toyota - hat Frau Käßmann im Fernsehen versucht, durch eine öffentliche Erklärung ihr Gesicht neu zu definieren, bzw. wiederherzustellen. Es ging ihr vermutlich nicht nur darum, das eigene Gesicht zu retten, sondern es ging auch darum, das Gesicht der Kirche vor Schaden zu bewahren. Der Vorfall Käßmann macht deutlich, wie schmerzhaft es ist, einen Gesichtsverlust zu erleiden.

Aber die Kirche hat auch ein Gesicht auf der lokalen Ebene. Es gibt auch das Gesicht einer Kirchengemeinde, die aus Hunderten von Gesichtern besteht. Und was sich hier abspielt, ist zuletzt ausschlaggebender als das, was die sogenannten Prominenten darstellen. Denn die Prominenten erleben wir nicht hautnahe, sondern durch die Medienwelt gefiltert: wir sehen sie auf einem Bildschirm; wir lesen bruchstückhafte Zitate in der Zeitung. Aber auf der lokalen Ebene geht es um Begegnungen zwischen Menschen, die man leibhaftig sehen, hören und anfassen kann. Und hier sind wir als Gemeinde aufgefordert, zu überprüfen, welches Gesicht wir der Außenwelt zeigen.

Denn das ist das Thema des Textes aus dem Epheserbrief, der für heute vorgesehen ist. Wie wir vorhin gehört haben, heißt es:

Lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer... Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung... ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts;

Es geht hier nicht bloß um Moral und Ethik. Es geht nicht bloß darum, zu sagen: ihr sollt anständig sein. Sondern es geht darum, zu sagen: wenn Menschen euch anschauen, sollen sie das Gesicht Jesu Christi sehen. Als Kirchengemeinde ist es unsere Aufgabe, für jederman das Gesicht Jesu Christi zu vergegenwärtigen. Das Licht Jesu Christi sollte in unseren Gesichtern reflektiert werden. Denn wir existieren als Kirchengemeinde nicht nur für uns selbst, sondern wir existieren für diejenigen, die noch von Gott entfremdet sind. Unser Gesicht als Gemeinde sollte eine Einladung sein, die Gemeinschaft mit Gott zu suchen. Deswegen gibt es Gemeinden, die ein sogenanntes „Leitbild“ formulieren – ein Versuch, das Gesicht einer Gemeinde mit Worten zu definieren.

Es gab im 19. Jahrhundert einen weltweit bekannten Prediger in London mit dem Namen Charles Spurgeon, der auch Prediger ausgebildet hatte. Einmal hat er in einem Freitagsvortrag seine Schüler belehrt, wie sie auf der Kanzel wirken sollten. Er sagte: „Wenn ihr von dem Himmel erzählt, sollten eure Gesichter leuchten, sie sollten himmlisches Licht ausstrahlen, die Augen sollten Herrlichkeit reflektieren. Aber wenn ihr von der Hölle erzählt – da genügen eure normalen Gesichter.„

Diese Aussage Spurgeons ist teilweise humorvoll gemeint und teilweise ist sie hintergründig. Es wirkt so, als ob er etwas Affektiertes fordert, als ob es darum ging, eine Leuchtkraft im Gesicht künstlich zu erzeugen. Es gibt aber nichts Schlimmeres als eine aufgesetzte Ausstrahlung. So etwas kann nur peinlich wirken.

Worum es hier geht, ist die ganze Lebensweise eines Menschen. Denn hinter dem Gesichtsausdruck steckt eine Lebenseinstellung. Was man wirklich glaubt und lebt, kann man nicht verstecken, denn das Glaubensleben wird ablesbar sein. Das, was ein Mensch ausstrahlt oder nicht ausstrahlt, wird bezeugen, ob er in einer ewigen Gemeinschaft mit Gott lebt, oder ob er von Gott entfremdet ist. Was Spurgeon seinen Pfarramtskandidaten in London vermitteln wollte, ist, dass man an dem eigenen Gesicht arbeiten kann.

'Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen', 2006, Grizurgbg

Denn alles, was wir tun und sagen, kann zu der Ausstrahlung beitragen, die von anderen Menschen wahrgenommen wird. Paulus warnt vor Habgier und Sittenlosigkeit. Er erwähnt „schandbare, närrische oder lose Reden“. Es wirkt so, als ob Paulus ein Fastnachtsmuffel wäre, wenn er „närrische Reden“ verurteilt. Aber es geht hier um Reden, die zynisch oder menschenverachtend sind. Selbstverständlich ist konstruktive Kritik erlaubt, aber als Kirchengemeinde können wir es uns nicht leisten, spöttisch, hinterhältig, höhnisch oder bissig zu reden – auch nicht in einem privaten, vertraulichen Bereich. Wenn Personen auf eine lächerliche Weise dargestellt werden, wenn Personen durch hämische Witze abqualifiziert werden, wenn eine Person erbarmungslos herabgesetzt wird – auch wenn sich das alles hinter verschlossenen Türen abspielt - , dann verliert eine Gemeinde ihr Gesicht. Besonders in verborgenen Bereichen muss es eine Reinheit des Herzens geben – ein Herz frei von Habgier, Hemmungslosigkeit und Zynismus - , denn was im Verborgenen geschieht, wird eine öffentliche Auswirkung haben. Wie Paulus schreibt: „Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.“ Wer zu Christus gehört, steht ständig wie auf einem Präsentierteller. Ein Christusanhänger kann sich nicht in irgendeiner Finsternis verbergen, sondern steht dauerhaft im Licht der Öffentlichkeit, weil er das Licht Jesu Christi darstellen sollte.

Es wird von einer Mutter berichtet, die ihre kleine Tochter zum Gottesdienst mitnahm. Die Tochter hörte bei der Predigt aufmerksam zu. Auf dem Heimweg sagte das Mädchen: „Diese Predigt hat mich verwirrt. Der Pfarrer sagte, dass Gott größer ist als wir es sind. Stimmt das?“ Die Mutter antwortete: „Ja, das stimmt.“ Das Mädchen fragte weiter: „Er hat auch gesagt, dass Gott in uns lebt. Stimmt das auch?“ Wieder antwortet die Mutter zustimmend. Dann kam die Frage: „Also, wenn Gott größer ist als wir und wenn er in uns lebt, sollte er nicht durchbrechen und sichtbar werden?“

Das ist genau unsere Situation: Gott ist größer als alles und Gott wohnt unter uns: Er sollte durchbrechen und in uns sichtbar werden. Die Gemeinde ist das Facebook Jesu Christi. In dem Gesicht der Gemeinde sollte das Licht Christi sichtbar werden. Deswegen kommt es darauf an, wie wir leben, was wir tun und sagen. Paulus erwähnt auch „Danksagung“, was an Eucharistie / Abendmahl erinnert. E kommt deshalb auch darauf an, wie wir Gottesdienst feiern. Denn das Gesicht Jesu Christi kommt besonders im Gottesdienst zum Vorschein, wenn Wort und Sakrament gefeiert werden.

Möge Gott uns helfen, sein Gesicht darzustellen.

Die Photographie 'Efez Nymphaeum of Trajan', 2005, Radomil, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Unter den Bedingungen der GNU Free Documentation License, Version 1,2 oder einer späteren veröffentlichten Version von der Free Software Foundation wird die Erlaubnis erteilt, die Photographie 'A Toyota car dealership at the Fremont Auto Mall in Fremont, California', 2005, Coolcaesar, zu kopieren, zu verteilen und/oder zu modifizieren.
Es ist erlaubt, das Bild 'The Facebook Man', 2008, Maxo, unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Die Photographie 'Margot Käßmann', 2007, Noebse, ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.5 Generic license.
Die Abbildung der Buchseite 'Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen', 2006, Grizurgbg, wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.

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