Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Gal. 4, 4 Die Sehnsucht des Herzens nach außerirdischer Intervention

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Altjahrsabend

Die Sehnsucht des Herzens nach außerirdischer Intervention Gal. 4, 4

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 31. Dezember 1999

2005, Crobard

Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau. Gal. 4, 4

Der sogenannte Millenniumswechsel, der heute Nacht stattfinden wird, hat die Phantasie der Menschen angeregt. Und eine besonders originelle Idee ist dem Bürgermeister einer italienischen Stadt eingefallen. Giovanni Antonino, der Bürgermeister von Brindisi, einer Hafenstadt im Südwesten Italiens, hat eine ungewöhnliche Einladung ausgeschickt: er hat nämlich einen Außerirdischen zur Millenniumsfeier seiner Stadt eingeladen. Er sagte dazu: „Jeder redet davon, aber keiner tut es.“ Diese Einladung wurde von dem Stadtrat von Brindisi offiziell unterstützt. Die Einladung wurde über leistungsstarke Sendeanlagen in den Weltraum gestrahlt. Auch wenn ein Außerirdischer nicht erscheinen sollte, schien der Bürgermeister davon überzeugt zu sein, dass seine Einladung nicht ungehört bleiben würde.

Diese Einladung ist die logische Zuspitzung einer Entwicklung, die nach dem 2. Weltkrieg anfing. Denn seit 1947 behaupten Tausende von Menschen, dass sie Zeichen und Wunder im Himmel gesehen haben: geheimnisvolle Lichter und fliegende Objekte, die scheinbar alle irdischen Möglichkeiten übersteigen. Seit Anfang der 80er Jahre gibt es Umfragen in England zu diesem Thema, und immer wieder wird festgestellt: mehr Menschen glauben, dass die Erde von außerirdischen Wesen besucht worden ist, als dass sie an Gott glauben. Der bekannte Psychologe, C. G. Jung, hat sich mit diesem Phänomen befasst und im Jahre 1954 sagte er folgendes dazu:

„Es gibt einen emotionalen, geistigen Hunger in der Welt, den ein trostloser, oberflächlicher Rationalismus nicht sättigen kann, weil er Steine statt Brot bietet. Die logische Folge ist ein unersättlicher Hunger nach allem, was außergewöhnlich ist. Dazu kommt das Versagen der menschlichen Vernunft, das täglich in der Zeitung vorgeführt wird und das durch die unüberschaubaren Gefahren der Wasserstoffbombe noch bedrohlicher gemacht wird. Es ist deshalb nicht überraschend, wenn alle möglichen Zeichen und Wunder im Himmel gesehen werden oder wenn ein wundersames Eingreifen vom Himmel gesehen und erwartet wird, wo menschliche Mühe versagt. Fliegende Untertassen im Himmel hat man seit Urzeiten gesehen, aber die jetzige, überwältigende Frequenz dieser Erscheinungen kam erst, als die Möglichkeit globaler Zerstörung entstand.“

Mit anderen Worten: das menschliche Herz produziert das, was es braucht. Das Herz hat Sehnsucht nach außerirdischer Intervention, nach einer Erlösung, die vom Himmel herabkommt. Deswegen dienen Fernsehserien wie „Raumschiff Enterprise“ oder Spielfilme wie „Krieg der Sterne“ als Kulterscheinungen einer Ersatzreligion. In der Fernsehserie Akte X, wo es immer wieder um außerirdisches Leben geht, kommt ein Satz vor, der wie ein Glaubensbekenntnis wirkt, der lautet: „Die Wahrheit ist irgendwo da draußen (d.h. da draußen im Weltall).“

'Europeen UFO Congress 2005', 2005, Sand

Hier offenbart sich der Zustand des menschlichen Herzens. Der Zustand unserer Herzen ist vergleichbar mit dem Zustand eines Menschen, der seinen Haustürschlüssel verloren hat. Was tut ein Mensch, wenn er vor seiner Wohnungstür steht und feststellt, dass er seinen Schlüssel verloren hat und keinen Zugang zu einem Ersatzschlüssel hat? Wenn er verzweifelt genug ist – und dämlich genug – wird er das tun, was ich einmal in einer solchen Situation getan habe: er wird einen anderen Schlüssel nehmen, der eine Ähnlichkeit mit dem richtigen Schlüssel hat, und wird versuchen, ihn mit Gewalt hereinzudrücken – in der vagen Hoffnung, dass der falsche Schlüssel in das Schloss passen könnte. So etwas zu versuchen, ist natürlich dumm, denn die Tür wird garantiert nicht aufgehen und der falsche Schlüssel könnte stecken bleiben und das Schloss blockieren. Dieses Beispiel dient als Gleichnis für den Zustand der menschlichen Seele. Die Seele hat einen Leerraum, der vergleichbar ist mit einem Schlüsselloch. Wie Augustin in einem Gebet formulierte: „Du, Herr, hast uns zu dir hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis dass es ruht in dir!“ Unsere Herzen sind so von Gott geschaffen, dass es einen Leerraum gibt, der nur von Gott gefüllt werden kann. Wir sind in dem Ebenbild Gottes geschaffen, und der Leerraum im Herzen hat deshalb eine bestimmte Prägung – wie ein Schlüsselloch, und nur Christus, der das Abbild Gottes ist, passt da hinein, und nur er kann das Herz aufschließen.

Das Herz ist unruhig, schrieb Augustin. Aber „unruhig“ ist ein zu milder Ausdruck. Das Herz ist eher verzweifelt, es ist krank vor Sehnsucht nach Geborgenheit und Geltung, bis es den richtigen Schlüssel findet. Und in seiner Verzweiflung hat der Mensch nicht die Geduld, die er braucht, um den einzig richtigen Schlüssel abzuwarten. Sondern er drückt falsche Schlüssel in das Loch der Seele – in der vagen Hoffnung, dass sie sich zurechtbiegen und den Leerraum füllen und den Sinn des Lebens aufschließen.

Diese falschen Schlüssel machen die Sache aber nur noch schlimmer. Denn sie bleiben stecken, sie sperren den Zugang und sind schwer zu entfernen; sie beschädigen das Herz und beeinträchtigen seine Fähigkeit, den einzig richtigen Schlüssel aufzunehmen.

Das Herz in seiner Verzweiflung erfindet Fälschungen, die eine christusähnliche Gestalt haben. Das Herz ist eine Fabrik, die ständig dabei ist, Götzen zu produzieren, die den Hohlraum ausfüllen sollen. Diese von Menschen gemachten Fälschungen haben manchmal eine verblüffende Ähnlichkeit mit Christus; und es ist kein Wunder, denn das Herz sucht verzweifelt nach der Gestalt, die zu dem Leerraum passt. Hören Sie zum Beispiel folgenden Text an:

„Es gibt einen Mann, der von seinem Vater auf die Erde gesandt wurde; er ist aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen, und weil er nicht von dieser Welt war, wohnte er unter Menschen als Außenseiter. Aber er hatte eine außergewöhnliche Bestimmung: indem er seine eigentümlichen Gaben in den Dienst der Wahrheit und der Gerechtigkeit einsetzte, trat er für die Unterdrückten, die Sanftmütigen, die Geplagten und die Ohnmächtigen ein...um der ganzen Menschheit willen.“

Und der Vater dieses Mannes sagt zu ihm folgendes, bevor er ihn zur Erde schickt:

„Alles, was ich habe, gebe ich dir weiter, mein Sohn. Du wirst mich in dir tragen, alle Tage deines Lebens. Du wirst mein Leben durch deines sehen und dein Leben durch meines. Der Sohn wird der Vater und der Vater der Sohn.“

George Reeves, ein Schauspieler, der 'Superman' dargestellt hat

Wer ist hier gemeint? Es hört sich so an, als ob Jesus gemeint ist, und als ob der Schreiber dieser Texte von dem Johannesevangelium beeinflußt war. Aber diese Texte stammen aus einem Komikheft und aus einem Spielfilm. Der Sohn, von dem hier die Rede ist, ist eine Figur aus einer Weltraumphantasie und trägt den Namen „Superman“.

In dieser Phantasiefigur offenbart sich ein tiefes Bedürfnis der menschlichen Seele. Die Seele spürt instinktiv, dass sie etwas braucht, das von außerhalb menschlicher, irdischer Möglichkeiten stammt. Diese Phantasie von einem Superman-Erlöser, der mit übernatürlichen Kräften ausgestattet ist, der vom Himmel herabkommt, der mit Gewalt aussichtslose Probleme schnell lösen kann, entspricht einer tiefen Sehnsucht des menschlichen Herzens.

Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen Jesus Christus und Superman. Superman löst jedes Problem mit Schnelligkeit, indem er mit Gewalt eingreift und die Bösen hart anpackt. Jesus Christus dagegen kommt nicht als ein Supermann, sondern er kommt in Ohnmacht und in Verwundbarkeit – sinnbildlich dargestellt in der Futterkrippe von Bethlehem und in dem Kreuz von Golgatha. Er löst die Probleme der Welt nicht mit Gewalt, sondern mit einer bedingungslosen Liebe, die sich unauffällig durchsetzt. Er löst Probleme deshalb nicht sofort, sondern er hat eine unendliche Geduld.

Und wegen dieser Geduld Gottes, die in Jesus Gestalt annahm, befinden wir uns an der Schwelle zum Jahr 2000. Alle möglichen Propheten - auch christliche Propheten – hatten damit gerechnet, dass die Welt niemals das Jahr 2000 erreichen würde. Es gab alle möglichen Voraussagen, dass die Welt längst zu Ende gehen müsste. Die Urchristen hatten damit gerechnet, dass Christus innerhalb einer Generation in Macht und Herrlichkeit erscheinen würde, um die jetzige Welt aufzulösen und eine neue Welt einzuleiten. Es gab diese Erwartung auch im Jahre 1000 und im Jahre 1033. Auch im Jahre 1524 sollte die Welt untergehen. Der Weltuntergang wurde im Jahre 1844 erwartet, im Jahre 1874, im Jahre 1914, im Jahre 1925, um nur ein paar Beispiele zu nennen - und seit etwa 1950 gibt es fast jedes Jahre Weltuntergangserwartungen. Wenn die Zahl 2000 irgend etwas aussagt, dann ist sie ein Hinweis auf die Geduld Gottes. Gott hat es nicht eilig. Die Menschen haben diese Geduld nicht; sie wollen am liebsten ein schnelles Eingreifen von außerhalb – entweder von Gott oder von Außerirdischen. Hauptsache es passiert etwas, was uns von den unlösbaren Problemen dieser Erde befreit. Aber bei Gott gibt es keine schnelle Lösungen.

'Frankfurt na Majni 2000. godine
', 1999, Roberta F.

Die Bibel offenbart einen Gott, der lange warten kann, bis er einen Befreiungsmoment einleitet. Zum Beispiel: 430 Jahre lang war das Volk Israel in Ägypten versklavt. Warum hat Gott so lange gewartet bis er die Befreiung durch Mose und die zehn Plagen einleitete? Die Antwort lautet: er hat gewartet, bis das Volk schreit. Es heißt im 2. Buch Mose: „Und die Israeliten seufzten über ihre Knechtschaft und schrien, und ihr Schreien über ihre Knechtschaft kam vor Gott. Und Gott sah auf die Israeliten und nahm sich ihrer an.“ Mit anderen Worten: Gott hat gewartet, bis das Volk zu ihm geschrien hat, denn dieses Schreien war offenbar ein Zeichen, dass ein Reifungsprozess abgeschlossen war, und dass diese Sklaven jetzt bereit waren, als Volk Gottes in die Freiheit zu ziehen. Und dann musste das Volk 40 Jahre lang in der Wüste wandern, ehe es bereit war, in das gelobte Land zu ziehen. Gott hat abgewartet, bis die Herzen der ehemaligen Sklaven von ägyptischen Götzen befreit waren, bis sie gelernt hatten, wie es in der Bibel heißt, dass der Mensch nicht von Brot allein lebt, sondern von allem, was aus dem Munde Gottes kommt. Und dann musste Israel jahrhundertelang warten, bis es Auferstehungshoffnung bekam. Jahrhundertelang galt der Tod als absolutes Ende des Lebens. Erst in den spätesten Schriften des Alten Testamentes gibt es erste Hinweise auf eine Auferstehungshoffnung, denn Gott musste auch hier einen Reifungsprozess abwarten. Es ist offensichtlich, dass Gott den menschlichen Verstand und das menschliche Herz nicht ausklammert, sondern er wartet darauf, dass wir unseren Verstand und unsere Herzen entfalten, bis wir für etwas Neues aufnahmefähig sind, damit er unseren Verstand und unsere Gefühle in seine Pläne einbeziehen kann.

Es gibt heutzutage eine Sehnsucht nach einem Eingreifen von außerirdischem Wissen, das menschlichem Wissen um Lichtjahre voraus ist, das uns Menschen von unseren Problemen befreit. Aber so etwas ist von Gott nicht zu erwarten. Denn Gott wartet, bis die Menschen so weit sind, dass sie seine Gaben aufnehmen können. Gott wartete Jahrhundertelang „bis die Zeit erfüllt war“, wie es in dem Galaterbrief heißt, um den Messias zu schicken, der Jesus von Nazareth hieß. Nach jüdischer Zeitrechnung ist Jesus im Jahre 3753 geboren, d.h. 3753 Jahre nach Adam und Eva. Nach dieser Tradition hat Gott also 4000 Jahre gewartet, um eine Antwort auf den Sündenfall zu schicken. Und seit der Geburt Jesu hat Gott inzwischen 2000 Jahre Geduld gezeigt, weil er weiterhin darauf wartet, dass wir Menschen weiterhin reifen.

Unsere neustrukturierte Dreikönigsgemeinde beginnt morgen das 4. Jahr seines Bestehens. Wir haben nur 3 Jahre hinter uns. Wir sollen also nicht die Geduld verlieren, wenn das Gemeindeleben noch nicht so ist, wie es sein sollte. Denn Gott wartet Reifungsprozesse ab, ohne die Geduld zu verlieren und ohne einen Weltuntergang zu inszenieren; deswegen sollen auch wir die Geduld nicht verlieren, sondern auch Reifungsprozesse abwarten und Kurzschlusshandlungen vermeiden. Vor allem muss es darum gehen, den Christus zu entdecken und zu bezeugen, der allein den Hohlraum der Seele ausfüllen und das Herz aufschließen kann.

Wir Menschen brauchen Zeit, um die Christusfälschungen zu entlarven und zu entfernen, die vorhanden sind. So etwas kann Jahrzehnte dauern. Aber diese Aufgabe ist unsere vornehmste Aufgabe. Denn es gibt genügend Christusfälschungen in der Kirche, in der Unterhaltungsindustrie, in Sekten, in Science-Fiction-Spielfilmen und in unseren eigenen Herzen, die das Schlüsselloch der Seele versperren. Gott hat gewartet, bis die Zeit erfüllt war, um Christus zu uns zu schicken. Auch wir sollen dieselbe Geduld aufbringen, um diesen Christus aufzunehmen und zu bezeugen.

Die Photographie 'Europeen UFO Congress 2005', 2005, Sand, wurde von ihrem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.
Die Illustration 2005, Crobard, wurde von ihrem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.
Das Bild 'Reeves artistic intepretation', 2007, Rolf obermaier, wurde von ihrem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.
Die Photographie 'Frankfurt na Majni 2000. godine', 1999, Roberta F., wurde unter den Bedingungen der Creative Commons "Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported"-Lizenz veröffentlicht.

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