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Predigten von Pfarrer Phil Schmidt: Christfest, 2. Feiertag: Offb. 12, 1 – 6. 12 Die dritte Geburtsgeschichte

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'Vitrail représentant une vision tirée de l'Apocalypse, dans l'église de Joinville, en Haute-Marne', 2008, Vassil

Christfest, 2. Feiertag

Die dritte Geburtsgeschichte Offb. 12, 1 – 6. 12

Predigt gehalten von Pfarrer Phil Schmidt am 26. Dezember 2009 im Kirchsaal Süd

Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen. Und sie war schwanger und schrie in Kindsnöten und hatte große Qual bei der Geburt. Und es erschien ein anderes Zeichen am Himmel, und siehe, ein großer, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen, und sein Schwanz fegte den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde. Und der Drache trat vor die Frau, die gebären sollte, damit er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind fräße. Und sie gebar einen Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte mit eisernem Stabe. Und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und seinem Thron. Und die Frau entfloh in die Wüste, wo sie einen Ort hatte, bereitet von Gott, dass sie dort ernährt werde. Offb. 12, 1 – 6. 12

Wir feiern heute, dass Gott Mensch geworden ist. Und von diesem Menschen heißt es in dem Kolosserbrief, dass er - wortwörtlich - die „Ikone“ Gottes ist, oder wie Luther übersetzte „das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“. Aber eigenartigerweise gibt es im Neuen Testament keinen einzigen Hinweis, wie Jesus ausgesehen hatte.

Und genau so eigenartig ist es, dass jeder Mensch heutzutage weiß, wie Jesus auszusehen hat: er hat auf jeden Fall einen Bart und einen Schnurrbart.

'Jesus as the Good Shepherd', mid 3rd century A.D. , painting in catacomb

Aber die ältesten Darstellungen von Jesus, die in Katakomben und auf Sarkophagen zu sehen sind, zeigen Jesus als jungen Mann ohne Bart. Eine Vorlage für die ersten Jesusbilder war offensichtlich die hellenistische Gottheit Apollo. Es gibt zum Beispiel eine kleine Skulptur des lehrenden Christus, 72 cm hoch, die 360 in Rom entstanden ist, bei der Christus genau wie Apollo aussieht. Diese Figur sieht aus wie ein griechisches Götzenbild. Es gab sicherlich eine Kontroverse unter Christen, ob eine solche Darstellung Jesu zulässig wäre.

Wie kam die Christenheit auf die Idee, Jesus mit der mythologischen Gottheit Apollo zu vergleichen?

Ein Ausgangspunkt war Kaiser Augustus, der Kaiser zur Zeit der Geburt Jesu. Augustus wurde als „Sohn Gottes“ angebetet. Er wurde als Heiland der Welt gefeiert, weil er einen relativen Weltfrieden geschaffen hatte. Augustus galt als göttlicher Sohn des Apollo, der Gottheit des Lichtes, des Verstandes und der Ordnung.

Es gibt in diesem Zusammenhang eine mythologische Legende: Apollo war der Sohn von dem Gott Zeus und der menschlichen Mutter Leta. Während der Geburtstunde Apollos wartete ein Ungeheuer mit dem Namen Python darauf, die Mutter anzugreifen. Python war eine Riesenschlange und war der Inbegriff des menschenfeindlichen Chaos. Aber Zeus griff rechtzeitig ein; er entrückte Apollo und seine Mutter und brachte sie in Sicherheit. Als Apollo erwachsen wurde, schlug er das Ungeheuer tot und auf diese Weise brachte er Licht, Vernunft und Ordnung in die Welt. Augustus und seine Nachfolger galten als Söhne Apollos. Der Kaiser Nero, der die ersten Christenverfolgungen einführte, verkleidete sich manchmal als Apollo.

'Apollo Slays Python', 1850-1851, Eugène Ferdinand Victor Delacroix

Aber die Christenheit kehrte diese Vorstellung um. Für sie war Christus der wahrhaftige Apollo, der wahre Lichtbringer der Welt; und das römische Weltreich war das Ungeheuer. Die Geburtsgeschichte Jesu, die in der Offenbarung steht, war im Rahmen des römischen Weltreiches eine Kriegserklärung. Die Geburt Jesu wurde auf eine Weise erzählt, dass die christlichen Leser an die Apollo-Geburtslegende denken sollten. Aber alles wurde auf den Kopf gestellt. Nicht ein römischer Kaiser, sondern Christus ist der Lichtbringer und der Sieger über das Chaos.

In dem Text, den wir vorhin gehört haben, heißt es: der Knabe wurde nach der Geburt „zu Gott und seinem Thron entrückt“. Die Lebensgeschichte Jesu wird hier auf seine Geburt und seine Himmelfahrt reduziert. Was hier verkündet wird, ist, dass Christus als Weltherrscher unantastbar ist. Keine Macht dieser Erde kann gegen diesen Christus gewinnen.

Und es heißt weiter: „Und sie gebar einen Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte mit eisernem Stabe“. Diese Sprache stammt von Psalm 2. In diesem Psalm geht es um den Messias, und es heißt:

»Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Bitte mich, so will ich dir Völker zum Erbe geben und der Welt Enden zum Eigentum. Du sollst sie mit einem eisernen Zepter zerschlagen“.

In der Offenbarung heißt es von diesem Sohn: er wird alle Völker mit eisernem Stabe regieren, aber er wird sie nicht zerschlagen, sondern weiden. Dementsprechend zeigen die ältesten Bilder von Jesus ihn als Hirte, der wie ein apolloähnlicher Jüngling aussieht.

'Woman of the Apocalypse', XII c., w:Herrad of Landsberg

Es heißt in dem Offenbarungstext: Der Drache wollte das Kind auffressen. In diesem Zusammenhang gibt es verschiedene Assoziationen, die in Frage kommen. Als Jesus geboren war, versuchte König Herodes, der von den Römern eingesetzt war, Jesus umzubringen. Maria und Josef flohen mit ihm nach Ägypten, ein Wüstenland. Dementsprechend heißt es in der Offenbarung: „Und die Frau entfloh in die Wüste, wo sie einen Ort hatte, bereitet von Gott, dass sie dort ernährt werde.“

Die Symbolik ist hier mehrdimensional. Die Frau, von der hier die Rede ist, wurde von der späteren Christenheit mit Maria identifiziert. Dementsprechend wird Maria oft mit einer Sternenkrone und mit einer Mondsichel unter den Füßen gezeigt.

Aber die gebärende Frau ist nicht nur mit Maria zu identifizieren. Denn diese Frau ist in Qualen und schreit bei der Geburt. Gemeint ist gleichzeitig das Volk Israel mit seiner langen Leidensgeschichte. Diese Frau trägt 12 Sterne als Krone, eine Erinnerung an die 12 Stämme Israels. Das Volk Israel wird in der Bibel öfters als die Braut Gottes bezeichnet. Das heißt: Jesus stammte nicht nur von einer Frau, sondern er ist aus dem Judentum hervorgegangen. Aber die Symbolik ist damit noch nicht vollständig ausgelegt. Denn als Rom im Jahre 70 Jerusalem und seine Bewohner vernichtete, um das Judentum endgültig zu unterdrücken, sind die Judenchristen in die Wüste jenseits des Jordans geflohen und haben dort überlebt. Diese Frau ist also auch mit der Christenheit zu identifizieren. Denn es heißt ein paar Verse weiter: „Und der Drache wurde zornig über die Frau und ging hin, zu kämpfen gegen die übrigen von ihrem Geschlecht, die Gottes Gebote halten (die Juden) und haben das Zeugnis Jesu (die Christen).“

Die Geburtsgeschichte Jesu, die in der Offenbarung steht, ist eine wichtige Ergänzung zu den Geburtsgeschichten nach Matthäus und Lukas. Sie macht deutlich, dass die Menschwerdung Gottes eine Kampfansage war. Es geht bei der Geburt Jesu um einen Machtkampf. Es geht hier um Weltherrschaft. Und in Jesus will Gott seine Weltherrschaft aufrichten.

Gott will einen Weltfrieden herstellen. Aber er wird ganz anders als die Pax Romana aussehen, die Frieden durch Gewaltherrschaft herstellte. Es gab damals einen Zeitzeugen, der den Weltfrieden Roms mit den folgenden Worten bezeichnete: „Sie plündern, schlachten, rauben und nennen diese Tätigkeiten Weltreich. Sie machen alles zu einer Wüste und nennen es Frieden.“ Frieden schaffen durch Verwüstung ist die Methode des Drachens, der alten Schlange, des Teufels. Gott wird Frieden schaffen durch sanfte Methoden, durch Gnade und Vergebung, durch Geduld und Liebe, durch Besonnenheit und Sanftmut.

Und wer wird gewinnen? Gott oder der Drache? Für den Schreiber der Offenbarung ist es keine Frage, wer sich zuletzt durchsetzen wird. Und es sollte auch für uns keine Frage sein, wer zuletzt Frieden verwirklichen wird und welche Art des Friedens wir verkörpern sollten.

Als Abschlusslied werden wir später folgende Strophe singen:

Brich an, du schönes Morgenlicht,
und lass den Himmel tagen!
Du Hirtenvolk, erschrecke nicht,
weil dir die Engel sagen,
dass dieses schwache Knäbelein
soll unser Trost und Freude sein,
dazu den Satan zwingen
und letztlich Frieden bringen.

Das Glasfenster 'Vitrail représentant une vision tirée de l'Apocalypse, dans l'église de Joinville, en Haute-Marne', 2008, Vassil, wurde von seinem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Diese Datei ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.
Das Gemälde 'Apollo Slays Python', 1850-1851, Eugène Ferdinand Victor Delacroix, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Die Abbildung 'Jesus as the Good Shepherd', mid 3rd century A.D. , painting in catacomb, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Bild 'Woman of the Apocalypse', XII c., w:Herrad of Landsberg, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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